«Die Besteigung des Chimborazo» – Biopic über Alexander von Humboldt

Vor knapp 200 Jahren galt der Chimborazo als der höchste Berg der Welt. Für den damals 32-jährigen Alexander von Humboldt war er geradezu perfekt, um seine großen Ambitionen als Naturforscher unter Beweis zu stellen. 1802 begann er zusammen mit dem französischen Botaniker Aimé Bonpland und dem Aristokraten Carlos Montúfar die Besteigung und gab sich seinen Studien hin, obwohl der Weg nach oben einige Strapazen bereithielt.

Von dieser Expedition handelt Rainer Simons Film aus dem Jahr 1989, der nun auf DVD erschienen ist. «Die Besteigung des Chimborazo» stellt den damals jungen Naturforscher als umtriebigen Freigeist vor. Obwohl die Expedition die Rahmenhandlung bildet, wird Alexander von Humboldt (Jan Josef Liefers) überwiegend in Rückblinden charakterisiert. Schnell kommt dabei dessen Unruhe zum Vorschein. Der aus wohlhabendem Hause stammende Jüngling strebt nach einem noch undefinierten Tätigsein. Er will Wissen schaffen und der Menschheit dienen. Dafür führt er sogar gefährliche Experimente an sich selbst durch, wie manche Szenen mit leicht ironischem Blick zeigen.

Jan Josef Liefers als Alexander von Humboldt

Jan Josef Liefers spielt diesen Jungwissenschaftler mit angenehmer Kultiviertheit, aber auch mit aufbrausendem Temperament. Darin spiegelt sich der revolutionäre Geist jener Zeit. In dem Film hadert Humboldt jedoch mit der Kleingeistigkeit der Deutschen. Während in Frankreich die Menschen aus verkrusteten Strukturen ausbrechen, bleibt man in Preußen obrigkeitshörig. „Ich sehe überhaupt nicht ein, warum ich einen König fragen muss, wohin ich reisen darf“, sagt er einmal. Dieser Satz bezieht sich nicht nur auf das ausgehende 18. Jahrhundert, sondern auch auf die DDR jener Tage, in denen Simons Film entstanden ist. 

Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft

Wie viele andere Filmemacher der DEFA nutzte der Regisseur einen biografischen Stoff in historischem Gewand, um über die Strukturen und Ungerechtigkeiten des damaligen realexistierenden Sozialismus zu reflektieren. Insofern widmet sich «Die Besteigung des Chimborazo» auch dem Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft. Indem der Film Humboldt über die fehlende Freiheit klagen lässt, spielt er auf das rigide, autoritäre DDR-System an. 

An Aktualität hat Simons Streifen auch knapp dreißig Jahre später nicht verloren. Im Deutschland von 2021 lebt man mittlerweile ebenfalls in einem Staat, der individuelle Freiheiten und Grundrechte enorm einschränkt. Jener Satz Humboldts, in dem er seine Emanzipation vom König kundtut, passt gut zu der gegenwärtigen Debatte über das mögliche Reiseverbot. Die Bundeskanzlerin will es mit aller Härte durchsetzen und agiert dabei genauso wie eine preußische Monarchin. Vor diesem Hintergrund wirkt die DVD-Erscheinung wie eine Ironie des Schicksals. 

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