Erst kürzlich veranstaltete der Verein IAFF in der Berliner Musikbrauerei das bereits zweite Art Weekend. Drei Tage lang konnten die Besucher Kunstwerke betrachten, die sich kritisch mit der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre auseinandersetzen. Werte wie insbesondere die Freiheit stehen seit der Corona-Krise auf dem Prüfstand. Obwohl diese ein Grundrecht darstellt, wird sie zunehmend eingeschränkt, wenn Bürger mit ihrer Meinung von offiziellen Narrativen abweichen. Diesen Missstand zu beseitigen, ist das Anliegen des Vereins IAFF. Gegründet hat er sich vor mehr als einem Jahr und bringt seitdem Künstler zusammen, die auf je eigene Weise und formal unterschiedlich das beleuchten, was viele ihrer Kollegen unter den Teppich kehren.
Die Werke dieser mutigen Vertreter regen zum Nachdenken an und spenden Trost, sie klagen an und benennen Zukunftsängste, sie bauen Brücken und artikulieren Gedanken der Zuversicht. Die Vielfalt der Darstellungsformen repräsentiert die Bandbreite der Ansätze, mit der Demokratiekrise fertig zu werden. Wer das Event in der Musikbrauerei verpasst hat, kann die Exponate nun in einem Katalog betrachten. Obwohl er nur eine Auswahl präsentiert, lässt sich dennoch ein sattsamer Eindruck von der Intensität des gesellschaftspolitisch motivieren Ausdruckswillens gewinnen. Es ist ein Zeitdokument, das nicht nur den Geist der Gegenwart konserviert, sondern auch das Selbstbewusstsein einer neuen Künstlerbewegung zum Ausdruck bringt. Dass sie seit der ersten Ausstellung im September letzten Jahres gewachsen ist, verdeutlicht bereits die Dicke des aktuellen Katalogs.
Malereien, Fotografien, Collagen
Neu in ihm vertreten ist zum Beispiel der bildende Künstler und Autor Raymond Unger. Seine Malereien setzten sich mit der Maskenpflicht während der Corona-Jahre auseinander und heben den gesellschaftlichen Konformismus hervor, indem sie zugleich durchblicken lassen, welche Monstrosität sich dahinter verbirgt. Ebenfalls neu dabei ist die gebürtige Polin Ania Hardukiewicz. Ihre Bilder enthalten oftmals surreale Überzeichnungen, die „durch zahlreiche dystopisch erlebte Momente“ inspiriert sind. In Polen geboren wurde auch der Künstler Michal Lezian. Seine Werke atmen die Energie der Street-Art und prangern sämtliche Institutionen an, die während der Corona-Krise versagten. Tina Zimmermann hingegen bereichert den Katalog mit einer Installation aus elf Fotocollagen. «Solidarität» heißt sie und bringt zusammen mit einem dazugehörigen Essay die Konzeptkunst zum Sprechen, die die Berlinerin an der Schnittstelle zwischen Natur und Technik, Zivilisation und Degeneration sowie zwischen Geist und Materie betreibt.
Aus der Riege der Auftaktausstellung vor genau einem Jahr ist die Fotografin Sandra Doornbos vertreten. Ihre Arbeiten haben einen rezeptionsästhetischen Anstrich. Die Künstlerin hat den Motiven eine Doppeldeutigkeit verliehen, so geschickt wie unmerklich. Die Wahrnehmung kann sowohl auf einem positiven als auch auf einem negativen Aspekt gerichtet werden. Welche dieser beiden Entscheidungen die Betrachter treffen, ist ihnen selbst überlassen. Schärfer im Ton sind die Collagen Jill Sandjajas, die den übergeordneten Titel «Die Verbrecher» tragen. Als solche sind bekannte deutsche wie internationale Politiker und Prominente zu erkennen, ob sie nun im Weltraum mit Sekt anstoßen oder vor einem Gebirge medienwirksam posieren. Allegorisch und poetisch kommen hingegen die Werke Clement Loisels daher. Er versteht sie als „metaphorische Spiegel“, die gesellschaftliche Missstände reflektieren.
Liedtexte und Gedichte
Die Ausstellung in der Musikbrauerei gab jedoch nicht nur diesen Künstlern die Gelegenheit, ihre Werke zu präsentieren. Sie stellte ein ausgeweitetes Event dar, bei dem auch die Musik nicht zu kurz kam. Einige Vertreter dieses Genres haben es ebenfalls in den Katalog geschafft, mit Liedtexten oder klassischen Gedichten. Dr. Bärsten etwa karikiert in seinem Poem «Zwei Stimmen» die heutige Mentalität, in allen Facetten des Lebens eine Gefahr zu sehen, während Boris Steinberg die Freiheit beschwört. Bettina aus Berlin appelliert in ihrem Gedicht daran, nicht der Masse hinterherzulaufen, sondern selber zu denken. Um Veränderung geht es dem vielseitigen Künstler Lui Koray. Er akzentuiert die Gemeinsamkeiten der Menschen verschiedener Herkunft und Kulturen. Sie sollen sich verbinden und für eine bessere Zukunft eintreten, lautet die Message seines Liedtextes.
Vom Widerstandsgeist zeugt auch «Niemals auf die Knie» des Musikers und Lyrikers Jens Fischer Rodrian. „Ihr kriegt uns nie, wir werden’s wagen“, heißt es an einer prägnanten Stelle, „Eure Lügen laut zu sagen / Unser Gewissen wird uns tragen / Unsere Herzen kriegt Ihr nie / Ihr kriegt uns nicht mal auf die Knie!“ Diese Zeilen stehen beispielhaft für den Impetus dieser neuen Künstlerbewegung. Sie will sich den Mund nicht verbieten lassen. Sie wagt die Konfrontation mit den Mächtigen und erhebt die Stimme, um der Freiheit zu ihrer alten Kraft zu verhelfen. Der vorliegende Katalog gibt davon ein beeindruckendes Zeugnis ab.
Künstlerkatalog zur zweiten IAFF, 15 Euro, online bestellbar über Homepage