In Anlehnung an den Jugendstil – Der Saint Grail Verlag verbindet Zeitkritik mit Traditionsbewusstsein

Als Georg Hirth und Fritz von Ostini 1896 die Kulturzeitschrift «Jugend» herausbrachten, wussten die beiden Schriftsteller noch nicht, dass ihr Blatt zum Namensgeber einer ganzen Kunstrichtung werden würde – des Jugendstils. Das Projekt war eine Reaktion auf die gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeit. Sie war geprägt von Rationalismus, Materialismus und starren Formen, die das Lebensgefühl hemmten. Die Zeitschrift wirkte dem entgegen, indem sie mit ihren Beiträgen neue Vitalitätsimpulse setzte. Sie forderte mehr Kreativität, mehr Intuition und mehr Dynamik, um die verkrusteten Strukturen der Gesellschaft aufzulockern.

Die Situation um die Jahrhundertwende ähnelt in gewisser Weise dem Zustand, in dem sich wegen der Corona-Maßnahmen nicht nur Deutschland, sondern so gut wie alle Länder befinden. Aufgrund der Einschränkungen macht sich eine Sehnsucht nach mehr Lebensfreude breit. Man möchte wieder feiern und lachen, anstatt in den eigenen vier Wänden Trübsal zu blasen und darauf zu warten, bis die Regierung verkündet, welche Aktivitäten erlaubt sind und welche nicht. Derart trist ging es in dem letzten Herbst zu, als der kleine Saint Grail Verlag aus Bad Reichenhall auf die Idee kam, jene Kultzeitschrift neu aufzulegen und sie an die gegenwärtigen Verhältnisse anzupassen. So entstand «Jugend – die Neue». Wie der 1940 eingestellte Vorgänger zeichnet sich das Blatt durch eine Ästhetik aus, die auf dekorativ geschwungene Linien und florale Ornamente setzt. Es übt beißende Zeitkritik, schwimmt gegen den Strom, bemüht sich aber auch, die Tradition zu beleben.

Der Heilige Gral

Diese Werte verbinden auch die drei Freunde Elise, Frederik und Ana, die den Saint Grail Verlag 2015 gegründet haben. Er nimmt sich der Aufgabe an, mit seinen Büchern Mensch und Natur wieder ins Gleichgewicht zu bringen. So steht es in der Beschreibung auf der Verlagsseite. «Saint Grail» ist der Ausdruck für der «Heilige Gral», womit die Publikationsstätte die Richtung ihrer Arbeit vorgibt: „Schon König Arthur sandte seine ganze Tafelrunde aus, um ihn zu finden“, heißt es auf der Homepage. „Wie unsere patriarchale Gesellschaft hatten sie den Zugang zur Intuition, zu Phantasie und Gefühlen, ihren weiblichen Werten, verloren. Wie wir waren sie aus dem Gleichgewicht geraten und spürten eine Sehnsucht in sich, die sie auf ihrer Suche antrieb. Die Geschichte von der Suche nach dem Heiligen Gral ist heute so aktuell wie schon vor 1500 Jahren.“

Der Verlag sieht sich als Non-Profit-Unternehmen. Alle Einnahmen werden reinvestiert. „Es handelt sich um ein rein idealistisches Projekt“, sagt Frederik. Während er für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, kümmert sich Elise um die finanziellen Angelegenheiten. Ana fungiert hingegen als kreativer Kopf, indem sie ihr riesiges Fachwissen einbringt und zum großen Teil die Gestaltung des Verlags als auch der neuen Zeitschrift übernimmt. Ihre Kompetenzen liegen insbesondere auf dem Gebiet der Geomantie, einer Wissenschaft, die sich mit dem Erspüren von Kräften oder Energien im Erdboden und in der Atmosphäre beschäftigt. Als Ana 2015 ihr Buch «Bad Reichenhaller Erdmysterien» geschrieben hatte, wollte sie es gleich in einem eigenen Verlag veröffentlichen. So ist dann «Saint Grail» entstanden.

Bis 2020 brachte das Trio hauptsächlich Bücher zu Geomantie heraus, Werke, die nicht nur Hintergrundwissen zu diesem Thema liefern, sondern auch schön sind; die nicht nur den Verstand ansprechen, sondern auch das Gefühl und den inneren spirituellen Kern. Auf diesen Prinzipien basiert auch die neue «Jugend»-Zeitschrift, deren erste Ausgabe im November erschienen ist. Einen Monat später richtete der Verlag einen Online-Shop ein und fing an, auch gebrauchte Bücher zu vertreiben. Es war eine Reaktion auf die Zwangsschließung des Einzelhandels, von der Bücherläden ebenfalls betroffen waren. „Wir wollten den Menschen die Möglichkeit bieten, in dieser Zeit an Bücher zu kommen“, sagt Frederik. Das Angebot ist breitgefächert. Das Trio nimmt bei diesem Projekt Werke entgegen, die Privatpersonen und Institutionen spenden, achtet aber darauf, dass sie sich in gutem Zustand befinden.

Zeitkritik und Traditionsbewusstsein

Genauso bunt wie die Auswahl der Bücher ist auch der Inhalt der neuen «Jugend»-Zeitung. Sie enthält mittelalterliche Sagen und Gedichte, Lieder und Rezepte, Begriffsdefinitionen und Artikel zur Geomantie, vor allem aber maßnahmenkritische Beiträge zur Corona-Krise. Sie beziehen sich auf die Maskenpflicht, setzen sich mit den psychischen Folgen für Kinder auseinander oder thematisieren, ob ein PCR-Test für diagnostische Zwecke geeignet ist. Wie das Vorbild aus dem 19. Jahrhundert verbindet «Jugend – die Neue» Zeitkritik mit einem traditionsgebundenen Ansatz. Die Zeitschrift will die Leser mit ihren kulturellen Wurzeln vertraut machen, bemüht sich aber auch um eine progressive Haltung, indem sie gegenwärtige Strukturen in Frage stellt.

Das Blatt erscheint vierteljährlich und kostet 3,00 Euro, die in die Gestaltung des nächsten Heftes fließen. Bislang sind vier Ausgaben erschienen. Die fünfte soll im November folgen. Für eine schnelle Lektüre eignet sich «Jugend – die Neue» nicht. Sie ist bewusst so gestaltet, dass man sie in Ruhe lesen muss. Der Inhalt deckt ein breites Spektrum ab und geht durchaus in die Tiefe. Geschrieben werden die Beiträge von Experten aus den verschiedensten Bereichen, die ihr Fachwissen ehrenamtlich zur Verfügung stellen. Wie den Verlagsgründern ist ihnen daran gelegen, in der momentan schwierigen Situation aufzuklären und den Zeitgeist in eine andere Richtung zu bewegen.

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