#IchHabeMitgemacht auf Twitter – User Parlamentspoet verarbeitet die Aktion in Gedichten

Seit Anfang April sorgt auf Twitter der Hashtag #IchHabeMitgemacht für große Aufmerksamkeit. Darunter werden sämtliche Entgleisungen gegenüber Ungeimpften gesammelt – vornehmlich Zitate und Videos von Politikern, Ärzten, Journalisten und anderen Meinungsmachern, die sich während der Corona-Krise im Ton vergriffen haben. Unter den Tweets finden sich aber auch kreative Einsprengsel. Ein Beispiel sind die kritischen Gedichte eines Users, der unter dem Pseudonym Parlamentspoet firmiert.

Er bezieht sich auf jene kontroversen Aussagen in teils satirischer Form, trifft aber mit seinen Versen ins Schwarze: „Es steht im Netz in ganzer Pracht: / Jawohl, #ichhabemitgemacht“, heißt es zum Auftakt in einem Poem vom 14. April. „Und was das später mit mir macht / nein, daran hab ich nicht gedacht. // Jetzt wird gejammert und geklagt: Verleumdung, Hetze, Menschenjagd! / Wär gut, wenn ihr euch vorher fragt / was ihr da sagt, wenn ihr was sagt.“ Aber was haben sie nun gesagt – jene Politiker, Journalisten und andere Funktionäre, auf die sich der Parlamentspoet lyrisch einschießt? Weltärztebund-Chef Frank Ulrich Montgomery bezeichnete die Ungeimpften als Tyrannen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warf ihnen Geiselhaft vor. Und die Komikerin Sarah Bosetti verglich sie mit einem Blinddarm. Der sei im strengen Sinne nicht essentiell für das Überleben des Gesamtkomplexes, weshalb auch die Spaltung der Gesellschaft niemanden beunruhigen sollte – schließlich würde sie nicht in der Mitte auseinanderbrechen.

Der Parlamentspoet entgegnet dem mit saftigen Reimen, indem er alle markanten substantivischen Etikettierungen, mit denen Ungeimpfte versehen wurden, aneinanderreiht: „Bekloppte, Blinddarm, Egoisten / Gefährder, Deppen, Extremisten / Ich sag mal so: Wer sowas sagt / hat sein Gehirn im Arsch geparkt. // Doch wißt ihr, was die Wahrheit ist: / Es gibt ein Netz, das nichts vergisst. / Ihr seid im Recht, habt ihr gedacht. / Ich sage: #ihrhabtmitgemacht.“ Das Gedicht stammt ebenfalls vom 14. April und lüftet in der zweiten Strophe das Geheimnis rund um den provokanten Hashtag. Er geht auf den Wunsch zurück, alle Entgleisungen und Diskriminierungen der Ungeimpften zu dokumentieren, ja sie digital zu archivieren, damit sich die Austeilenden später nicht so einfach aus der Affäre ziehen können, wenn es zu einer juristischen Aufarbeitung kommt.

Inspirationsquelle für Menschen aus der Protestbewegung

Diese Intention verfolgt vor allem eine Webseite, die alle verbalen Attacken auf Maßnahmen-Kritiker und Ungeimpften sammelt und auf diese Weise dem populären Hashtag den Weg bereitet hat. Ich-habe-mitgemacht.de sei ein privates Dokumentationszentrum für Corona-Unrecht, „betrieben von einem anonymen, aber grundsoliden Kreis besorgter Archivare“. Da die Täter von heute ab morgen jegliche Beteiligung abstreiten würden, heißt es weiter auf der Webseite, „gilt es Beweisstücke zu sammeln, um den eigenen oder anderen Zivilisationsbruch der Vergessenheit zu entreißen“. Die Aktion stößt offenbar auf große Resonanz. Die eingehenden Meldungen mehren sich, auch auf Twitter, wo sie leider nicht immer so eloquent verpackt werden wie vom Parlamentspoeten.

Der gewitzte User wird durch seine humoristisch-kritische Lyrik gleichsam zur Inspirationsquelle, vor allem für Prominente aus der Protestbewegung. So fühlte sich zum Beispiel der österreichische Reiseveranstalter und Grundrechtsaktivist Alexander Ehrlich dazu angeregt, ein eigenes Oster-Gedicht zu verfassen – ganz in der Manier des Parlamentspoeten, dem das Stück gewidmet ist: „Ich wünsche uns zum Osterfest, / dass uns die Angst bald ganz verlässt, / dass wir die Spaltung überwinden / und viele ihre Eier finden. // Eier und Herzen braucht das Land, / dazu viel Alltagshausverstand. / Ihr Fehlen hat uns nichts gebracht, / außer „#ichhabemitgemacht“.“ Wie der Parlamentspoet findet nun auch Ehrlich einige Nachahmer, die in den Kommentaren eigene Gedichte posten. Der lyrische Schneeball rollt und könnte zu einer Lawine werden. Eine schöre Art des Protests gibt es nicht.

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