Der Protest gegen die Corona-Politik ist nicht klein zu kriegen. Das beweisen nicht nur die zahlreichen Demonstrationen an den Wochenenden, sondern auch die sogenannten Montagsspaziergänge. In immer mehr Städten gehen Menschen auf die Straße, um ihren Unmut kundzutun. Die Zahl der Teilnehmer wächst von Woche zu Woche. Nun gibt es sogar so etwas wie eine Hymne. Vorgelegt hat sie Nico & Chris, ein Duo aus Niedersachsen. In ihrem Song «Spazieren geh’n» appellieren die beiden an die Standhaftigkeit der Protestbewegung und demonstrieren eine enorme Willensstärke, die insbesondere im Refrain zum Ausdruck kommt: „In diesen schweren Zeiten sollten wir spazieren geh’n / Spazieren geh’n / Ob es stürmt oder schneit / Egal, was auch passiert, montags sind wir bereit / Wir ziehen durch die Städte, und keiner hält uns auf / Denn wir sind freie Menschen und stolz darauf.“
Erschienen ist das Lied in zwei Spielarten, sowohl in einer Country- als auch in einer Rock-Version. Letztere wirkt sehr energetisch und einpeitschend. Der Sound korrespondiert mit dem Inhalt, der darauf ausgelegt ist, die Hörer zu motivieren. Die Country-Fassung kommt hingegen akustisch daher, etwas sanfter und weicher. In der Kompositionsphase stand sie am Anfang, wie Chris erzählt. Der 51-jährige Liebenburger, der neben Trompete Schlagzeug, Gitarre und Klavier spielt, habe das Stück zunächst arrangiert und sich dann überlegt, ob „man das Ganze etwas rockiger gestalten könnte“. Als er diese Version Nico vorstellte, wählten beide sie für das Musikvideo aus. „Da die akustische Version aber auch einen gewissen Charme hat, wollten wir diese dem Publikum nicht vorenthalten und haben sie einfach noch mit drangehängt“, erklärt Chris.
Montagsspaziergänge als einzige Protestmöglichkeit
Wichtiger als der Sound ist jedoch die Message. Diese sendet der Song, indem er in vielen Zeilen zunächst das benennt, wofür sich die große Masse derjenigen entschieden hat, die mit dem Strom schwimmen: „Wir könn’ zu Hause bleiben und die Augen davor schließen / Dass die Freiheit langsam stirbt und die Menschen sich nicht lieben/ Wir könn’ das alles glauben, was die Medien uns erzähl’n.“ Doch dann wird eine Alternative aufgezeigt, die zum gemeinsamen Spaziergang führt, auch wenn die Teilnehmer vielleicht nicht in jedem Punkt einer Meinung sind: „Wir könnten aber auch eine andere Wahrheit wähl’n / Wir könn’ zusammenhalten, wir könnten uns auch spalten / Wir könn’ getrennte Wege gehen / Wir könn’ uns in die Arme nehmen / Doch wir sollten nicht vergessen, auch wenn wir uns nicht versteh’n / In diesen schweren Zeiten sollten wir spazieren geh’n.“
Warum das so wichtig ist, erklären Nico & Chris damit, dass das Demonstrationsrecht mittlerweile so gut wie gar keine Geltung mehr hat. Die Montagsspaziergänge stellten die einzige Möglichkeit dar, auf der Straße für die Freiheit einzustehen. Die beiden Musiker empfinden sie als enorm wichtig. „Ich habe meine Freiheit schon früh schätzen gelernt“, sagt Nico. „Ich habe einen großen Freiheitsdrang und einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Wenn ich Unrecht ertragen muss, so wie jetzt durch die ganzen Maßnahmen und die Spaltung und den Hass, der einem entgegengebracht wird, fühle ich mich auch nicht frei.“ So dürften es viele sehen, die derzeit montags aufbrechen und für Protest sorgen. Ihnen soll der Song Kraft geben, weiterhin so aktiv zu bleiben. Er richte sich aber auch an Leute, sagt Nico, die die Corona-Politik zwar kritisch sehen, aber noch immer in der Passivität verharren.
Debütsong «Freiheit22»
In der dritten Strophe finden sich zudem Zeilen, die eine dritte Gruppe ansprechen – Menschen, die dem offiziellen Narrativ trotz vieler Ungereimtheiten weiterhin Glauben schenken: „Jetzt sagt mal ehrlich, Leute, was soll der ganze Scheiß? / Glaubt ihr noch an den Blödsinn? Was braucht ihr noch als Beweis? / Was muss denn noch geschehen, dass ihr es auch versteht / Dass ihr auch endlich aufsteht und mit uns ne Runde dreht / Gemeinsam sind wir viele, wir wachsen Stück für Stück / Wir holen uns am Montag unsere Freiheiten zurück“. Um Freiheit drehte sich bereits der erste Song des Duos. Kurioserweise wurde das dazugehörige Musikvideo auf YouTube entfernt, nach einem Einspruch aber kurze Zeit später freigeschaltet – und dann wieder entfernt, wegen „Bedrohung, Belästigung und Cybermobbings“.
Anhand welcher Kriterien die Löschung erfolgte, bleibt ein Rätsel. «Freiheit22», so der Titel des Stücks, enthält weder Hetze noch Falschinformationen, sondern übt an manchen Stellen direkte Kritik an Politik und Medien. Hauptsächlich besteht der Song aber aus Zeilen, die Argumente ins Feld führen, warum es jetzt so wichtig ist, aufzustehen und auf die Straße zu gehen. In der Stoßrichtung ähnelt «Freiheit22» der aktuellen «Spaziergang-Hymne», klingt jedoch noch emotionaler und vor allem melancholischer. Geschrieben hat ihn Nico. Der 49-jährige Niedersachse, der sich schon in den frühen Jahren autodidaktisch das E-Gitarre-Spielen beibrachte, suchte anschließend einen Sänger für das Stück. Hilfe bekam er von einem Organisator von Spaziergängen, der ihn mit Chris zusammenbrachte. So ist aus einem Projekt ein Duo entstanden, das mit seinen tiefsinnigen wie mitreißenden Songs der Protestbewegung ordentlich einheizt.