Die Punk-Rebellen und Protestrapper der Gegenwart sind mit der alten Riege nicht zu vergleichen. Diese stellten sich bestimmt gegen die Obrigkeit und beugten sich nicht, so groß der öffentliche Druck auch sein mochte. Ihre heutigen Vertreter pflegen lediglich das Image und zeigen sich nur dann unangepasst, wenn sie auf der „richtigen Seite“ stehen und kaum Gegenwind zu befürchten ist. Seit der Corona-Krise hat ihre Integrität tiefe Risse bekommen. Das dürfte ein weiteres Mal bewusst werden, wenn man eine Dokumentation aus dem Jahr 2017 schaut, die der schwedischen Punk-Rapperin Silvana Imam folgt.
In der Zeit zwischen 2014 und 2016 hat sich die Musikerin mit litauischen und syrischen Wurzeln einen Namen als enfant terrible gemacht. In ihren Texten gibt sie sich als kompromisslose Feministin und Homosexuelle, die gegen jedwede Form von Repression anrappt – gegen Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten und Machtmissbrauch. Sie wirke wie eine moderne Jeanne d’Arc zu Pferde mit einer Fahne in der Hand, beschreibt sie ein Radiomoderator im Film: „Wenn man sie hört, bekommt man sofort Lust zu kämpfen.“ Tatsächlich geht von der Musikerin eine gewisse Aggressivität aus. Schon die ersten Szenen vermitteln einen authentischen Eindruck von ihrem Charakter. Silvana Imam eckt gerne an, legt eine intensive Streitlust an den Tag und ist in so manchen Äußerungen überheblich.
Gesteigert wird diese Selbstüberschätzung durch ihren Erfolg, der damit einhergeht, dass die woke Ideologie in den frühen 2010er Jahren zum Mainstream wird. Für die junge Generation in Skandinavien avanciert die Punk-Rapperin zu einer Ikone. Ihr Ruhm steigt von Tag zu Tag. Ihre Beziehung zu der ebenfalls lesbischen Pop-Sängerin Beatrice Eli gibt dem Hype einen weiteren Schub, bis die medial erzeugte Rolle der starken Frau ihren Tribut zollt. Silvana Imam erlebt einen Zusammenbruch und zieht sich 2016 eine Weile aus der Öffentlichkeit zurück, um nach einer Auszeit ein kraftvolles Comeback zu feiern. Das Regisseuren Trio Olivia Kastebring, Mika Gustafson und Christina Tsiobanelis zeichnen dieses Karriere-Auf-und-Ab dramaturgisch geschickt nach und unterlegen es mit eindringlichen Bildern, sodass am Ende ein intimes wie mitreißendes Porträt entsteht.
Schweigsam bei Unterdrückung Ungeimpfter
So gekonnt der Film aber die Geschichte einer rebellischen Musikerin erzählt, so deutlich entlarvt er ungewollt das Dilemma der woken LGBTQ-Community, die sich für Toleranz einsetzt und gegen gesellschaftliche Diskriminierung kämpft, aber völlig schweigt oder gar konform agiert, wenn die Ungerechtigkeit Menschen außerhalb ihrer Blase trifft. „Wenn die von oben runtertreten auf die ohnehin Unterdrückten“, sagt Silvana Imam in einer Szene, „auf die, die nicht in die Norm passen, da spiele ich nicht mit. Das Spiel spiele ich nicht mit. Tut mir leid.“ Innerhalb der eigenen Agenda mag das stimmen, aber die Realität sieht anders aus. Während der Corona-Krise hat sich deutlich gezeigt, dass Woke wie Silvana Imam das Spiel sehr wohl mitspielen – wenn es mit der eigenen Identitätspolitik nicht in Konflikt gerät. Sie blieben nicht nur zurückhaltend, als Ungeimpfte quasi ihrer Freiheitsrechte beraubt wurden, sondern forderten sogar ein härteres Vorgehen.
Dass da von oben getreten wurde auf Menschen, die nach den drakonischen Maßstäben der Gesundheitspolitik „nicht in die Norm“ passen“, interessierte sie plötzlich wenig. Sie schrieen auch nicht auf, als Kritiker der Corona-Maßnahmen strafrechtlich verfolgt oder wie Michael Ballweg gar inhaftiert wurden; die Kontosperrungen, Hausdurchsuchungen und Kündigungen hinnehmen mussten, obwohl sie nichts anderes getan hatten, als ihre demokratische Stimme zu erheben. Die Kompromisslosigkeit gegenüber jeder Form von Repression, die die Woken innerhalb des eigenen Interesserahmens vorgeben, verliert ihre Härte, wenn es um Themen außerhalb dieser Grenzen geht. Das Rebellentum erweist sich als eindimensional, weshalb solche Porträts wie das über Silvana Imam nach dem Einschnitt der Corona-Zeit schlicht unglaubwürdig wirken.
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