Für viele Kleinkünstler stellte die Corona-Politik eine Zäsur in ihrem Schaffen dar. Nichts ist mehr wie zuvor. Sie sehen die Welt und ihren Beruf praktisch mit anderen Augen. Beispielhaft dafür ist der bayerische Kabarettist Martin Großmann. An seinem Fall lässt sich zeigen, wie schwer es vor allem kritischen Kleinkünstlern fällt, unter den alten Bedingungen aufzutreten. Der 51-Jährige aus Passau übt seinen Beruf schon die Hälfte seines Lebens aus und war vor Corona viel auf Tour. Er trat in sämtlichen kleinen und großen Städten auf, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich. Im Laufe der Zeit hat er sechs Programme konzipiert, deren Prinzip dem eines Theaterstücks ähneln.
Großmanns Auftritte sehen meistens so aus, dass er fünf bis sechs Figuren spielt. Sie befinden sich immer in einer ganz besonderen Situation und treten nacheinander auf, sodass sich daraus eine Geschichte ergibt. Diese Art des Kabaretts ist nicht neu. Schon in den 1980 und 1990er Jahren kultivierten sie so Künstler wie Bruno Jonas oder Josef Hader. Großmann selbst kommt ursprünglich aus der Schauspielkunst und findet diesen Stil schon deswegen so reizvoll, weil er sämtliche Gefühle darstellen kann. „Ich führe die Leute in die Geschichte ein und erzähle die verschiedenen Schicksale dieser Welt“, beschreibt er seinen Stil. Die Stücke glichen einer Tragikomödie. „Sie sind zum Lachen, aber auch zum Stillwerden. Für manche Leute sogar zum Rausgehen.“ Das passiere vor allem dann, wenn er böse Figuren spiele. „Ich spiele das Böse nicht, weil ich es verherrliche“, so Großmann, „sondern um es lächerlich und auch für mich ertragbar zu machen“.
Enttäuscht von Kollegen
Mit dieser Art Kabarett hatte der Kleinkünstler lange Zeit Erfolg. Die Auftritte waren gut besucht. Das Publikum schätze seinen Humor. Die Veranstalter luden ihn gern ein. Doch dann kam die Corona-Politik – und mit ihr der Schock darüber, wie sich das gesellschaftliche Leben so grundlegend verändern konnte. Er habe schon in den Anfangsmonaten begonnen, sich mit der Thematik wissenschaftlich zu beschäftigen, sagt Großmann. Ihm fiel sofort auf, dass die Maßnahmen genauso auf Sand gebaut waren wie deren Begründungen. Die einseitige wie manipulative Berichterstattung der Leitmedien bestätigte dieses Gefühl. Er sei fassungslos gewesen, was da passierte. Am meisten enttäuschte ihn das Schweigen seiner Kollegen. Dass sie und die Veranstalter so wenig Lust verspürten, auf die Umstände und Berufsverbote zu reagieren, löst bei ihm noch immer Verwunderung aus.
Diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass Großmann die Veranstaltungslocations heute ganz genau aussucht. Als die Kleinkunstbühnen im letzten Jahr unter 3- und 2-G-Bedingungen öffneten, wollte er nicht auftreten. „Ich lass mich nicht testen und nicht impfen“, sagt er. „Und eine Maske trage ich auch nicht.“ Diese Einstellung begrüßten nicht alle Veranstalter, weshalb es zu so manchen Verwerfungen kam. Doch der Kabarettist ließ sich davon nicht beirren und blieb standhaft. Heute möchte er nur dort auftreten, wo „man die Freiheit liebt“, sagt er. Es müssen schon Veranstalter sein, die die gleichen Werte haben wie er. Doch das sind mittlerweile Lokalitäten, die vor Corona eigentlich keine Kleinkunst veranstalteten. Ein Beispiel ist das Aqua-Hotel in der Passauer Umgebung, wo Großmann im Frühjahr dieses Jahres auftrat. Das war seine allererste Live-Darbietung seit Beginn der Maßnahmen. In Oktober gibt er eine weitere Show auf der Fürmann Alm, einer urig-bayrischen Wirtschaft, wo normalerweise Vorträge, Betriebs- und Hochzeitsfeiern stattfinden, nun aber auch vermehrt kritische Künstler eine Bühne bekommen – für politisches Kabarett, Konzerte oder Lesungen.
Zusammenarbeit mit Schauspielern
In der Kleinkunst habe sich eine Underground-Szene gebildet, sagt Großmann. Er selbst sieht hier seine berufliche Zukunft, weshalb er nach Veranstaltern sucht, die „gleich schwingen“. So langsam, sagt der Kabarettist, tun sich Möglichkeiten auf. Er erhält neue Aufträge, schließt sich mit Schauspielern zusammen und konzipiert mit ihnen einen Kurzfilm. Genauso wie viele Veranstalter, die die harte Zeit überlebt haben, nimmt Großmann die Dinge nun selbst in die Hand. Davon zeugt unter anderem sein Audio-Projekt. Es handelt sich dabei um satirische Aufnahmen, die den Titel «Fast wie im falschen Leben» tragen.
Dabei schlüpft der Kabarettist wieder in die Rolle verschiedener Figuren, die das thematisieren, was seit über zweieinhalb Jahren in Deutschland passiert. Die Geschichten beruhen auf wahren Begebenheiten, werden jedoch ein wenig überhöht. Großmann sieht in diesen Audio-Aufnahmen eine weitere Möglichkeit, künstlerisch aktiv zu bleiben. „Es ist spannend, was sich durch die Krise auftut“, beschreibt er seine Situation. Trotz der Strapazen und Enttäuschungen sieht der Kabarettist die Corona-Zeit als sehr wertvoll an. Noch nie, so Großmann, habe er über die Spezies Mensch soviel lernen dürfen wie in den letzten zwei Jahren. „Das Leben ist nur eine Reise. Nix ist für immer auf dieser Welt, nicht mal unsere Probleme.“