«Der Verschwörer» – Informative und ästhetisch hochwertige Doku über Daniele Ganser

Der Schweizer Historiker Daniele Ganser ist einer, der sich in seiner Forschung brisanter Themen annimmt. Einen Namen machte er sich mit seiner 2005 veröffentlichten Dissertation über die Nato-Geheimarmeen in Europa. Später widmete er sich den Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Terroranschlägen am 11. September 2001. Das war der Beginn einer bis heute andauernden Diffamierungskampagne, die damit einhergeht, dass Ganser in einschlägigen Medien konsequent als «Verschwörungstheoretiker» bezeichnet wird – oder als jemand, der Verschwörungstheorien verbreitet. An diesem Narrativ hält insbesondere die Online-Enzyklopädie Wikipedia fest. Doch wie objektiv ist das? Wird dieses Etikett durch Fakten gedeckt? Oder dient es eher als Instrument zur Diskreditierung eines unliebsamen Kritikers?

Eine neue Dokumentation wirft diese und ähnliche Fragen auf, will sie aber nicht beantworten, sondern den Zuschauern genügend Raum bieten, sich eine eigene Meinung über Ganser zu bilden. «Der Verschwörer», eine Co-Produktion des Clubs der klaren Worte mit dem Regisseur Rainer Spix, kommt als ein ausführliches Gespräch daher, in dem sich der Journalist Markus Langemann mit dem Schweizer Historiker über verschiedene Themen austauscht. Eine inhaltliche Absprache habe es nicht gegeben, beteuern beide zu Beginn des Films, als sie sich in Gansers Büro treffen. Das Gespräch soll ergebnisoffen sein, spontan und assoziativ. Das funktioniert erstaunlich gut – auch weil Langemann die richtigen Fragen stellt. Er will wissen, warum Ganser so „heiße Eisen“ anpacke, ob er nicht naiv sei, wie er mit der negativen Presse umgehe, ob er nicht Existenzängste habe.

Ein tiefgründiges Gespräch

Langemann hakt nach und will es ganz genau wissen, wirkt aber nie aufdringlich. Er lässt Ganser ausreden und gibt ihm genug Zeit, seine Sicht auf die Dinge ausführlich darzulegen. So entsteht ein tiefgründiges und interessantes Gespräch, das keiner Dramaturgie bedarf, um die Spannung ganz oben zu halten. Das liegt auch an den Aussagen des Schweizer Historikers, der sich als Forscher traut, verminte Felder zu betreten. Wo andere Wissenschaftler die Augen vor Angst verschließen, sieht er die Möglichkeit, delikate Informationen an Land zu ziehen. Ihn faszinierten verdeckte Operationen, sagt Ganser an einer Stelle. Am meisten beschäftige er sich aber mit der Frage, wie die Menschheit den Zustand des Unfriedens überwinden und in Frieden leben könne.

Daniele Ganser (l) und Markus Langemann

Aufgrund dieses Erkenntnisinteresses bezeichnet sich Ganser als Friedensforscher, was nach Birkenstockschuhen klingen mag, aber nicht wirklich zum «Verschwörer» passt, den die Leitmedien aus ihm machen. Auf diesen Widerspruch geht Langemann explizit ein. Und Ganser kann nicht viel mehr sagen, als dass er ihn ebenfalls in der Resonanz auf seine Arbeit bemerkt. Während die Medien permanent negativ über ihn berichteten, erlebe er in der Bevölkerung viel Zuspruch. Seine Vorträge seien meistens ausverkauft, was schon etwas Religiöses habe – findet zumindest Langemann. Ganser widerspricht ihm, und das nicht nur einmal. Auch solche Momente gibt es in der Dokumentation, die sich von einem Thema zum nächsten bewegt. Es geht um die Mechanismen des Wissenschaftsbetriebs und Tabus, um Eitelkeit und Gansers kurzzeitige Karriere als Modell, um Kindererziehung und Freizeitgestaltung, um Corona und die daraus resultierende gesellschaftliche Spaltung.

Intellektuell bewegt sich das Gespräch auf einem hohen Niveau, ohne verkrampft oder gar verkopft zu wirken. Es ist eine schöne Mischung aus Ernsthaftigkeit und Ausgelassenheit. Die Qualität zeigt sich in Szenen, die zum Nachdenken anregen und zugleich ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern. Genauso hochwertig erweist sich der Film auf der visuellen Ebene. Langemann und Ganser unterhalten sich nicht im Studio, nicht an einem vorher genau bestimmten Ort, sondern begeben sich in die Natur. Sie wandeln im Park, besteigen einen Berg, spazieren im Vorhof der Universität. Die Kamera folgt ihnen auf Schritt und Tritt.  Sie kommt ihnen ganz nahe, zeigt sie aus der Vogelperspektive oder fängt Details ein, von denen eine besondere Ästhetik ausgeht.

Atmosphärisch dicht

Aufgelockert werden die Gesprächssequenzen durch ansprechende Stimmungsbilder. Man sieht Ganser beim Nachdenken, wie er in sich geht oder den Blick in die Weite schweifen lässt. In einer Szene ähnelt er Casper David Friedrichs «Wanderer über dem Nebelmeer», der auf einem felsigen Gipfel die Landschaft betrachtet. Das hat etwas Meditatives, zumal solche Aufnahmen mit passender Musik untermalt werden. Darunter befinden sich einige treffende Songzeilen, die nicht nur die Atmosphäre wiedergeben, sondern in gewisser Weise mit dem korrespondieren, was in dem Interview zur Sprache kommt.

«Der Verschwörer» ist der zweite Teil einer Reihe von dokumentierenden Interviews, die der Club der klaren Worte in regelmäßigen Abständen zu produzieren beabsichtigt. Wie schon in «Der Stachel», wo Hans-Georg Maaßen im Mittepunkt steht, widmet sich auch die aktuelle Dokumentation einem Menschen, der in der Öffentlichkeit umstritten und außergewöhnlich erscheint. Diese Adjektive treffen auf Daniele Ganser zweifellos zu. Dennoch lässt sich in ihm nicht der «Verschwörungstheoretiker» erkennen, als der er dämonisiert wird. Im Gegenteil: Der Schweizer Historiker macht einen sympathischen Eindruck. Er wirkt bodenständig, reflektiert und belesen. Vor allem erweist er sich als sehr offen, als ein Freigeist, der sich nicht vereinnahmen lässt, der die Meinung anderer akzeptiert und den Austausch von Argumenten liebt. Ein Wissenschaftler durch und durch.

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5 Gedanken zu “«Der Verschwörer» – Informative und ästhetisch hochwertige Doku über Daniele Ganser

  1. Hallo Herr Zentner

    Gerne möchte ich den Doku Film mit Daniele Ganser der Verschwörer erwerben.
    Wie tue ich das?

    Freundliche Grüsse Andrea Huber

  2. Hallo liebes Team,

    gerne würde ich den Film erwerben und ihn einem Freund, der ein Fan von Ganser ist, schenken.

    Wie mache ich das ?

    Danke im Voraus
    LG
    Ferdinand

  3. Jeder der Herrn Ganser einen Verschwörungstheoretiker nennt sollte erst mal ein paar Beiträge von ihm hören und dann die Fakten checken, er hält sich sehr genau an die Geschichte und erzählt nur Sachen die auch belegt sind.
    Ich habe viel von diesem Mann gelernt.

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