3. Dezember 2024

Aktionskünstler Philip Schnurr führt offizielle Narrative ad absurdum

Am subtilsten präsentiert sich Kunst immer dann, wenn man sie nicht als solche erkennt; wenn ihr Ausgang offen ist und das Publikum involviert wird. All das ermöglicht die sogenannte Aktionskunst, mit der auch der Werberegisseur und Medienkünstler Philip Schnurr seit drei Jahren auf gesellschaftspolitische Missstände aufmerksam macht. Der Kölner lässt sich eigentlich keinem Genre zuordnen. Seit 20 Jahren macht er Musik, dreht Filme, zeichnet Grafiken und arbeitet an Installationen. In seinen Aktionen verbindet er diese unterschiedlichen Ausdrucksformen und schafft eine Synthese, die immer eine Prise Humor enthält.

Manchmal mischt sich der Witz mit ein wenig Sarkasmus und tut weh, vor allem ihm selbst, wie seine jüngste Aktion erahnen lässt. Schnurr begab sich in die Hauptstadt, um demonstrativ im Lustgarten am Hackeschen Markt zu campieren. «Frieren für den Frieden» hieß die Aktion in Anspielung auf die vielzitierte Aussage des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck, der damit marktschreierisch den Stopp russischer Energie-Importe forderte. „Na wenn, dann richtig“, kommentiert Schnurr seine Aktion, mit der er Gaucks Appell an die Bürger überspitzen wollte. Dieses Stilmittel sei ihm in seiner Kunst enorm wichtig, sagt der 45-Jährige. „Ich möchte ein bestimmtes Thema oder einen Aspekt davon in der jeweiligen Situation so ad absurdum führen, dass das Publikum einbezogen und zum Nachdenken angeregt wird.“

Die Macht des Humors

Zum Publikum, das ist für Aktionskunst typisch, können im Grunde alle werden – Passanten, Polizisten, die Medien. „Sie werden Teil der Kunst“, so Schnurr, „weil sie immer im öffentlichen Raum stattfindet.“ Dabei greift er gerne zur Satire. Das sei die einzige Möglichkeit, zu Andersdenkenden einen Draht aufzubauen und sie gedanklich zu stimulieren. „Belehrungen funktionieren nicht“, wie er in den letzten drei Jahren während der vielen Diskussionen mit der Antifa oder Vertretern von Leitmedien festgestellt habe. „Mit Argumenten kommt man nicht an sie heran“, sagt der Werberegisseur und Medienkünstler. „Mit Humor und Satire hingegen schon.“

Werberegisseur und Medienkünstler Philip Schnurr

Dass sich dieser Grundsatz in der Praxis bewahrheitet, beweist eine seiner Aktionen, bei der er am Rande einer größeren Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen die Gegendemonstranten interviewte, indem er ihnen ein Mikrofon mit ARD-Logo hinhielt. Beteiligt war nicht nur der Journalist Olaf Sundermeyer, der Schnurr prompt wegen Zweckentfremdung anzeigen wollte, sondern auch ein Fotograf eines Leitmediums. Nach anfänglicher Abwehrhaltung wird dieser immer zutraulicher. Zwischen ihm und Schnurr entsteht ein zivilisiertes Gespräch, in dem sie immer mehr Gemeinsamkeiten finden und sich fast schon sympathisch werden. Die Aktion sei bewusst provokant gewesen, erzählt der Künstler, weil er sich als ein Journalist des Ersten ausgegeben habe. Allerdings sei er so auch ins Gespräch gekommen, was er als enorm wichtig empfinde, weil sich sonst die Fronten verhärteten.

Nicht weniger Aufmerksamkeit erregte seine Aktion, bei der er in einem Engelskostüm vor Impfstationen auftauchte. In den monotheistischen Religionen gelten diese himmlischen Wesen als von Gott erschaffen. Sie fungieren als Boten und erscheinen in Menschengestalt mit Flügeln, meist um Schutz zu bieten. Darauf spielte Schnurr an, als er während der Impfkampagne die Menschen als rettender Engel vor der Spritze bewahren wollte. „Da ihnen nicht klar war, welcher Gefahr sie sich aussetzten, sensibilisierte ich sie mit dieser Aktion für den Ernst der Lage“, erklärt der Künstler. „Ich wollte mit dem schillernden Auftritt ein Echo erzeugen, um mehr Menschen zu erreichen.“

Jesus als Vorbild

Bezüge auf das Christentum, die Bibel oder Jesus stellen einen essentiellen Teil seiner Kunst dar. Noch vor Corona spielte Gottes Sohn in seinen Aktionen eine Rolle. „Weil er mein Vorbild ist“, erklärt Schnurr, „und weil keiner so die Nächstenliebe verkörpert wie er.“ Das fehle in unserer Welt, die sich dem Künstler zufolge mehr und mehr so entwickle, wie es in der Bibel vorhergesagt wurde. Darauf wollte der Kölner mit einer weiteren Aktion aufmerksam machen, als er mit einem riesigen Kreuz auf dem Rücken fast durch die ganze Bundesrepublik tingelte. „Mir war von Anfang an klar, dass es bei den gesellschaftlichen Vorgängen nicht um Corona geht, sondern um Gut und Böse“, so Schnurr. In der Bibel laute ein Satz, dass man irgendwann nicht mehr bezahlen könne, ohne das Malzeichen des Teufels zu akzeptieren. In dem Einfluss des Großkapitals sowie der Digitalisierung des Geldes sieht der Künstler den Beweis, dass sich die biblische These bewahrheitet.

Seine Antwort darauf lautet: „Wir brauchen Vorbilder wie Jesus. Wenn wir uns an ihm orientieren würden, gäbe es keine Kriege mehr.“ Das habe er mit seiner Aktion zum Ausdruck bringen wollen. Neben religiösen Themen widmet sich der 45-Jährige aber auch der Politik, vor allem den Menschenrechten, die ihn, wie er sagt, schon sehr früh beschäftigt hätten. Während der Corona-Politik seien sie mit Füßen getreten worden, weshalb er vermehrt auf provokante Aktionen gesetzt habe, um ein lautes Signal zu senden. Das ist ihm durchaus gelungen. Aufgrund seiner schillernden Outfits und Auftritte griffen ihn Fernsehsendungen wie die Heute-show, Stern TV oder Spiegel TV in ihren Beiträgen auf und nutzten den bunten Vogel für die Diffamierung der Protestbewegung. Schnurr wurde missbraucht, ohne dass die Redakteure sich die Mühe machten, seine Kunst zu verstehen. Doch die hat nicht nur mehr Aufmerksamkeit, sondern auch mehr Respekt verdient – weil sie bestimmte Themen auf sehr kreative Art und Weise anspricht und durch die unkonventionelle Kommunikationsweise eher Denkprozesse in Gang setzt als direkte Ausdrucksformen. 

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