«Der Krieg in mir» – Interessante Doku über die genetische Vererbung von Stresserfahrungen

Wirre Träume, innere Unruhe: Der Filmemacher Sebastian Heinzel leidet nach eigenen Worten schon länger an Stresszuständen, die ihm Rätsel aufgeben. Um sie zu lösen, begibt er sich auf eine Forschungsreise durch ein abstraktes Terrain. Er streift die Wissenschaft, taucht ein in die eigene Psyche, blickt zurück in die Geschichte und hält die Lupe auf gegenwärtige Weltereignisse. Was der Regisseur dabei an Erkenntnissen findet, präsentiert er in der Dokumentation «Der Krieg in mir» – zu sehen auf der Streaming-Plattform PantaRay.

Die Forschung, so legt es der Film nahe, begründet extreme Stresserfahrungen mittlerweile genetisch. Sie werden weitervererbt, lautet eine Annahme. Kollektive Erfahrungen wie Flucht, Vertreibung oder Völkermord reichen bis in die zweite und dritte Generation hinein. Das scheint auch auf Sebastian Heinzel zuzutreffen, dessen Großvater im Zweiten Weltkrieg in Russland kämpfte. Als er diese Information erhält, beginnt er, tiefer zu graben und mit Hilfe von Wissenschaftlern, Therapeuten und Autoren die Verbindungslinien zu seinen inneren Unruhezuständen zu ziehen. 

Sebastian Heinzel

Diese Experten kommen konventionellerweise in vielen Interviews zu Wort, die der Regisseur zwischen seine Bewegtbilder montiert. Den größten Platz nimmt in dem Film aber Heinzels eigene Familiengeschichte ein. Um sie zu erzählen, folgt er seinem Vater bis in den beruflichen Alltag, gräbt im Wehrmachtarchiv nach Material über seinen Opa und behilft sich mit Animes, die das Kampfgeschehen des damaligen Soldaten veranschaulichen. Heinzel versteckt sich jedoch nicht hinter der Kamera, sondern taucht hin und wieder selber im Bild auf, wenn er beispielsweise einem Vortrag seines Vaters lauscht oder die Institution für Neuroepigenetik in Zürich besucht. 

Hier ereignet sich zugleich eine der lustigsten Szenen des Films: Als die Wissenschaftlerin dem Regisseur ein Mäuseexperiment erläutern möchte und den kleinen Käfig öffnet, springt eines der Tiere hinaus, sodass die Forscherin es unter sämtlichen Regalen auf Knien wieder einfangen muss. Solche Überraschungsmomente exponieren den Film gegenüber anderen Dokumentationen, obwohl er sich in der Machart von ihnen kaum unterscheidet. Es ist eine feine Mischung aus Information, Storytelling und gründlicher Recherchearbeit. Wer sich darauf einlässt, erweitert nicht nur sein Wissen, sondern bekommt auch den Wunsch, selber auf Spurensuche zu gehen.  

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