Die sozialen Lebensverhältnisse in Deutschland verschlechtern sich fast schon täglich. Mit der steigenden Inflation schmelzen Einkommen und Ersparnisse wie das Eis in der Sonne. Dabei fielen die Ausgaben auch zuvor nicht gerade niedrig aus. Seit Jahren müssen Mieter rund ein Drittel ihres Monatsgehalts dafür bezahlen, dass sie ein Dach über dem Kopf haben. Eine Entwicklung, die Angst macht – und auf viele, viele Fehler der deutschen Wohnungspolitik zurückzuführen ist. Mit ihr beschäftigt sich Caren Lay in dem neuen Buch «Wohnopoly». Die Linken-Politikerin und Bundestagsabgeordnete spricht auf knapp 200 Seiten Klartext und beschreibt die Ursachen für die Misere, indem sie falschen Leitbildern nachspürt, auf eine gesteigerte Spekulationssucht verweist und die Macht der Lobby offenlegt.
Der erste Kardinalfehler sei laut Lay bereits unter dem ehemaligen Bundeskanzler Adenauer gemacht worden. Dessen Baumeister Paul Lücke habe die freie Marktwirtschaft auch beim Wohnen durchsetzen wollen – und es schließlich geschafft. So sei die Mietpreisbindung abgeschafft worden, was den Hausbesitzern Tor und Tür öffnete, höhere Einnahmen zu erzielen. Für privates Kapital wurde der deutsche Wohnungsmarkt fortan attraktiver, und die Politik tat alles, damit das so blieb. Es folgte das Steuersenkungsgesetz, mit dem die Immobilienspekulation gefördert wurde, und schließlich die Massenprivatisierung öffentlicher Wohnungen. Viele dieser Veränderungen gehen zurück auf die Regierung Schröder, mit dem Lay hart ins Gericht geht. Wieder und wieder arbeitet sie sich an ihm und dessen Reformen ab, sodass noch immer der Groll durchschimmert, der seit Beginn des Jahrtausends die politische Linke spaltet.
Klassische Kapitalismuskritik
Was die Bundestagsabgeordnete in ihrem Buch betreibt, ist klassische Kapitalismuskritik, allerdings in einer Gendersprache, die die Lektüre ungenießbar macht. Wer sich durch die Sternchen kämpft, findet interessante Informationen darüber, wo die Strukturprobleme liegen. So sei Deutschland mit den Jahren zu einem Paradies für Geldwäsche geworden, schreibt die Autorin. Das liege daran, dass um die Besitzverhältnisse von Immobilien eine Geheimniskrämerei „besonderen Ausmaßes“ betrieben werde: „Die Verschleierung der Vermögensverhältnisse beginnt beim Grundbuch. Und die Grundbücher sind Deutschlands bestgehütetes Geheimnis.“ Eine Einsichtnahme sei schwierig bis unmöglich.
Die Privatisierung des Wohnungsmarktes hätte hingegen die großen Aktiengesellschaften auf den Plan gerufen. Zwei Namen tauchen in Lays Buch besonders häufig auf: Vonovia und Deutsche Wohnen. Wer die Dekaden zuvor mitverfolgt hat, dürfte wissen, dass diese beiden Immobilienkonzerne die meisten Wohnungen besitzen und seit Jahren die staatlichen Bestände aufkaufen. Dann wird meistens teuer saniert und die Miete ganz legal erhöht – „weit über das, was eigentlich erlaubt ist“, schreibt die Autorin. In diesem Zusammenhang macht sie auf ein hilfreiches Instrument aufmerksam, das wieder auf die Politik zurückgeht: die Modernisierungsumlage. Dieses, so Lay weiter, sorge dafür, „dass Modernisierungsmaßnahmen nicht nur allein von den Mietern bezahlt werden müssen, sondern auch eine dauerhafte Mietsteigerung rechtfertigen.“
Monopolbildung auf dem Wohnungsmarkt
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf dem deutschen Wohnungsmarkt führten, das sagt der Titel ihres Buches bereits aus, zu Monopolen. Und die Geschichte gibt ihr Recht: Mittlerweile ist die Deutsche Wohnen in der Vonovia aufgegangen und fungiert als Tochterunternehmen. Die Leidtragenden sind die Mieter: „Steigende Mietpreise gehen häufig mit schlechtem Service einher“, so Lay. „Wo es früher einen Hausmeister gab, gibt es nun ein ‚Facility Management‘ in weit entfernten Großstädten.“ Dass die Politik solche Entwicklungen befeuert, führt die Bundestagsabgeordnete unter anderem auf die Lobby zurück. Sie bezieht sich dabei auf die eigenen Erfahrungen und nennt Kniffe, mit denen mächtige Organisationen Abweichler auf Linie zu bringen versuchen.
Allerdings beschränkt sich Lay nicht nur darauf, die derzeitigen Verhältnisse zu kritisieren – sie liefert auch Lösungsvorschläge. In einem „Mieten-Manifest“ stellt sie am Ende ihres Buches zehn provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik vor. Sie beziehen sich nicht nur darauf, die Mieten zu deckeln, die Spekulation zu besteuern und den Immobilienbesitz zu beschränken, sondern heben unter anderem auch die Rolle von Genossenschaften hervor. Diese seien eine gute Alternative zum Eigenheim: „Mit weniger Eigenkapital“, so das Argument, „bieten sie die gleiche Sicherheit, mehr Gemeinschaft und mehr Flexibilität.“ Zum Schluss gibt sie den Lesern den Rat, sich zu organisieren. „Ohne Druck von unten geht es nicht“, lautet ihre Botschaft. „Wir müssen mehr werden. Ob Initiativen und Gewerkschaften, Sozialverbände oder Kirchen – kommt zusammen!“ In einer Zeit der globalisierten Konzernmacht ist das tatsächlich wichtiger denn je.