Der Gitarrist und Singer-Songwriter Yann Song King ist während der Corona-Krise zu einem Kultmusiker geworden, vergleichbar vielleicht mit Gerhard Gundermann, einem DDR-Sänger, der nach der Wende der breiten Öffentlichkeit unbekannt war, aber in der Subkultur des Ostens eine große Fangemeinde hatte. So ähnlich steht es mit dem Dresdner Yann Song King, nur dass er keine melancholischen Stücke spielt, sondern Lieder mit ernstem Inhalt, aber humorvollem Unterton, mit hintergründigem Sprachwitz und Ohrwurm-Melodien. Der Regisseur Alexander Tuschinski hat ihm nun ein filmisches Porträt gewidmet, in dem er den Singer-Songwriter auf einfühlsame Art als Musiker, Aktivist und Privatperson vorstellt.
Yann Song Kings Werke sind ohne die Corona-Politik nicht denkbar. Als im Frühling 2020 deutschlandweit die ersten Demonstrationen gegen die Maßnahmen begannen, ging auch er in seiner Heimatstadt Dresden auf die Straße. Bei einer dieser Veranstaltungen kam schnell die Frage auf, ob es unter den Teilnehmern nicht jemanden gebe, der Musik machen könnte. Als studierter E-Gitarrist stellte sich Yann Song King zur Verfügung und überzeugte sofort, sodass daraufhin immer mehr Anfragen kamen – meistens in Sachsen, wo die Corona-Proteste bis heute die größte Dichte aufweisen. Ein bisschen erinnere ihn das an die Demonstrationen im Oktober 1989 kurz vor der Wende, erzählt der Musiker im Filmporträt. Er selbst sei damals in Dresden mitgelaufen und sehe heute gewisse Parallelen.
Wurzeln in der Punk-Szene der DDR
Solche Sequenzen verleihen Tuschinskis Film viel Tiefe, weil sie eine geschichtliche Dimension aufweisen, in deren Kontext sowohl die heutige gesellschaftspolitische Situation als auch das Engagement Yann Song Kings verständlich wird. Der Musiker lernte schon in der DDR genau hinzuschauen und – zuhören, wenn der Staat die Bürger zu indoktrinieren versuchte. Impulse bekam er unter anderem aus der oppositionellen Szene der Rock- und Punk-Musik, wo er sich verwurzelt sieht. Diese Zeit lässt Tuschinski mithilfe von Fotografien aufleben, die den noch sehr jungen Yann Song King noch als Gitarristen einer Band zeigen. In einer anderen Szene holt der Musiker zu Hause Memorabilien hervor, Zeitungsausschnitte und Bilder, unter anderem von Underground-Rockgruppen, um die es in der 1988 erschienenen DDR-Dokumentation «Flüstern & Schreien» geht.
Auf ihn spielt Tuschinskis Filmporträt im Titel an, obwohl der Regisseur ihn ein wenig abgeändert hat. „Flüstern“ war in der DDR eine umcodierte Wortbezeichnung dafür, dass man bestimmte Dinge nicht laut sagen durfte. Das treffe auf die heutige Zeit durchaus zu, sagt Yann Song King in einer Gesprächsszene, die im Auto stattfindet. Allerdings nehme er in seinen Songs kein Blatt vor den Mund, wenn auch trickreich. Der Gitarrist und Singer-Songwriter, so seine Selbstbeschreibung, spreche die Dinge nicht aus, sondern spreche über sie – „und dann sprechen sie sich selbst aus“. Das geschieht nicht über Schreien wie im Punk, sondern über den Humor, der viele Menschen, vor allem die Teilnehmer von Demonstrationen zum Lachen bringt. So haben sich Yann Song Kings Lieder verbreitet, indem Kritiker der Corona-Politik sie untereinander teilten, weil in ihnen ihre Erfahrungen verarbeitet werden. Auch das sei gewissermaßen als „ein Flüstern“ zu verstehen, reflektiert Tuschinski in diesem Autogespräch.
Von Schlager bis Metal
So ist vermutlich der Titel «Flüstern und Lachen» entstanden, wobei sich der zweite Teil aus den vielen Song-Ausschnitten ergibt, die der Regisseur in sein Filmporträt hineinmontiert. Stilistisch weisen Yann Song Kings Lieder eine große Breite auf, von Schlager über Rock bis hin zu Metal à la Rammstein, aber immer pointiert und witzig. Karikiert werden darin Politiker wie Markus Söder oder Karl Lauterbach, die Impfkampagne oder der Maskenzwang, der Umgang mit den Schauspielern der #allesdichtmachen-Aktion oder die Doppelmoral der Grünen. Das sei übrigens die Partei gewesen, die er nach der Wende immer gewählt habe, so der Künstler. Mittlerweile habe sich die Sympathie ins Gegenteil verkehrt. Tuschinski fängt solche Aussagen meistens am Rande von Demonstrationen ein, wenn Yann Song King sich mitten in einer Menschenmenge fortbewegt. Zusammen mit den Interviews im privaten Umfeld sorgen sie für eine authentische Atmosphäre, zumal der Künstler in seinen Beiträgen nicht nur über seine Erfahrungen als Aktivist spricht, sondern auch ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert und verrät, wie seine Werke entstehen.
Aufgrund der vielen Einladungen, die Yann Song King im Zuge seiner Demonstrationsauftritte erhielt, habe er nicht immer die gleichen Songs vortragen wollen. Also produzierte er stets neue Stücke. Anfangs nahm der Gitarrist bekannte Hits und wandelte sie textlich so um, dass sie zur Corona-Situation passten. Später entstanden immer mehr eigene Songs, weshalb das Œuvre mittlerweile einen stattlichen Umfang aufweist. Wie sie klingen und in Musik-Videos umgesetzt wurden, veranschaulicht das Filmporträt so spielerisch wie empathisch. Mit ihm ist Tuschinski ein schönes Zeitdokument gelungen, das künstlerische und politische Aspekte geschickt verbindet.
Titelfoto: Screenshot