Roman „Fucking Famous“ – eine Satire auf die Influencer-Welt

In Zukunft wird jeder für 15 Minuten berühmt sein, hat der US-Künstler Andy Warhol einmal prophezeit. Er sollte Recht behalten. Im Zeitalter von Social Media und Influencer-Marketing wimmelt es nur so von B-, C- und D-Promis. Die Selbstdarstellung bestimmt das Leben. Sie ist das eigentliche Kunstwerk, und wer es gut macht, darf den Ruhm ein bisschen länger genießen als 15 Minuten. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Die Jagd nach Klicks und Follower-Zahlen hat sich zu einer gesellschaftlichen Pandemie entwickelt. Nur die Hartnäckigsten überleben, nur die Gewieftesten und Skrupellosesten.

Mit welchen Bandagen in dieser Clickbaiting-Welt gekämpft wird, veranschaulicht Anne Hashagen in ihrem neuen Roman „Fucking Famous“. Das Influencer-Dasein wird hier satirisch durch den Wolf gedreht, manchmal bitterböse, stellenweise aber auch unter Einbeziehung tragischer Elemente. Im Mittelpunkt steht Lotte Hohenfeld, eine 39-jährige Frau mit großen Ambitionen. Für die Tätigkeit als Influencerin bringt sie die besten Voraussetzungen mit: Sie ist attraktiv, intelligent und hungrig nach Erfolg. Doch der wollte sich bislang nicht einstellen. Ihr Start-up floppt genauso wie ihr erstes Buch.

Als letzter Ausweg bleibt ihr die Selbstvermarktung im Social-Media-Dschungel, ein Geschäft, in dem Aufmerksamkeit die größte Währung ist. Um sie zu bekommen, lässt sich Lotte mit Hilfe einiger Freundinnen und anderer Influencerinnen allerlei einfallen. Sie tummelt sich auf Partys, bringt die Gerüchteküche zum Brodeln und kreiert ein Image. Es geht darum, berühmt zu werden, koste es, was es wolle. Den ersten Durchbruch bringt ein Video-Ausschnitt, in dem die Protagonistin einen Weltstar küsst, den zweiten eine gemeinsame Talkshow mit einem bekannten Entertainer. Doch wie in jeder Dramaturgie dieser Art folgt irgendwann der Abstieg. Die Verwicklungen gehen so weit, dass der Roman gegen Schluss sogar ansatzweise Anleihen bei einem Krimi-Plot macht.  

Atmosphärisch dicht

„Fucking Famous“ ist von existierenden Prominenten und eigenen Erfahrungen inspiriert, heißt es im Klappentext. Tatsächlich gelingt es der Autorin, die Stimmung innerhalb des Influencer-Kosmos atmosphärisch dicht einzufangen. Zahlreiche Trends wie Reels und Storys werden so in die Handlung eingebettet, dass das gezeichnete Milieu authentisch wirkt, vor allem dort, wo sich die Gedanken der Protagonistin ständig um Follower-Zahlen drehen. Die Lektüre ist durchaus unterhaltsam, in ihrem Erzählgestus jedoch ein wenig geschwätzig. Gerade zu Beginn plappert Lotte Hohenfeld drauf los, ohne Wichtiges vom Unwichtigen zu trennen. Als Ich-Erzählerin wirkt sie selbst nach dem Reifungsprozess genauso oberflächlich wie die Welt, aus der sie berichtet, vor allem dann, wenn sie ein wenig Philosophie und Kultur hineinmischt. Diese Versuche erschöpfen sich im Namedropping, in der bloßen Erwähnung von literarischen Werken und bekannten Zitaten.

Ein bisschen Tiefe hätte der Protagonistin nicht geschadet, ebenso wenig wie eine reflektiertere und ernstere Auseinandersetzung mit den Perversionen des Influencer-Daseins. Konfliktpotential gibt es genug, selbst in diesem Roman, wo sich Lotte Hohenfeld irgendwann nicht mehr mit ihrer social media persona identifizieren kann und sich so weit von dieser entfernt, dass sie von ihr in dritter Person spricht. In diesem inneren Konflikt war mehr drin, als die Autorin daraus gemacht hat. Das ist sehr schade. Denn genau hier offenbart sich der Zeitgeist am deutlichsten.

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