Am kommenden Samstag tritt der Gitarrist und Liedermacher Lüül im Kölner Hinterhofsalon auf. Der Musiker aus der Hauptstadt ist schon lange im Geschäft und changiert zwischen Krautrock, Weltmusik und sozialkritischem Pop. Während der Corona-Krise gehörte er zu den Künstlern, die die Maßnahmenpolitik und den mit ihr verbundenen Rückgang demokratischer Werte öffentlich anprangerten. In dieser Zeit schloss sich Lüül der BasisBandBerlin an und spielte nicht nur bei vielen Flashmobs, sondern auch auf kleineren Veranstaltungen, die im Umkreis der Protestbewegung organisiert wurden. So lernte er viele kritische Künstler wie Jens Fischer Rodrian kennen. Als vor knapp einem Jahr dessen Album «Protestnoten» erschien, war Lüül mit seinem Song «Ich bin die freie Rede» ebenfalls vertreten.
In dem eloquenten wie geistreichen Song setzt sich der Berliner mit dem Verlust der Meinungsfreiheit auseinander, indem er die freie Rede als Subjekt auftreten lässt. „Ich bin die freie Rede – wie hat man mich geliebt“, heißt es. „Wie hat man mich gefeiert – war stolz, dass es mich gibt / Ich kam groß raus – auf Youtube, meiner Bleibe / Facebook, Twitter, Instagram – für Texte die ich schreibe“. Die freie Rede erzählt ihre Lebensgeschichte unter dramaturgischen Gesichtspunkten so geschickt, dass schon bald ein Wendepunkt erfolgt, mit dem die Kurve steil nach unten geht: „Peu á peu klaute man – mir die schönsten Worte / Reden ging dann immer mehr – nur noch mit Eskorte / Freunde blieben weg – kehrten mir den Rücken / Sagten mir, ich rede Dreck – ich solle mich verdrücken.“
Diese Allegorie auf die Meinungsfreiheit im Zuge der Corona-Krise erreichte ein breites Publikum, war jedoch nicht das erste Stück, in dem Lüül die sozialen Umwälzungen verarbeitete. Bereits zuvor war der Song «Die Welt hält an» erschienen. Wer ihn heute hört, merkt augenblicklich, dass er noch in einem Zustand der Ungewissheit und Orientierungslosigkeit geschrieben wurde. Kritische Zeilen fehlen noch. Dafür dominiert der Gestus der Objektivität, eine deskriptive Sprache, die die damalige Leere beschreibt: „Die Welt steht still – alles ist stumm / Keiner spielt rum – die Welt steht still / Nur der Vogel singt – Als ob nichts wär / Die Straßen leer – Und unbeschwingt / Der Vogel singt – Die Welt steht still.“
Album «Der stille Tanz»
Beide Songs befinden sich auf dem Album «Der stille Tanz», das Lüül im Frühling letzten Jahres veröffentlichte. Erst kürzlich wurde es mit dem Preis der Schallplattenkritik ausgezeichnet. «Der stille Tanz» enthält sowohl kritische Stücke als auch schwungvolle Songs über alltägliche Themen. Mal sind sie schwermütig, mal schwungvoll; mal voller Optimismus und Freiheitsdrang, mal gespickt mit aussagekräftigen Metaphern. Diese und andere Stücke wird Lüül auch am Samstag in Köln vortragen – mit einer rauchigen Stimme und in lässiger Manier, die seine Auftritte kennzeichnet.
Der Hinterhofsalon im Herzen der Domstadt gehört zu den wenigen Locations, die kritischen Künstlern eine Bühne bieten. Er blieb selbst dann standhaft, als regierungskonforme Organisationen genau deswegen Druck auf Veranstalter ausübten. In der Vergangenheit traten dort unter anderem die Rapbellions auf, eine Gruppe von Rappern, die in ihren Songs die Corona-Politik anprangern. Im Hinterhofsalon stellte auch der Persönlichkeitstrainer Kerim Kakmaci sein Buch «Lebe mutig» vor, in dem er das beschreibt, was er auf vielen Kundgebungen während der Krise vorlebte. Wenige Wochen später diskutierten die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot und die Schauspielerin Philine Conrad in einer Talkrunde über die Probleme und Herausforderungen der Corona-Zeit. Am kommenden Samstag setzt Lüül diese Reihe fort und nimmt die Gäste mit auf eine musikalische Reise durch prägende Themen der Gegenwart.