Freischaffende Künstler wappnen sich gegen erneute Maßnahmen und Schließungen

Im April sollen die meisten Corona-Maßnahmen auslaufen. Für die Kulturbranche ist das ein gutes Zeichen. Mit den Lockerungen dürfen endlich wieder Veranstaltungen stattfinden, unter Bedingungen, die vor dem Einschnitt 2020 selbstverständlich waren. Viele Künstler können aufatmen, insbesondere die freischaffenden. Sie mussten mit dem Ausfall nahezu aller Events enorme Einkommenseinbrüche erleiden, während Angestellte die ganze Zeit entweder weiterbezahlt wurden oder Kurzarbeitergeld bezogen. Nun dürfen sie also wieder arbeiten. Freude will jedoch nur wenig aufkommen, zu unangenehm waren die Erfahrungen der letzten zwei Jahre, zu groß die Enttäuschungen.

Mit Lockerungen kennen sich die Künstler mittlerweile aus. Als es im Sommer 2020 wieder allmählich möglich wurde aufzutreten, herrschte eine gewisse Euphorie. Endlich durften sie wieder auf der Bühne stehen, mit dem Publikum interagieren, unter ihresgleichen sein. Doch so wie früher war die Atmosphäre nicht. Die Veranstalter mussten sie an bestimmte Regel halten und zum Beispiel auf die Abstandsregeln achten, weshalb das Auditorium kleiner ausfiel als sonst. Für die Künstler ist das eine suboptimale Situation, weil sie das Publikum genauso brauchen wie alle Instrumente, die ihr Handwerk ausmachen. Doch sie nahmen es hin, schließlich durften sie wieder arbeiten. Man ergriff jede Möglichkeit, die sich bot. Und von ihnen gab es in den letzten Monaten recht wenige.

Leerer Saal

In der Zeit darauf sammelten sich die freischaffenden Künstler wieder und gingen dazu über, erneut mittelfristige Pläne zu schmieden. Doch dann kam die nächste Enttäuschung. Im November 2020 beschloss die Bundesregierung den zweiten Lockdown – den „Wellenbrecher“, wie es hieß. Eigentlich sollte er lediglich einen Monat dauern, aber alle, die die Politik kritisch verfolgt hatten, wussten, dass der Kulturbetrieb länger, viel länger ruhen würde. So war es auch. Veranstalter und freiberufliche Kulturschaffende mussten abermals darben, ohne Gewissheit zu haben, wann sie das nächste Mal arbeiten dürften. Nicht wenige verspürten eine Lähmung, eine unerträgliche Antriebslosigkeit. Wer noch Kraft hatte, ließ sich zu Streaming-Auftritten herab. Doch auch sie brachten nicht die Erfüllung, nach der sich Künstler eigentlich sehnen.

Vorauseilender Gehorsam der Veranstalter

Bis Mai 2021 herrschte eine lange Flaute. Als sich die Bedingungen erneut zu normalisieren begannen, kamen auf die Künstler neue Probleme zu. In der Zwischenzeit waren verschiedene Corona-Impfstoffe auf dem Markt gebracht worden. Sie sollten den Maßnahmen das Ende bringen, sofern sich ein großer Teil der Bevölkerung impfen ließ. Um auf sie einen Druck auszuüben, wurden sogenannte G-Regeln eingeführt. Wer sich nicht impfen ließ, sollte zumindest genesen oder negativ getestet sein. Das galt nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Künstler. Wollten sie einen Auftritt absolvieren, mussten sie einen solchen Nachweis erbringen. Viele Veranstalter setzten diese Regeln konsequent um, manche von ihnen sogar in vorauseilendem Gehorsam, indem sie ausschließlich 2G akzeptierten, obwohl es zu dem Zeitpunkt illegal war. Das wussten sie zwar nicht, hatten aber Angst, dass fehlende Strenge bei den Teilnahmebedingungen zu neuen Schließungen führen würde. Die Nerven lagen blank. Nach den wiederholten Lockdowns in der Vergangenheit, mussten sie befürchten, dass der Betrieb immer wieder zum Stillstand gebracht werden könnte, sobald die Corona-Zahlen steigen.

Die gleichen Ängste trieben die Künstler um. Sie trauten weder der Politik noch den Veranstaltern, zumindest jene, die sich nicht impfen lassen wollten. Sie konnten auch mit einem negativen Test auftreten, obwohl das gesetzlich erlaubt war. Einige Veranstalter nahmen ihnen diese Möglichkeit und übten sogar Druck aus – mit der Drohung, auch in Zukunft die Zusammenarbeit einzustellen. Bei manchen Künstlern hinterließ dieses Verhalten einen bleibenden Eindruck. Seitdem arbeiten sie an Strategien, wie sie sich von Veranstaltern unabhängig machen und erneute Lockdown-Phasen überbrücken können, ohne ihr Handwerk ruhen zu lassen. Die Lösung sieht momentan so aus, dass sie die Sache in die eigenen Hände nehmen und selber in die Rolle von Veranstaltern schlüpfen. Künstler aus den verschiedensten Bereichen schließen sich zusammen und verschaffen sich gegenseitig Auftrittsmöglichkeiten. So sollen neue Strukturen entstehen, innerhalb derer die Maxime vorherrscht, dass niemand aufgrund des Gesundheitsstatus diskriminiert wird.

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