Kritische Texte, emotionale Gitarrenklänge – El Alemán begeistert bei erstem Solo-Konzert

2020 war das Jahr, in dem der Gitarrist El Alemán zum Liedermacher wurde. Es geschah aus einem Zustand der Wut und Frustration heraus, wie er sagt. Um nicht an der Corona-Politik und den gesellschaftlichen Folgen zu verzweifeln, fing er an, seine Gefühle lyrisch zu kanalisieren. Das Ergebnis dieser Art der Selbstherapie sind zwei Alben, in denen El Alemán die Stimmung im Land verarbeitet hat. Wie diese Stücke klingen, demonstrierte er am Freitag live bei seinem ersten Solo-Konzert im Berliner Stadtteil Mahlsdorf. Dort fand sich auf einem privaten Grundstück ein kleines Publikum ein, das von den Texten des Künstlers sofort eingenommen war.

El Alemán begann seinen Auftritt mit dem Lied «In diesen Zeiten», das den Wunsch thematisiert, irgendwohin zu fliehen, weil die gesellschaftlichen Um- und Zustände unerträglich geworden sind – an einen Ort, der Freiheit verspricht und Lebensglück. In dem Song kommt die Stimmung der letzten Jahre durch. Er klingt aufwühlend und bedrückend, so wie das Lied «Hilf mir raus», dass der Musiker gleich danach darbot. Darin bemüht El Alemán die Metapher des Films und beschreibt die Realität der Corona-Zeit als Horrorstreifen, der irreale Züge trägt. Thematisch ging es so weiter, Song für Song. Der Liedermacher stellte in seinen Stücken historische Vergleiche an, kritisierte das Schweigen angeblich rebellischer Musiker und persiflierte den Drang kleiner Leute, in bestimmten Positionen ihre Macht auszuüben.

Auf den Punkt

Das Publikum fühlte sich abgeholt. Er singe ihnen aus der Seele, sagten einige Gäste in der Pause. El Alemàns Lieder brächten die gesellschaftlichen Verhältnisse auf den Punkt. Dass der Musiker über dieses ausgereifte Talent zur Lyrik verfügt, wusste er vor 2020 selber nicht. „Als die Welt noch normal war“, wie er zwischen den Stücken immer wieder betonte, reiste er gerne durch sein Lieblingsland Spanien und ließ sich in den Flamenco-Clubs von Granada oder Malaga inspirieren. In dieser Zeit perfektionierte der Gitarrist sein Handwerk und spielte hauptsächlich instrumentelle Stücke. Bei seinem ersten Solo-Konzert durften sie natürlich nicht fehlen. El Alemán variierte gekonnt die neuen mit den neuen Stücken und brachte das Publikum mit Rumba-Klängen in Wallung. Es wurde geklatscht und geschunkelt.

El Alemán

Der Berliner Musiker trat auf, als wäre es nicht sein erster Auftritt. In gewisser Hinsicht stimmt das auch: Bühnenerfahrung hat er reichlich gesammelt, meist als Gitarrist im Trio zusammen mit Liedermacherin Bettina Wegner und Chansonsänger Karsten Troyke. Als Singer-Songwriter präsentierte er sich zuvor jedoch noch nie dem Publikum. Hätte El Alemán das nicht vorher angekündigt, es wäre keinem aufgefallen – so selbstsicher und routiniert gab er sich. In klassischer Singer-Songwriter-Manier erzählte er zwischen den Beiträgen kurze Anekdoten oder lieferte zu ihnen die Entstehungsgeschichte. Sein instrumentelles Stück «Verbrannte Zeit» etwa leitete er mit einem Zitat von Erich Kästner ein, das aus den 1930er Jahren stammt, aber auf die heutigen Verhältnisse genauso zutrifft.

Das Konzert variierte zwischen Melancholie, Tönen der Lebensfreude und tiefsinniger Gesellschaftsanalyse. Für das Publikum war es eine Reise durch verschiedene Gefühlsebenen, zumal El Alemán zum Schluss mit «Der gerade Weg» Hoffnung versprühte. Der sei schwer, singt er darin, „im Dunkeln ohne Sicht, / Doch am Ende jedes Tunnels zeigt sich irgendwann ein Licht / Hinter einer Nebelwand, die langsam bricht, / Wie ein Phönix aus der Asche, / Steigst du endlich auf ins Licht“. Das Publikum war begeistert und animierte den Liedermacher immer wieder zur Zugabe. Wenn es nach den Gästen ginge, hätte El Alemán noch weitere fünf Stunden spielen können.

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