So allmählich fährt der Kulturbetrieb wieder hoch. Gravierende Hygiene-Einschränken bleiben in diesem Herbst bislang aus. Das ermöglicht Künstlern, nach langer, langer Durststrecke erneut regelmäßig aufzutreten – so wie Uli Masuth, einem Kabarettisten aus Weimar, der gerade mit seinem neuen Programm auf Tour ist. Vor wenigen Wochen spielte er im Berliner Lokal Al Hamra, am Samstag betritt er im Reiwerle die Bühne, einem Restaurant, das seit der Corona-Krise auch Kultur-Events veranstaltet und vor allem Künstler einlädt, die sich trauen, die Maßnahmen-Politik zu kritisieren. Uli Masuth ist einer von ihnen.
Anders als viele seiner Kollegen duckt sich der Kabarettist nicht weg, sondern spricht die vielen Widersprüche, Verzerrungen und moralischen Brüche rund um Corona öffentlich an. Davon zeugt allein der Titel seines neuen Programms – «Lügen und andere Wahrheiten». Darin karikiert der 65-Jährige unter anderem den schon länger anhaltenden Hype um vermeintliche Experten, die in den Leitmedien zu Propheten hochgejazzt werden, aber mit ihren Vorhersagen meistens danebenliegen. Als Beispiel führt Masuth den britischen Epidemiologen Neil Ferguson an, der schon bei der Hysterie um die Vogelgrippe eine unrühmliche Rolle spielte. „Damals ging er von 200 Millionen Toten aus“, so der Kabarettist. „Diese wüsten Zahlen haben sich nicht bestätigt.“ Das habe sich während der Corona-Krise wiederholt, als er erneut Horrorszenarien an die Wand malte – so wie Karl Lauterbach in Deutschland.
Kriegslügen und Doppelmoral
Wenn Masuth in seinem neuen Programm das Expertentum satirisch aufs Korn nimmt, darf der deutsche Gesundheitsminister nicht fehlen. Ein weiterer Abschnitt ist der Impfagenda gewidmet, wobei der Kabarettist auch bei diesem Thema «Lügen und andere Wahrheiten» humorvoll herausarbeitet. Allerdings geht es in der Show nicht vordergründig um Corona. „Das wäre sonst langweilig“, sagt der aus dem Ruhrpott stammende Künstler. Neben Karl Lauterbach werden natürlich auch die Grünen gebührend gewürdigt, überwiegend wegen ihrer Doppelmoral. Um diese zu demonstrieren, erinnert Masuth an ihren letzten Parteitag: „Wenn die Kamera läuft, tragen sie alle brav Maske. Abends auf der Party tanzen sie dann dicht an dicht völlig ohne.“
Die gleiche Doppelmoral zeige sich in der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt, auf den der Kabarettist in seinem mittlerweile sechsten Programm ebenfalls eingeht. Er behandelt sämtliche Lügen, die mit Kriegen in Zusammenhang stehen. Ein Beispiel sei Vietnam: „Die Begründung für den Krieg basierte auf einer Lüge. Gleiches gilt für Irak. Den ersten Krieg leitete die Brutkastenlüge ein, den dritten die Mär von Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen.“ Die Liste ließe sich fortsetzen. Masuth möchte dieses perfide Spiel mit der Wahrheit dem Publikum ins Bewusstsein bringen; jedoch nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern aus der Perspektive des Fragenden. „Ich will die Menschen aktivieren, sie zum Nachdenken anregen“, beschreibt er seinen Ansatz.
Persiflage des Besondere Helden»-Videos
Diese Herangehensweise offenbart sich beispielsweise in seiner Persiflage auf das 2020 erschienene «Besondere Helden»-Video der Bundesregierung. In diesem werbemäßigen Clip wurde den Bürgern auf spielerische, aber manipulative Art schmackhaft gemacht, zu Hause zu bleiben und Kontakte zu meiden. Faulenzen pries das Video als einen heroischen Akt an. Ein in weiter Zukunft sprechender Opa erzählt vom Krieg – vom Krieg gegen das Virus, so die Ausgangssituation. Er habe im Winter 2020 feiern wollen, wie alle jungen Menschen, sagt der Protagonist, dessen Worte von dramatischer Musik begleitet werden. „Doch das Schicksal hatte andere Pläne mit uns.“ Der Rest ist bekannt: „Also fassten wir alle unseren Mut zusammen und taten, was von uns erwartet wurde – das einzig Richtige: Wir taten – nichts, absolut gar nichts, waren faul wie die Waschbären.“ Die Couch sei die Front gewesen, die Geduld ihre Waffe.
Uli Masuth hat diese Geschichte in seinem Video umgedreht und den Zuschauern zu verstehen gegeben, dass man Kontaktbeschränkungen und das «Stay Home»-Narrativ auch aus einer anderen Perspektive betrachten kann. Als Protagonist tritt ein Assistenzarzt auf, der seine Geschichte dramaturgisch an das Originalvideo der Bundesregierung anpasst, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Es geht um den Winter 2021. Damals, so der fiktive Onkologe aus der Zukunft, habe er nicht viel zu tun gehabt. Die Patienten seien wegen übermäßiger Angst vor Corona ausgeblieben. „Auf der Station waren wir faul wie die Waschbären“, greift Masuth den Gag auf. Es sei eine schöne Zeit gewesen, so der Onkologe weiter. Er hätte lange so weiterarbeiten können, wäre da nicht das Schicksal. Gekommen sei es in Begleitung der Impfkampagne – mit einem Versprechen, als impfender Arzt viel Geld zu verdienen. „Also fassten wir alle unseren Mut zusammen und taten, was von uns erwartet wurde – das einzig Richtige: Wir meldeten uns freiwillig für den Kampfeinsatz im Impfzentrum und wurden fleißig wie die Bienen.“
Angela Merkels nicht gehaltene Mut-Mach-Rede
Nicht weniger pointiert trägt der Kabarettist in einem anderen Kurzvideo eine Mut-Mach-Rede von Angela Merkel vor, indem er erneut auf den Kunstgriff der Umdrehung zurückgreift. Was die damalige Kanzlerin hätte sagen können, aber nie getan hat, hört sich bei Masuth so an: „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wie Sie wahrscheinlich alle wissen, haben wir es in diesen Tagen mit einer neuen Variante des Corona-Virus zu tun: SARS-CoV2. Ein Virus, das vielen Menschen Angst macht. Und darum bin ich hier, meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, um Sie zu beruhigen. Zunächst ein paar Fakten, die wir alle kennen sollten: Corona-Viren sind seit 60 Jahren bekannt. Corona-Viren kommen in jeder Wintersaison in einem Mix aus Influenzaviren, Rhinoviren, Adenoviren und 200 anderen Viren vor. Corona-Viren sind also grundsätzlich nichts Neues. Neu ist lediglich diese Variante.“ Es folgt ein kleiner Exkurs in die Virologie und Epidemiologie, mit dem Schluss, dass kein Grund zur Sorge bestehe. Viel besser sei es, das eigene Immunsystem zu stärken, mit gesundem Essen, viel Bewegung in der frischen Luft und wenig Stress.
Uli Masuth, das machen seine Videos genauso deutlich wie seine Live-Auftritte, ist en Kabarettist der leisen, aber pointiert formulierten Worte, die den Gag mit intellektuellem Scharfsinn umhüllen. Wer über sie nachdenkt, wird keine Schwierigkeiten haben, in ihnen einen tiefen Sinn zu finden. Als er die Merkel-Rede im Anschluss an einen Auftritt in Memmingen im Herbst 2020 vortrug, quittierte sie ein Großteil des Publikums mit Applaus. Andere Zuschauer waren weniger begeistert. Im Foyer soll es sogar Tumulte gegeben haben. Wenige Tage später schrieb die Intendantin des Landestheaters zu der in der Merkel-Rede artikulierten Kritik eine Gegendarstellung. Wie so oft in solchen Artikeln wimmelte sie von den typischen Kampfbegriffen, die Masuth diskreditieren sollten. Ihre Wirkung hatte dieses Schreiben nicht verfehlt. Veranstalter nahmen den Artikel zum Anlass, den Kabarettisten nicht mehr einzuladen. „Ich bekam mehrere Anrufe, in denen mir gesagt wurde, dass man nicht zu Hass und Hetze beitragen wolle“, erinnert sich der Künstler.
Künstlerische Herausforderung
An jenem Herbstabend 2020, als einige wenige Veranstaltungen wieder stattfinden durften, trat Masuth mit seinem Programm «Mein Leben als ich» auf. Die Merkel-Rede war nicht Teil davon, sondern lediglich als Zugabe gedacht. Nach dem Eklat entschied sich Masuth, ein Video zu drehen, damit sich alle vergewissern können, dass er in der Merkel-Rede eigentlich nichts anderes behauptet, als in jedem Gesundheitsratgeber steht. Dass einige Veranstalter ihn trotzdem ausladen, sagt viel über die gegenwärtige Situation aus. Für den Kabarettisten stellt sie weiterhin eine Herausforderung dar, zumindest künstlerisch.
Konventionelle Kleinkunstbühnen bleiben weiterhin vorsichtig. Und wenn es doch klappt, kommt ein überschaubares Publikum. „Viele haben noch immer Angst“, erklärt er die Entwicklung. „Bei vielen wird wegen der Inflation auch das Geld knapper.“ Den Hauptgrund sieht der Kabarettist jedoch darin, „dass die Leute sich nach zwei Jahren Kultur-Stopp entwöhnt haben.“ Das gelte jedoch nicht für Lokale, die wie Al Hamra oder Reiwerle gerade solchen kritischen Künstlern eine Bühne bieten. Dort sei der Andrang riesig, so Masuth. Er freue sich, dass es solche Veranstalter noch gibt. Sein Programm war schon immer politisch. Und das soll es auch bleiben. Es sei gerade die Stärke des Kabaretts, sagt er, dass es Missstände auf humorvolle Weise aufdecken kann.
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