Der Hamburger Sprechgesangskünstler Yannick D. gehört zu den umtriebigsten Vertretern der alternativen Hip-Hop-Szene. Er rappt seit gut zwanzig Jahren und hat im Laufe der Zeit nicht nur ein beachtliches Oeuvre geschaffen, sondern auch ein eigenes Musik-Label aufgebaut. Mittlerweile geht seine Bekanntheit über die Hip-Hop-Szene hinaus, was unter anderem an seinen Auftritten mit den Rapbellions liegt. Das Rapkollektiv hat innerhalb kurzer Zeit Millionen von Menschen erreicht. Ihre coronakritischen Songs werden gelikt, geteilt und kommentiert – aber auch zensiert. Yannick D.s Teilnahme an dem Projekt war für seine Fans keine große Überraschung. Wer ihn kennt, weiß, dass der Rapper zu Kooperationen mit anderen Künstlern neigt. Das unterstreicht sein neuer Song «Paradies», für den er seine Gruppe Die Feta und den Newcomer Jay-D ins Boot holte.
Der Track lässt sich als eine Reaktion auf die gegenwärtige Situation verstehen, obwohl Yannick D. noch vor Corona an ihm zu arbeiten begann. Für ihn zeichnete sich schon damals ab, dass die gesellschaftlich-politischen Verhältnisse aus dem Ruder laufen. Hass, Egoismus, Geldgier und das Streben nach Macht hätten den Alltag schon lange bestimmt, so der Rapper. Seit der Corona-Krise herrsche zudem eine nicht enden wollende Desinformationskampagne, die Angst und Panik verbreite. „Der soziale Druck nimmt täglich zu“, sagt er. „Die Restriktionen sorgen dafür, dass viele Menschen um ihre Existenz fürchten müssen.“ Angesichts dieser katastrophalen Zustände sei es momentan schwer, zuversichtlich zu bleiben – selbst für ihn, obwohl er sich als unerschütterlichen Optimisten bezeichnet.
Paradies als Sehnsuchtsort
Der Rapper spürt in der Gesellschaft ein großes Bedürfnis nach seelischer Entlastung. Mit seinem neuen Song geht Yannick D. auf dieses Gefühl ein, indem er darin das Paradies als einen Sehnsuchtsort einführt. Wie der Hamburger Künstler ihn selber sich vorstellt, beschreibt er in seinem Auftaktspart: „Wäre ich nur einen Tag im Paradies / Hieße das, dass man naturgezeichnete Farben sieht / Glücklich sein ist das Prinzip / Das Motto Love and Peace / Im Vergleich wirkt der blaue Planet anthrazit / Es gibt weder Reich noch Arm / Gleichgewicht ist da / Werte haben, bedeutet nicht das scheißverfickte Kapital / Wäre ich nur einen Tag im Paradies / Wären alle gleich, so dass man jeden Menschen lachen sieht.“
Der Song malt eine Welt, in der es keine Waffen gibt und keinen Krieg; eine Welt voller positiver Energie, in der Nächstenliebe obsiegt, in der Menschen sich nicht gegenseitig bekämpfen, sondern aufeinander zugehen. Yannick D.s Vorstellung vom Paradies ist religiös konnotiert. Als Christ orientiert er sich an den Werten, die in der Bibel vermittelt werden. In seinem Song schimmert das an manchen Stellen durch. Allerdings ist diese Vorstellung nicht dogmatisch zu verstehen. Mit seinem Track will der Rapper keine Richtung vorgehen, sondern die Hörer dazu animieren, sich selber Gedanken darüber zu machen, wie ein Paradies für sie aussehen könnte. „Das hilft, mit der schwierigen Situation fertig zu werden“, sagt er. „Zugleich ist das die Grundlage für persönliche Entwicklung.“
Musikalischer Werdegang
Positive Botschaften prägen sein Werk. Sie gehörten schon zu seinem Grundinventar, als er noch vor knapp zwanzig Jahren über das Leben in einem sozialen Brennpunkt rappte. Damals trat er noch unter dem Künstlernamen Cronik auf und verarbeitete in verschiedenen Kollaborationen das, was seinen Alltag bestimmte: Drogen, Gewalt, Kriminalität. Verherrlicht wurde dieser Lifestyle aber nie. Vielmehr waren die Songs darauf ausgerichtet, den Betroffenen die Augen zu öffnen und sie von dem eingeschlagenen Kurs abzubringen. Der Sprechgesangskünstler rappte nicht nur darüber, sondern ließ den Worten Taten folgen. 2012 betrat er eine neue Lebens- und Schaffensphase, in der er alte Laster ablegte und nun unter dem Namen Yannick D. sozialkritische Songs zu produzieren begann. Zwei Jahre später gründete er seine Band Die Feta, die den Leadgitarristen Thilo Krüger und den zweiten Gitarrist Jörg Schalt einschließt.
2015 brachte die Gruppe ihr erstes Album heraus. Der Titel «Erst der Anfang» gibt das Programm vor und stimmt auf weitere Veröffentlichungen ein. Der aktuelle Song «Paradies» tut es ebenfalls. Es ist die erste Single des zweiten Albums, das demnächst beim Musik-Label Antinorm erscheinen soll. Das Medienunternehmen ist Verlag und Plattenfirma in einem. Gegründet hat sie Yannick D. im Februar 2020, kurz bevor die Corona-Maßnahmen verhängt wurden. Es sollte daher etwas dauern, bis Antinorm richtig durchstarten konnte. Mittlerweile sind die Grundpflöcke eingeschlagen. Als ersten Künstler hat Yannick D. den Lübecker Rapper Jay-D unter Vertrag genommen, dessen Debüt-EP Ende dieses Jahres unter dem Titel «Fremde Sprache» erscheinen soll.
Rapper mit einer Gesangsstimme
Ein Teil des Erstlingswerks wird auch der gemeinsame Song «Paradies» sein, in dem Jay-D gleich sein ganzes Können zeigt. „Wäre ich nur einen Tag im Paradies“, beginnt sein Part. „Das hieß, die Welt zu erkennen / Wie sie in Farbe sprießt / Respekt ernten und friedevoll durch Straßen ziehen / Gerecht werden /Friede sei mit dir, im Kanon sing“. Den Refrain übernimmt wieder Yannick D. „Es könnte so schön sein und Paradies voll Harmonie“, singt er mit tiefer Stimme. „Alles cool und relaxed, keine Spur von Stress.“
Anders als die meisten Rapper hat der Hamburger eine Gesangsstimme, die für Refrains geradezu prädestiniert ist. Im Laufe der Jahre wurde sie zu seinem Markenzeichen. Dementsprechend oft fragen seine Hip-Hop-Kollegen nach, ob er sie ihnen nicht leihen könnte. Zu hören ist sie beispielsweise in Goethes Song «Rest an Frieden», wo Yannick D. genauso den Refrain singt wie in «Goldlöwen», der zweiten Single der Rapbellions. Er tritt gerne in verschiedenen Konstellationen auf. „Ich bin jemand, der sich gerne mit Menschen vernetzt“, so der 35-Jährige. Diesem Motto bleibt er auch in Zukunft treu. Demnächst sollen Kollaborationssongs jeweils mit Phizzo und Galstarr herauskommen, zwei Rapbellions, die genauso wie er für ihre kritischen Songs bekannt sind. Man darf also gespannt sein.