21. November 2024

Künstler Tilmann Meyer-Faje will mit seinen Werken die Angst nehmen

Angst, Panik, Grausen: Irrationale Horrorvorstellungen greifen um sich, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Sie kreisen jedoch um unterschiedliche Dinge. Während ein Teil der Bevölkerung sich vor dem Corona-Virus ängstigt, befürchtet ein anderer, dass die derzeitige Maßnahmenpolitik dazu dient, eine globale Diktatur zu errichten. Und dann gibt es noch Menschen wie den Künstler Tilmann Meyer-Faje. Er gibt sich recht entspannt und folgt der Philosophie, dass man die Fehler im System nicht als Bedrohung betrachten, sondern sie nutzen sollte. Diese Einsicht ist ihm bei der Arbeit an seinen Kunstwerken gekommen.

Sein Handwerk gelernt hat der 50-jährige Deutsche an der Kunstakademie in Amsterdam. Nach dem Studium ist er in der niederländischen Grachtenstadt geblieben und hat seitdem ein beachtliches Oeuvre geschaffen. Seine Skulpturen und Installationen bilden Stadien und Parlamentssäle ab oder Schiffe und Gebäude. Architektur ragt in Meyer-Fajes Werk insofern hervor, als er sich einerseits intensiv mit sozialistischen Plattenbauten beschäftigt und andererseits zu Experimenten neigt, um neue Baukonstruktionen zu kreieren. Dieser Arbeit hat er letztlich seine entspannte Lebenshaltung zu verdanken. Mit der Zeit wurde ihm klar, dass das, was auch immer passiert, nicht unbedingt von Nachteil sein muss, sondern nützen kann.

Nach diesem Prinzip ist die Serie «One Component piled until collapse» entstanden. Meyer-Faje stapelte dabei kleine Teile aus Ton übereinander und klebte sie zu einem Bauwerk zusammen. Allerdings bildete es noch nicht das Endprodukt. Zu dem kam es erst, als der weiche Ton die Konstruktion sich verformen ließ. Diese Abweichung von dem ursprünglich geplanten Bauwerk wurde schließlich gebrannt. Wichtiger als das Resultat ist jedoch die Erkenntnis, die aus diesem Bauprozess resultiert. „Es kommt immer anders, als erwartet“, fasst Meyer-Faje sie zusammen. „Wenn man die Veränderung zulässt, kann man stabiler bauen.“

Keine Panik

Die Entstehung dieser Kunstwerke aus Ton vergleicht der gebürtige Deutsche mit der geschichtlichen Entwicklung. Deshalb lohne es sich nicht, in Panik zu geraten. „Man sollte sich keinen Kopf machen“, kann er nur raten. „Denn man weiß ohnehin nicht, wohin die Reise geht.“ Die vielen Horrorszenarien, die derzeit im Umlauf sind, würden sich höchstwahrscheinlich nicht realisieren. Mag sein, dass das gegenwärtige politisch-gesellschaftliche System zusammenbricht, lautet die Aussage, allerdings könnte man dann auf einem stabileren Fundament ein neues System bauen.

Als geschichtlicher Beweis für diese These dient ihm der Sozialismus sowjetischer Prägung, der sich als Vollendung aller Gesellschaftssysteme verstand. Die Denker und Lenker setzten dabei auf die Planwirtschaft, die jedoch genauso scheiterte wie der Anspruch, alle Probleme mittels industrieller Technik lösen zu können. Dass es anders gekommen ist als erhofft, davon zeugt die marode Plattenbauarchitektur. In ihr bleibt das Scheitern des Sozialismus noch heute konserviert. Meyer-Faje verweist darauf in einer weiteren Serie, die aus verschiedenen sowjetischen Bauwerken besteht. „Wir müssen vom Konstrukt abweichen“, fasst der Künstler seine Lebensphilosophie zusammen. „Wenn wir es nicht tun, endet es im Chaos.“ Das gleiche gelte für die Corona-Politik. Wer das Ziel verfolge, das Virus auszumerzen, werde scheitern, so Meyer-Faje. „Vielmehr müssen wir herausfinden, wie wir mit ihm leben können.“

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