Die vermeintliche Corona-Pandemie wird oftmals mit der Spanischen Grippe verglichen. Ob sie tatsächlich so viel Unheil angerichtet hat wie die Krankheit um 1918/19, lässt sich nur schwer beurteilen. Zu unübersichtlich ist die Faktenlage, zumal viele Statistiken und Zahlen, wie die jüngsten Meldungen aus Hamburg veranschaulichen, schlicht manipuliert werden. Was die Spanische Grippe betrifft, sieht der Wissensstand nicht viel besser aus. Zeitzeugen gibt es recht wenige. Geblieben sind lediglich die vielen Narrative, deren Glaubwürdigkeit, so viel haben uns die Vorgänge rund um die Corona-Politik gelehrt, zumindest hinterfragt werden muss. Was ist damals wirklich passiert? Wie konnte sich die Krankheit so schnell verbreiten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine neue Dokumentation aus Frankreich und liefert einen Erklärungsansatz, bei dem der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg eine entscheidende Rolle spielt.
Paul Le Grouyer und Matthias Klie, das Duo auf dem Regiestuhl, sieht insbesondere in den Truppen- und Materialbewegungen den Grund für die Verbreitung des Virus, der die Spanische Gruppe verursachte. Aber anders als die Bezeichnung der Krankheit suggeriert, wurden die ersten Symptome wie hohes Fieber und schrecklicher Husten in der US-Armee wahrgenommen. Anfangs blieben die Sterbefälle aus, weshalb die Armeführung keine Maßnahmen ergriff. Als die Soldaten nach Europa kamen, trafen sie sich mit den Alliierten aus, tauschten ihre Uniformen und teilten ihr Essen. So verbreitete sich die Krankheit zunächst rund um die Häfen und dann entlang der Eisenbahnlinien. Die Militärführung registrierte die unheilvolle Entwicklung durchaus, hielt sich aber mit Maßnahmen und Informationen zurück, um dem Feind keine Angriffsfläche zu bieten. Der Krieg hatte Priorität – und er verlangte Opfer.
Keine Zensur in Spanien
Nach und nach verbreitete sich das Virus auch in der Bevölkerung, die es schließlich über die Landesgrenzen brachte. Während die Alliierten die Krankheit aber weiterhin per Zensurmaßnahmen geheim hielten, nahm die damals als sehr frei geltende spanische Presse kein Blatt vor den Mund. Sie berichtete über die Ausbreitung im Land, dokumentierte die Symptome und schrieb über die tatsächlichen Todeszahlen. Diesem Umstand verdankt die Krankheit ihren Namen. Spanien war nicht ihr Ausgangspunkt, sondern das Land, wo über sie offen gesprochen wurde. Für viele Zeitzeugen stellte sich die Situation aber genau andersherum dar, weshalb sich zwischen der Spanischen Grippe und der Corona-Pandemie durchaus eine Parallele ziehen lässt: Die Faktenlage ist heute wie damals alles andere als eindeutig und beruht sowohl auf Desinformation als auch Geheimhaltung.
Diesen Aspekt beleuchtet der Dokumentarfilm leider nicht, aber er gibt einen authentischen Einblick in die damaligen Verhältnisse. Dieser Effekt verdankt sich vor allem den vielen originellen Archivaufnahmen in Schwarz-Weiß, die eine mittlerweile untergegangene Welt zeigen. Man sieht Soldaten in Lazaretten liegen, wie sie für den Einsatz trainieren oder in überfüllten Waggons sitzen. Allerdings präsentieren Le Grouyer und Klie nicht nur Bewegtbilder aus Europa, sondern zeigen auch alte Filmsequenzen aus Afrika oder Indien, wo sich die Lebensumstände deutlich unterscheiden. Es sind sehr stimmungsvolle Aufnahmen, die ein Gefühl der damaligen Zeit vermitteln und dadurch die Möglichkeit bieten, sich in die Situation um 1918/19 hineinzudenken.
Ästhetisch spielt der Dokumentarfilm auf hohem Niveau. Allein die seltenen Schwarz-Weiß-Bilder sind es wert, sich den Film anzuschauen. Er überzeugt aber auch wegen seiner Informationsdichte, die so aufbereitet wird, dass es nicht schwerfällt, die Zusammenhänge zu verstehen. Aus dem Umgang mit der Spanischen Gruppe lässt sich nach den Erfahrungen der letzten 20 Monate viel lernen, zumal der ein oder andere Filmausschnitt für ein Déjà-vu sorgt. Dieses stellt sich insbesondere dann ein, wenn sich die Dokumentation den Therapie-Ansätzen widmet, mit denen man damals die Krankheit besiegen wollte. Neben dem Alpen-Tee kamen damals unter anderem Spirituosen, Abführmittel oder Sirup zum Einsatz. Diese Strategien sind von den heutigen Lösungen nicht weit entfernt. Sie verdeutlichen vor allem, dass in solchen Krisen-Zeiten Wirkstoffe als Heilmittel verkauft werden können, obwohl deren Nutzen mehr als fragwürdig erscheint.