3. Dezember 2024

Textlastiger Rap ohne Hooks – Newcomer E1F bricht gerne Konventionen

Wahre Kunst definiert sich bekanntlich über ihren Innovationscharakter. Wer sich in der jeweiligen Gattung einen Namen machen möchte, muss die Konventionen brechen und über die Grenzen hinausgehen. Das ist auch das Motto des Rappers E1F, eines Newcomers, der seit wenigen Monaten im Wochentakt einen Track nach dem anderen veröffentlicht. In der widerständigen Hip-Hop-Szene erregt sein Stil zunehmend Aufsehen, was nicht nur an dem kreativen wie eloquenten Umgang mit Sprache liegt, sondern auch an dem atemlosen Flow. Der 31-jährige Osnabrücker rappt gerne über die Hook hinweg. Wer sie in seinen Songs sucht, findet allenfalls einen Ansatz. E1F bewegt sich von Reim zu Reim, mit einer Lust am Wortspiel, die meistens schon allein in der Länge der Texte zum Vorschein kommt.

Musikalisch gehe es ihm hauptsächlich darum, das zu sagen, was er zu sagen habe. Konventionen können dabei störend wirken, weshalb sich der Rapper auf den Fluss der Sprache konzentriert und dabei seiner Intuition folgt. „Mit Genres und Stilrichtungen habe ich mich schon immer schwergetan“, sagt er. „Meine Musik entsteht aus dem Herzen.“ Das merkt man den Lyrics teilweise an. Sie sind sehr assoziativ, mäandern um Begriffe und Ausdrücke, die neue Kräfte freisetzen. „Ich sag mal so: / Ich bin naturverbunden / der Natur verbunden“, heißt es beispielsweise in dem Song «Valley». „Zieh die Energien im Wald / Transformiere / Manifestiere / Organisiere / Das kein Maskenball / das Vollkontakt / ist face-to-face / Ich fühl bei Facetime keinen Vibe / Ich will in deine Augen sehen / vor allem jetzt in / Orwell-gleichen Zeiten“.

Großer Wortschatz

Die Texte zeichnen sich immer durch einen großen Wortschatz aus. Hin und wieder reichert ihn E1F gerne mit französischen Ausdrücken an, so wie in dem Track «11012022», wo Zeilen wie diese zusätzliche Exotik versprühen: „Flow nice, message ist véritable / Ich habe Reis und werd satt am table / Ich schreib so viel: Ich brauch ein tableau / Les’ zwischen Zeilen: c’est profitable!“. Der Song ist ein gutes Beispiel für E1Fs Hang zu Wort- und Zahlenspielen. Während die Lyrics sprachliche Akrobatik leisten, versprüht der Titel einen Hauch von Numerologie. Ihr fühlt sich auch der Rapper verbunden, wie bereits sein Künstlername zu verstehen gibt. E1F steht für die Zahl 11. Sie soll ihn das ganze Leben begleitet haben. Das fängt damit an, dass er am 11.01.1991 geboren worden ist. Sein bürgerlicher Nachname hat elf Buchstaben; verschiedenste Wohnadressen trugen verdächtig oft die Hausnummer 11.

Rapper E1F

Die vielen Einsen könnten ein Omen sein. Welche Bedeutung kommt ihr möglicherweise zu? Traditionell wird die Eins als erste Zahl sinngemäß mit Ursprung und Kraft verbunden. Schaut man sich E1Fs Werdegang an, trifft diese Definition ins Schwarze. Seinen verspielt numerologischen Künstlernamen legte sich der 31-Jährige dann zu, als er die Musikproduktion ernsthafter anging. Zuvor rappte eher aus Spaß an der Freude und veröffentlichte seine Stücke allenfalls auf SoundCloud. Eine größere Intention war mit ihnen nicht verbunden. Das änderte sich, als die Corona-Politik die Dinge ins Wanken zu bringen begann. Plötzlich verspürte E1F einen Drang, sich mitzuteilen und seine Meinung kundzutun. Seitdem haben seine Tracks einen gesellschaftskritischen Anstrich.

Wie ein bekanntes Drehbuch

Den Startpunkt bildet der Song «Rokoko» aus dem Jahr 2020, in dem der Rapper gewissermaßen vorausgreift und Ereignisse nennt, die kurze Zeit später tatsächlich folgen sollten: „Stellst du Fragen, wirst du denunziert / Trägst du keine Maske, wirst du denunziert / Hast du da Bedenken, was die Impfung macht? / Keine Pflicht, doch ja, de facto, wird es doch zum Zwang / Wenn Kultisten dir mit lichten Augen der Moral / Dann untersagen: ohne Impfpass darfst du nicht / Doch mit da bist du gern hier empfangen / Keine Reisen mehr ins Ausland oder Bus und Bahn / Kein Konzert, denn für sie bist du jetzt nur die Gefahr.“ In dem Song lässt E1F zwischendurch immer wieder den Philosophen Gunnar Kaiser sprechen, der in seinem Video «Die große Umkehrung von 2020» die „Neue Normalität“ auf die gleiche Weise beschrieb.

Die Entwicklung der Corona-Politik wirkt auf den Rapper nur wenig überraschend. Mit solch schweren Themen beschäftigt er sich schon seit Jahren. Dass es bald zu einem globalen Ereignis kommen würde, sagte ihm sein Gefühl bereits um 2017/18 herum. Als die Corona-Politik dann zu wuchern begann, sah E1F nach eigenen Worten, wie ein Drehbuch abgespielt wurde, das er vorher schon gelesen hatte. Also fing er an, die Ereignisse in seinen Songs zu verarbeiten. Auf «Rokoko» wurde schließlich Lapaz aufmerksam, der Initiator der Hip-Hop-Gruppe Rapbellions. Dieser konnte E1F dann zur Teilnahme an «Ich mach da nicht mit» bewegen, einem kritischen Song, der gleich nach der Veröffentlichung hohe Wellen schlug.

Solo- und Kooperationsprojekte

Der Auftritt war gleichzeitig der letzte im Rapbellions-Verbund. Seitdem konzentriert sich E1F auf seine Solo-Projekte, auch wenn er zwischendurch mit einigen Künstlern aus dem Rapkollektiv kooperiert. In den letzten Monaten zeigt er sich sehr produktiv. Fast jeden Freitag erscheint ein neuer Track von ihm. Die Songs beziehen sich auf das aktuelle Zeitgeschehen, streuen die Kritik jedoch sehr sparsam. Er wolle seine Hörer nicht belehren, sondern ihnen Denkanstöße geben, sagt der Rapper. „Ich möchte zwar hier und da bewusst provozieren, aber vor allem die Botschaft unterbringen, dass die Welt nicht schwarz-weiß und die Geschehnisse komplex sind.“ Oftmals geht es um Eliten- und Machtkritik, um politischen Aktivismus oder psychologische Kriegsführung. An diese Themen möchte E1F seine Hörer heranführen – in einer möglichst metaphorischen Sprache.

Die immense Produktion soll schließlich in einer EP münden. Aktuell arbeitet der Rapper an einem gemeinsamen Album mit dem Künstler Illstar. Die Anfragen für Kooperationsprojekte steigen. E1F knüpft stetig neue Kontakte und erreicht mit seiner Musik zunehmend mehr Menschen. Darüber freut sich der Rapper sehr, auch wenn er durch die Eigenproduktion und Organisation viel Arbeit hat und gelegentlich Momente braucht, um in Ruhe seine Kräfte zu bündeln. Wenn er sich wieder etwas freischwimmt, wird auch die EP erscheinen. Sie soll ausschließlich Solo-Stücke enthalten. Wie viele es am Ende werden, dürfte nur wenig Kopfzerbrechen bereiten. 11 – was sonst!

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