«Schwarze Sonne» – Doku über mythologische Hintergründe der Nazi-Ideologie

Über das Dritte Reich und die Nazi-Herrschaft scheint schon alles gesagt worden zu sein. Es gibt nur wenige historische Zeitabschnitte, die nicht ausgiebiger erforscht und aus allen Winkeln beleuchtet wurden. Und dennoch finden sich immer noch Lücken, wie die 1997 produzierte Dokumentation «Schwarze Sonne» des Regisseurs Rüdiger Sünner demonstriert. Der kürzlich auf DVD erschienene Film schlägt ein bisher ungeschriebenes Kapitel in der Geschichte des Dritten Reiches auf, indem er die mythologischen Hintergründe des Nationalsozialismus untersucht.

Sünner nimmt seine Zuschauer auf eine Reise zu den Ursprüngen der Nazi-Ideologie, reflektiert dabei aber auch die Entstehungsbedingungen seines Dokumentarstreifens. Als Erzähler aus dem Off berichtet er darüber, wie dieses Thema sein Interesse weckte. Den Anstoß soll das Buch «The occult roots of Nazism» des britischen Historikers Nocholas Goodrick-Clarke gegeben haben. Als Sünner es las, wunderte er sich, warum dieses Thema nicht aufgegriffen worden war. Also fing er selber zu recherchieren an und spürte eine gewisse Faszination, die ihn tiefer in die Materie einsteigen ließ. Zwei Fragen seien dabei leitend gewesen, so der Filmemacher: Wo wird unser Denken durch Mythen erweitert und begraben? Wann schlägt spirituelle Suche in Fanatismus und Gewalt um?

Schwarze Sonne

Eine befriedigende Antwort darauf bleibt er in seiner Dokumentation schuldig, liefert aber einen authentischen Einblick in Ideen, esoterische Weltbilder, Rassentheorien und nordische Mythen, die auf die Nazi-Führung einen enormen Einfluss hatten. Die Vorreiter sollen einige skurrile Figuren gewesen sein, solche wie Helena Blavatsky, Adolf Lanz oder Karl Maria Wiligut. Sie griffen einige mythische Elemente heraus und interpretierten sie so eigenwillig, dass neue Geheimlehren entstanden. Naturmystik vermischte sich mit mittelalterlicher Ritterromanik, Esoterik mit germanischen Ur-Religionen. „Flache Deutungen“ nennt sie der Regisseur in seinem ruhigen Erzählduktus, der mit den langsamen Schnitten korrespondiert. In den Schriften solcher Wegbereiter finde sich eine Verklärung von Rassenmystik, die Hitler mehrere Jahre später zu Gräueltaten verleiten sollte.

Seltenes Archiv- und Bildmaterial

Diese Hintergründe vermittelt Sünner auf konventionelle Art und Weise mithilfe von Archivaufnahmen und Fotografien. Darunter befinden sich auch Bilder, die nie zuvor gezeigt wurden. Sie wirken genauso beeindruckend wie die enorme Rechercheleistung, die der Regisseur erbracht hat. Sein Film kommt einer Vorlesung gleich, die sich chronologisch von Station zu Station bewegt, um anschließend die Punkte zu verbinden. Aufgrund der Informationsdichte ist es nicht immer einfach, sich in dem Geflecht nur dürftig bekannter Mythen zurechtzufinden. Fachleute und Zeitzeugen erleichtern dieses Unterfangen, indem sie den okkulten Unterbau der Nazi-Ideologie plastisch machen.

Sünners Dokumentation führt jedoch nicht nur durch Schriften und Lehren, sondern macht zwischenzeitlich Halt an verschiedenen Kultorten. Einer der wichtigsten ist die ehemalige SS-Ordenszentrale Wewelsburg. Dort befindet sich in einem der Räume ein Runenzeichen, das die rechte Szene bis heute als „Schwarze Sonne“ verklärt. Himmlers Todesbrigaden sollen es damals als mystisches Symbol für Wiedergeburt und geistige Erweckung nordischen Geistes betrachtet haben. Könnten die Nazis durch Missbrauch der Mythen mehr beschädigt haben, als wir ahnen, fragt der Regisseur. Am Ende seines Films versucht er, die Auswirkungen auf die Gegenwart zu benennen. Nach der Katastrophe hätten die Menschen Zuflucht bei neuen Göttern gesucht, lautet die Schlussfolgerung – bei solchen, die den Namen Technik und Wohlstand tragen. Es finde eine Suche nach neuen geistigen Führern statt, nach neuen Heilsangeboten und Erleuchtungsphalen.

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