«Rest an Frieden» – Rapper Goethe legt nach Rapbellions-Projekt nach

Wir leben in krisenhaften Zeiten. Seit Corona haben sich die gesellschaftlichen Konflikte intensiviert. Ein Ende ist nicht abzusehen. Allein der Begriff «Great Reset» löst Horrorvorstellungen aus, die mit einer inneren Unruhe einhergehen. Angesichts der trüben Zukunftsaussichten geraten nicht wenige in Panik. Doch einer lässt sich nicht verunsichern – Goethe. Gemeint ist nicht der weltberühmte Dichter und Autor des «Faust», sondern ein Rapper aus dem Ruhrgebiet, der größere Bekanntheit durch seine Teilnahme am spektakulären Rapbellions-Projekt «Ich mach da nicht mit» erlangt hat. Knapp einen Monat nach dem Mega-Song tritt der 34-Jährige mit einem eigenen Track hervor.

Sein «Rest an Frieden» ist ein sanftes, balladenartiges Rap-Stück mit melancholischen Tönen, das in atmosphärisch dichter Form Kraft, ja vielleicht Trost spendet. „Diesen Rest an Frieden / In meinem Herzen / Den lass ich mir nicht nehmen“, heißt es in der Hook, die sein Rapbellions-Kollege Yannick D. singt. „Ich habe so viel gegeben / Das ist in Ordnung / Doch da gabs auch so viel Tränen / Gebe keinem die Schuld denn / Darum geht’s nicht / Ich kann gewinnen und auch verlieren / Sollte es wieder schief gehen / Und ich scheitern / Geh ich den Weg zurück zu mir.“ Die Message ist klar: Auch wenn die Turbulenzen der Außenwelt die Gefühlswelt ankratzen, gibt es im Inneren einen festen Kern, den sie nicht erreichen und der dafür sorgt, dass man die Ruhe behält.

Goethe bezieht diese Aussage nicht unbedingt auf die Corona-Krise, sondern allgemein. Das ganze Leben bestehe aus Konflikten, die mal mehr, mal weniger die Kraft rauben. Der Rapper weiß, wovon er spricht. Auch er hat eine bewegende Vergangenheit mit Höhen und Tiefen hinter sich, privat wie beruflich. Sein musikalischer Werdegang begann in recht jungen Jahren. Mit 13 fing er zu rappen an und schloss sich wenig später mit einem Freund zusammen, dessen Nachname nach Schiller klang. Das brachte ihn auf die Idee, sich den Künstlernamen Goethe zu verpassen, um auf ironische Weise auf das Dream Team der Weimarer Klassik zu referieren. Fortan traten sie unter dem Namen Chillah & Goethe auf und produzierten mehrere Alben zusammen. Später wurden die beiden Teil der Band RBO, in der ein weiterer Rapbellion mitwirkte: Lapaz.

Musikalischer Werdegang

2013 legte Goethe sein Mikrophon in die Schublade, um sich dem wirklichen Leben zu widmen. Als er es wieder herausholte, befand sich die Corona-Krise bereits in Sichtweite. Mit ihr haben gesellschaftliche Konflikte, die er schon vorher wahrnahm und in seinen Songs thematisierte, ihren absoluten Höhepunkt erreicht. „Was ich in dem letzten Jahr erlebte, hat mich schockiert“, sagt der Rapper. „Man hat uns nicht nur die Freiheitsrechte genommen, sondern auch die Würde, obwohl sie im Grundgesetz ganz oben steht.“ Goethe, der im richtigen Leben als Lehrer tätig ist, erlebte nicht nur an seinem Arbeitsort staatliche Willkür, sondern auch auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Diese seien überwiegend rechtswidrig und inakzeptabel.

Goethe

Am meisten stören ihn die Verstöße gegen die Meinungsfreiheit. Kritische Stimmen würden unterdrückt und zensiert, was er nach dem Rapbellion-Projekt auch als Solo-Künstler spüre. Sein aktuelles Album «Alien» lässt sich auf den großen Plattformen nur schwer veröffentlichen. TuneCore etwa hat es abgelehnt, ohne Gründe zu nennen. Das sei psychologische Kriegsführung, sagt Goethe, der diesen Gedanken in seinem Song «Rest an Frieden» so ausführt: „Es landen kaum noch Bomben auf Menschen / Die Bomben sind in unseren Köpfen / Überall ist Krieg irgendwie nach wie vor / Er hat nur eine andere Erscheinungsform / Mein Krieg entfacht, wenn ich irgendwo sehe, / Dass irgendwelche Menschen andere Menschen unterdrücken.“

Auseinandersetzung mit sich selbst und der Außenwelt

Der Krieg verlagere sich heutzutage von der materiellen Sphäre auf die geistige Ebene und finde an vielen Fronten statt. „Es wird gespalten, Angst gemacht und desinformiert“, sagt der Rapper. In seinen Augen wollen die Technokraten ihren Herrschaftsstatus behalten, weshalb sie das Individuum gegen die Gesellschaft ausspielen. Für trübe Stimmung möchte er mit seiner Musik aber nicht sorgen. Vielmehr begreift er sein künstlerisches Schaffen als eine Auseinandersetzung mit sich selbst und der Außenwelt, die von Reflexion und Sinnsuche geprägt ist. Eine Song-Zeile bringt es prägnant auf den Punkt: „Ich möchte gerne verstehen, / Worum es bei all dem hier geht / Tausende Erklärungen keine überzeugte mich / Irgendwann erkenne ich / Vielleicht aber heute nicht.“

In seiner Musik versucht der Rapper, das große Ganze in den Blick zu nehmen. Was ist seine Aufgabe in dieser Welt? Was gibt der menschlichen Existenz einen Sinn? Das sind die Fragen, die ihn bei der Songproduktion leiten. Dabei geht er nicht selten auch mit sich selber hart ins Gericht: „Ich bin nicht im Krieg mit der Welt / Ich bin nur im Krieg mit mir selbst / Der Endgegner lauert da im Spiegel / Kann man den besiegen“, rappt er in «Rest an Frieden».

Ähnliche Aussagen finden sich in dem vorangegangenen Song «Alien», der für das aktuelle Album Pate steht. Er steht als Metapher für ein Gefühl, das Goethe sein Leben lang begleitet hat – mit dem Zeitgeist nicht verbunden zu sein. In gewisser Weise fühlt sich der Rapper als Außenseiter und nimmt sich, wie er sagt, zu oft selber den Frieden. Kraft findet er in der Musik. Wenn Goethe zu Stift und Papier greift, erinnert er sich wieder, dass es in seinem Inneren einen unzerstörbaren Kern gibt. Dann entstehen auch so kraftvolle Stücke wie «Rest an Frieden».

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