Der Corona-Wahnsinn steigert sich von Tag zu Tag. Widersprüchliche Aussagen von Experten, irrsinnige Regeln und gebrochene Versprechen ranghoher Politiker: Für Komiker und Kabarettisten war es noch nie so einfach, an Material für ein gelungenes Programm zu gelangen. Die Gags müssten sich eigentlich von selbst schreiben. Und dennoch tun sich die meisten Künstler aus diesem Bereich schwer, die gesellschaftlichen Missstände humoristisch zu verarbeiten. Einige wenige trauen sich durchaus an das Thema heran, bleiben aber zaghaft. Man spürt die Angst, Akteure zu verärgern, die über Karrieren entscheiden. Eine große Ausnahme ist der Berliner Stand-up-Comedian Nikolai Binner. Er greift nicht nur so gut wie jedes Ereignis auf, das im Kontext der Corona-Politik für Aufregung sorgt, sondern nimmt dabei auch kein Blatt vor den Mund.
Einen Namen gemacht hat sich der 30-Jährige mit kurzen, aber bissigen Videos, die in regelmäßigen Abständen auf seinem YouTube-Kanal erscheinen. Während sich viele seiner Kollegen in der Lockdown-Pause bedeckt hielten, war er überaus produktiv. Seit knapp einem Jahr produziert er Gags wie am Fließband. In seinen Videos geht es um Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Ausgangssperre, um Polizeigewalt auf Demonstrationen und staatliche Willkür, um die Kreativität des Verfassungsschutzes und um die Hetze der Mainstreampresse. Binner zerlegt sämtliche Narrative, indem er auf witzige Weise die Absurdität der Argumentation herausarbeitet. Er karikiert Corona-Protagonisten wie Karl Lauterbach und Lothar Wieler, zieht Faktenchecker wie den Volksverpetzer durch den Kakao und entlarvt die Strategie sogenannter «Lifestyle-Linken», die so gerne zur Nazi-Keule greifen, um unliebsame Kritiker zum Schweigen zu bringen.
Observational Comedy
Dass sich Binner so intensiv mit dem Corona-Komplex beschäftigt, erklärt der Comedian mit dem Gefühl, keine andere Wahl zu haben. Er verspüre einen gewissen Zwang. „Ich verstehe nicht, wie man die aktuelle gesellschaftliche Situation nicht thematisieren kann“, sagt er. Es sei gerade die asymmetrische Auseinandersetzung, die ihn dazu veranlasst, seine Stimme zu erheben. „Eingedroschen wird nur auf diejenigen, die nicht auf Regierungslinie sind“, so seine Wahrnehmung. Dieses Vorgehen störe ihn dermaßen, dass er als Comedian den Finger in die Wunde legen müsse, anstatt den „treuen Staatskasper“ zu spielen. Beim Establishment stößt diese Haltung auf Ablehnung. Als Binner seine coronakritischen Comedy-Videos zu veröffentlichen begann, sperrten ihn nach und nach sämtliche Formate wie NightWash oder Comedy Clubs. Später trennte sich auch seine Agentur von ihm.
Diese Reaktionen verdeutlichen, dass sich der Meinungskorridor selbst in der Comedy-Branche verengt. Politisch brisante Themen sind ein Tabu. Satire kann nur in einem Raum stattfinden, den die institutionellen Player vorher genau definiert haben. Das erschwert nun auch Binner die Arbeit. Dabei versteht er sich eher als ein Vertreter der sogenannten «Observational Comedy», in der es um verschiedene Aspekte des täglichen Lebens geht. Die Gags kreisen um gewöhnliche Ereignisse, die kaum wahrgenommen oder selten diskutiert werden. Als Vorbild dient Binner in diesem Bereich der US-amerikanische Stand-up-Comedian Louis C.K. In seinen Shows macht sich dieser gerne über sich selbst lustig, bindet das eigene Schicksal aber in eine gesellschaftliche Alltagssituation ein. Dabei werden Tragik und Komik so verbunden, dass das Publikum mit den Gefühlen ringen muss.
Satire seit Corona
Diese Art der Comedy fasziniert Binner. Sie ist getragen von einer gewissen Coolness, die sich gerade darin zeigt, dass die Gags der Existenz die Schwere nehmen. Comedy kann dazu verhelfen, die Bürden des Lebens besser zu ertragen. Das ist es, was auch Binner auf der Bühne antreibt. Vor Corona bestand sein Programm aus Jokes über diverse gesellschaftliche Themen, über angebliche Trends oder die Wokeness der urbanen Mittelschicht. Oft machte er sich selber zum Gegenstand seiner Gags. Politik spielte dabei eine eher untergeordnete Rolle. Satire sei in seiner Comedy-Karriere nie vorgesehen gewesen, sagt der 30-Jährige. Wegen der erschütternden politischen Entwicklung griff er dann aber doch zu dieser Kunstform. Seitdem teilt er in seinen Gags ordentlich gegen alle aus, die an den Hebeln der Macht sitzen und in der Corona-Krise den Ton angeben.
Dass Comedy zu einer gesellschaftlichen Veränderung beitragen kann, ist Binner überzeugt. „Sie weitet die Grenzen des Sagbaren aus“, so der Berliner. Das sei vor allem in Deutschland wichtig, wo laut jüngsten Umfragen ein großer Teil der Bevölkerung sich fürchtet, in der Öffentlichkeit die eigene Meinung zu äußern. Mit seinen Videos und Auftritten will der Comedian dieser Entwicklung entgegenwirken. Er geht auf aktuelle Ereignisse ein und übt deutlich Kritik, verpackt sie aber so, dass sie befreiend wirkt. „Wenn ich die Wahrheit ausspreche“, sagt er, „merken andere, dass sie nicht alleine sind.“ Das animiere sie, ebenfalls Stellung zu beziehen. Deswegen will Binner weiterhin gegen den Strom schwimmen, auch wenn für ihn dadurch Nachteile entstehen.
3G-Boykott
Einzuknicken und die Corona-Thematik mit Samthandschuhen anzufassen, komme nicht infrage, sagt der Comedian. „Es fühlt sich einfach falsch an.“ Das gelte auch für Auftritte unter 3- und 2G-Bedingungen. Bis vor kurzem gab er noch Shows vor einem Publikum, das zumindest einen negativen Corona-Test mitbringen musste. Die Termine waren lange im Voraus festgelegt worden. Nach den Auftritten merkte Binner, dass es ihn emotional mitnimmt. Seitdem boykottiert er 3G. Doch das ist ein zweischneidiges Schwert. Als Stand-up-Comedian braucht er die Bühne. Sie ist das, was die Schwergewichtshantel für den Bodybuilder bedeutet.
Zwar halten ihn die Online-Videos fit, doch kann er seine Kunst nur dann weiterentwickeln, wenn er live vor einem Publikum performt. Aus diesem Grund denkt Binner noch einmal über das 3G-Boykott nach, zumal ihm Gäste nach den letzten Shows mitteilten, dass er ihnen mit seinen Auftritten Kraft gebe, die schwere Zeit zu überstehen. Es habe gutgetan, über die aktuelle Situation mal wieder lachen zu können. Für viele Menschen ist Binners Show ein Ventil. Hier können sie sich entspannen, den Frust abschütteln und das Leben genießen, als gäbe es keine äußeren Zwänge und Freiheitsbeschränkungen. Deswegen ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Comedian bald wieder die Bühne betritt und die Corona-Chose ein wenig erträglicher macht.
Wir brauchen dringend Comedians wie Binner, denn die rückratlosen ewiggestrigen ÖRR-Clowns sind einfach nur noch erbärmlich.