Autotune und Synthesizer gehören heutzutage zum elementaren Bestandteil der Musikindustrie. In diesem Umfeld wirkt die Gruppe Me & Ms Jacobs geradezu erfrischend. Das mehrköpfige Kollektiv aus Hannover verzichtet auf elektronische Hilfsmittel und bringt ausschließlich handgemachte Musik hervor, mit Rock-Elementen, Raggae-Momenten, urbanen Tönen und einer Prise Gipsy-Swing. Eclectic Soul nennt sich dieses Genre, dem die Band wie keine andere einen enormen Aufwind verleiht. Ihr Debütalbum «On the Run» unterstreicht das auf eindrucksvolle Weise.
Wer die insgesamt 13 Stücke hört, spürt eine pulsierende Energie, eine unstillbare Lust am musikalischen Grenzgang, mit dem der Sound der 60er und 70er Jahre auflebt. Getragen wird er vom Gesang der Frontfrau Lina Jacobs, die auf dem Album gewissermaßen ihre ganz persönliche Lebensgeschichte vorträgt. Im Auftaktstück wird bereits ein Moment der inneren Sinnkrise beschrieben. Die Zeilen lassen erkennen, dass sich in der Kindheit unschöne Ereignisse zugetragen haben: „Felt the rain on my shoulders“, singt die 23-jährige Jacobs mit ihrer starken, rauchigen Soul-Stimme. „And my soul was iced / I cried rivers and was paralyzed / But now I rise / Felt the hard ground, / Heard the scary sound / Of a broken family / When can I be me?”
Gefühl der Befreiung
Der Wunsch nach Selbstverwirklichung findet seinen Ausdruck in bildreichen Lyrics und taucht später in dem Song «Don’t Lose Your You» wieder auf, wo der Durchsetzungskampf in einem toxischen sozialen Milieu thematisiert wird. Lügen, Heuchelei und Gerüchte können dem eigenen Ich zusetzen, so der Tenor, prallen aber ab, wenn man an sich glaubt und zielstrebig den eigenen Weg geht: „Believe in your plans, don’t turn around / Follow those words, feel the sound / Don’t let the others rule your world and thoughts / Forget them lazy talks.“ Oftmals drückt sich in den Stücken eine Aufbruchstimmung aus, die auf einem Gefühl der Befreiung basiert – so wie in «Move», «Colours» oder «Sun on Earth», wo teils mithilfe einer Naturmetaphorik frühlingshafter Optimismus verbreitet wird.
Einige Songs beschäftigen sich mit Beziehungsproblemen und werfen wie «What is right» entweder moralische Fragen auf oder changieren wie «Another Motherfucking Lovesong» und «What Happened?» zwischen Schmerz und Fassung, um balladenhaft Melancholie mit Hoffnung zu vermischen. Besonders beschwingt kommt «Sweet Melody» daher, mit energetischem Gesang, der alle Ketten sprengt: „The sound of freedom is ringing in my ears / I’m on the road again, I have no fears.” «Stranger» klingt da eher düster, lehnt sich aber ebenfalls gegen ein falsches, fremdbestimmtes Leben auf.
Um Jacobs einzugrooven, kreieren ihre Bandkollegen einen komplexen Klangteppich mit unterschiedlichen Instrumenten. Die Besetzung variiert von Song zu Song. Immer mit dabei sind Bassist Viktor Sirjanow, der Drummer Laurenz Hintz und die Gitarristen Danilo Matos da Silva jr. und Achkar. Nicht selten begleitet sie Yazmin Hadisubrata an der Orgel oder auf einem elektrischen Piano. Hin und wieder kommen Posaune (Okam Gökay), Trompete (Daniel Gaiser) und eine Klarinette (Laurenz Wenk) zum Einsatz. Für die Effekte ist hingegen Johannes Weisgerber verantwortlich. Das Team harmoniert hervorragend. Im Stile einer Woodstock-Big-Band nimmt sie die Hörer auf eine Reise in die Vergangenheit und versprüht ein positives Lebensgefühl, das zeitlos wirkt.
Authentischer Sound mit einer grandiosen Sängerin und einer Band, die perfekt für die musikalische Untermalung sorgt. Gemeinsam schaffen Sie es jeden einzelnen Song wie ein Bild sprechen zu lassen. Grandios.