Produzent und Label-Betreiber benennt Schwierigkeiten im Musikgeschäft

Im Laufe der Corona-Krise ist der Bereich oppositioneller Musik stark gewachsen. Regelmäßig betreten neue kritische Künstler die Bühne, um in ihren Songs die gesellschaftlichen wie politischen Missstände zu benennen. Die meisten produzieren zu Hause auf dem Computer, bestenfalls im eigenen Tonstudio im Keller. Was ihnen fehlt, ist eine professionelle Betreuung, ein Label, das mit effektivem Marketing eine Reichweite generiert. Größere Verlage kommen nicht in Frage. Sie bewegen sich mit dem Mainstream und meiden oppositionelle Künstler, um ja keinen Image-Schaden zu erleiden. Die Hoffnungen ruhen somit nur auf den Independent-Labels. Doch auch die können sie nur teilweise erfüllen. Selbst wenn sie oppositionelle Künstler unterstützen und betreuen wollen, fehlt es meistens am Geld.

Das Musikgeschäft sei ein hartes Pflaster, sagt Tom-Oliver Regenauer. Der 44-Jährige ist schon lang dabei und weiß, wovon er redet. Schon mit 18 gründete er Tonstudio und Plattenlabel mit angeschlossener Event-Agentur. Bis heute nahm er unter verschiedenen Pseudonymen über 1.000 Songs auf und arbeitete unter anderem mit Größen wie Pharrell Williams, Snoop Dogg und dem Wu-Tang Clan zusammen. „Heute lässt sich Geld in der Musikbranche nur mit Live-Auftritten verdienen“, berichtet Regenauer aus seiner Erfahrung. Physische Alben würden kaum noch gekauft. Alles verlagere sich auf den digitalen Bereich, wo die Renditen niedrig ausfielen. „Das macht es für Independent-Labels schwer, Geld zu erwirtschaften und es dann in vielversprechende Künstler zu investieren“, so der Musiker, der nebenbei auch noch als Projekt-Manager und Journalist arbeitet.

Neuanfang in der Schweiz

In früheren Jahren konzentrierte sich Regenauer ausschließlich auf Underground-Hip-Hop. Mittlerweile hat sich die Ausrichtung ein wenig geändert, sodass er überwiegend urbane Musik produziert, zwar immer noch mit viel Rap, aber angereichert mit Gesang oder mal Electro. Der Richtungswechsel hängt unter anderem mit seinem Wohnortwechsel zusammen. Schon 2009 wanderte Regenauer in die Schweiz aus, behielt jedoch sein Tonstudio in Deutschland. Im Jahr 2021 verlagerte Regenauer aber auch das in die Schweiz, nachdem er schon über ein Jahrzehnt zwischen seiner alten Heimat in Baden-Württemberg und der Eidgenossenschaft hin und her pendelte. Motiviert wurde der Umzug durch die politisch wie gesellschaftlich widrigen Verhältnisse in Deutschland, die sich in der Corona-Krise verschärften. In der weitaus freieren Schweiz wollte Regenauer musikalisch neu anfangen, weshalb er auch sein Label, das bis dato Lost Hill Music hieß, in Swiss Caldera Music umbenannte.

Tom-Oliver Regenauer

Unter diesem Dach produziert der 44-Jährige nicht nur eigene Musik, sondern setzt auch Kollaborationsprojekte um, zu denen drei Bands gehören. Er selbst bezeichnet sein Label als eine „One-Man-Show mit mehreren Kooperationspartnern“, die mal singen, mal rappen oder Instrumente spielen. Großes Geld lässt sich damit nicht verdienen, weshalb auch das Budget niedrig ausfällt. „Man muss oft in Vorleistung gehen“, so Regenauer. „Allein eine halbwegs professionelle Promo-Kampagne kostet mittlerweile etwa 2.000 bis 3.000 Euro. Von der Eigenleistung für Produktion, Mix und Mastering eines Projektes mal ganz abgesehen.“ Er habe Glück, dass er musikalische Unterstützer und ein über Jahre gewachsenes Netzwerk habe, sodass viele Menschen „ehrenamtlich oder zu vergünstigten Konditionen zuarbeiten“. Große Hoffnungen kann Regenauer den kritischen Künstlern daher nicht machen, obwohl er oppositionelle Musik durchaus fördern möchte. „In diesem Bereich passiert ohnehin viel zu wenig“, sagt er und meint damit, dass es nicht nur an Labels fehle, sondern auch an Veranstaltern und Veranstaltungslocations mit Rückgrat.

Unterstützung oppositioneller Musiker

Was Regenauer oppositionellen wie regierungskritischen Musikern anbieten kann, ist die Hilfe bei der Vernetzung, der organisatorischen wie administrativen Umsetzung eines Projekts oder der Zurverfügungstellung relevanter Standards, wie zum Beispiel der sogenannten International Standard Recording Codes (ISRC). Diese ermöglichen eine eindeutige Identifikation von Tonaufnahmen und damit die Kontrolle ihrer Nutzung bei der Verbreitung – ob nun im Radio, auf YouTube oder auf Plattformen wie Spotify. Für oppositionelle Musiker bietet sich dadurch eine Möglichkeit, mit ihren Werken zumindest kleinere Beträge zu erwirtschaften.

Vergessen darf man dabei nicht, dass es neben konventionellen Radiosendern auch solche wie Kontrafunk oder Radio München gibt, die gegen den Strom schwimmen und kritische Künstler durchaus unterstützen, indem sie deren Musik spielen. „Wenn Künstler die Musik, ihre Videos, relevante Online-Präsenzen und Marketing-Tools fertiggestellt haben“, sagt Regenauer, „und ihr Produkt marktreif vorbereitet wurde, kann ich mit den Hintergrundarbeiten zur professionellen Veröffentlichung von Musik helfen.“ Er mache das nicht aus kommerziellen Motiven, sondern aus altruistischen – damit die Künstler ihre kritische Stimme nicht verlieren und Kunst das tut was sie sollte: Reaktionen und Diskurs provozieren.

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