Der Sprechgesangskünstler Äon ist in der Friedensbewegung eigentlich kein Unbekannter. Seit mehreren Jahren betätigt er sich als Aktivist und produziert Songs, in denen soziale Missstände beleuchtet wie kritisiert werden. Es verwundert daher kaum, dass der 31-Jährige sie auch schon sehr früh in der Corona-Politik sah. Als die erste große Berliner Demonstration gegen die Maßnahmen am 1. August 2020 stattfand, sollte er zusammen mit Partnerin Morgaine und Rap-Kollegen Kilez More ihr gemeinsames Stück «Wir könnten» vortragen. Doch die Kundgebung wurde vorher abgebrochen. Seitdem nimmt Äon in regelmäßigen Abständen an Demonstrationen gegen die Corona-Politik teil, meist zu Hause in Wien, wo er seit geraumer Zeit lebt. Zwei Jahre lang protestiert er gegen Ungerechtigkeit, Freiheitsentzug und Willkür. Bis er die politisch-gesellschaftlichen Verwerfungen auch musikalisch verarbeitete, sollte es lange dauern. Nun ist es aber so weit.
Der Rapper hat einen Track mit einem provokanten, aber bedeutungsvollen Titel vorgelegt: «Staatsfeind». Er ist eine Anspielung auf die Etikettierung aller, die die Corona-Politik kritisieren – Leute wie Äon. Er selbst ist daher ein «Staatsfeind», jedenfalls in den Augen der Medien und staatlicher Behörden, die diesen Kampfbegriff seit jener Großdemonstration in Berlin benutzen, um Andersdenkende zu diskreditieren. „Ich bin kein Staatsfeind“, sagt der Rapper. „Ich will das System reparieren.“ Dass er und andere Kritiker so tituliert werden, sei völlig absurd. Die Diffamierungskampagne mit derlei Kampfbegriffen habe ihn aufgewühlt, weshalb er in seinem Song ihre perfiden Züge zeigen wollte. „Sie wollen uns spalten und zwischen uns Gräben ziehen“, heißt eine Zeile. „Sie propagieren den Hass, doch unsre Liebe können sie uns nicht nehmen.“
Bedauernswerte Entwicklung
Dass die Corona-Politik und die medial gestützte Kampagne gegen Maßnahmen-Kritiker die Gesellschaft gespalten haben, lässt sich nur schwer leugnen. Auch Äon nimmt die desaströse Entwicklung wahr und findet sie sehr bedauernswert, zumal sich einige frühere Weggefährten nicht mehr mit ihm unterhalten möchten. So manche Event-Veranstalter würden ihn wohl auch nicht mehr auftreten lassen, sagt er mit leichter Wehmut: „Ich werde in der Musikbranche nie wieder einen Fuß hineinbekommen. Dafür kann ich in den Spiegel gucken.“ Er selber beteiligt sich nicht an der Spaltung. Ihm sei es zum Beispiel völlig gleichgültig, ob jemand sich impfen lasse oder nicht. Er setze auf Eigenverantwortung und betrachte alle als Menschen.
Das Thema Impfung spielt in dem Song eine wichtige Rolle. Im Intro lässt der Rapper einige markante Aussagen von Politikern abspielen. „Also erstens bin ich gegen eine Impfpflicht“, hört man zum Beispiel Bundeskanzler Olaf Scholz sagen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach wählt ähnliche Worte: „Nein, haben wir versprochen, dass es keine Impfpflicht gibt. Daran muss man sich als Staat dann auch halten.“ FDP-Chef Christian Lindner spricht hingegen davon, dass „eine Impfpflicht nicht verhältnismäßig“ wäre. Auf jede dieser Aussagen folgt eine, in der der jeweilige Protagonist das genau Gegenteil verlauten lässt. Mit diesem Griff wollte Äon seine Hörer für die perfiden Winkelzüge der Politiker sensibilisieren, für ihre Unredlichkeit und den Hang, ihre Versprechen zu brechen. Ihnen sollte man immer misstrauen, rät der Rapper, der diesen Ansatz im Song mit Argumenten untermauert.
«Staatsfeind» wirkt wie eine musikalische Replik auf die vielen Begleiterscheinungen und Diskurse in Folge der Corona-Politik. Äon greift viele Themen auf, verarbeitet sie zu griffigen Bars und nennt immer wieder die Ziele der Protestbewegung: „Sie nennen uns Staatsfeind / Dabei wollen wir doch nur leben und frei sein / Wir gehen auf die Straße für Frieden und Gleichheit / Wir marschieren mit der Liebe zum Menschsein“, heißt es gleich am Anfang, bevor Äon den Slogan erklingen lässt, der auf jeder Demonstration zu hören ist: „Und es erklingt der Ruf / Frieden, Freiheit, keine Diktatur / Und es erklingt der Ruf / Frieden, Freiheit, keine Diktatur.“
Rote Linie überschritten
Dass Äon seine Kritik erst jetzt in Rapzeilen packte, liegt nicht daran, dass er sich vorher keine Gedanken machte. In ihm soll es die ganze Zeit gearbeitet haben. Er suchte nach den richtigen Worten. „Als Künstler muss man geduldig warten, bis es aus einem herauskommt“, erklärt der 31-Jährige den Kreativprozess. „Ansonsten fühlt es sich nicht richtig an.“ Also wartete er, bis der richtige Moment kommen würde. Und der kam dann, als sein Vater gesetzlich verpflichtet wurde, sich impfen zu lassen, wenn er seine Arbeit als Pfleger behalten wollte. Für Äon hat diese Zwangsmaßnahme das Fass zum Überlaufen gebracht. „Damit war die rote Linie überschritten“, erinnert er sich. Plötzlich sprudelten die Worte aus ihm heraus und formten sich zu einem Rap-Song, der zwar nicht bissig daherkommt, aber deutlich auf die politischen Verfehlungen verweist.
Zu den Gefahren zählt der gebürtige Hesse den mit der Impfpflicht in Verbindung stehenden Grünen Pass. Noch ist unklar, ob er verpflichtend wird für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, doch die Entwicklung weist in diese Richtung. Der QR-Code werde zur Eintrittskarte und somit zum Kontrollinstrument. Mit ihm weite sich die staatliche Überwachung genauso aus wie mit den vielen Corona-Apps, die das Tracking von Bürgern ermöglichen. Äon fühlt sich an 1982 von George Orwell erinnert, der im Song entsprechend gewürdigt wird: „Verrückte Welt, jetzt ist jeder Mensch ein Verdächtiger / Potenziell gefährlich, kommt drauf an, was der QR-Code sagt / Die Zeit, in der es begann, Dystopia wird langsam wahr / Grüße an Orwell, bester Mann, Digga, vorhergesagt.“ Die in dessen Hauptwerk beschriebene Gedankenkontrolle sei bereits Realität, so der Rapper: „Es gibt nur noch eine Meinung. Wenn du sie nicht hast, wirst du zum Staatsfeind.“ Dieses Problem will sein Song deutlich vor Augen führen.