Alternative Kulturformate – Radio Berliner Morgenröte präsentiert längere Musikinterviews und Satire

Die alternative Medienlandschaft wächst – und mit ihr die Formate zu Kunst und Kultur. Ein gutes Beispiel dafür ist das Radio Berliner Morgenröte, obwohl die Bezeichnung nicht ganz zutreffend erscheint. Vielmehr handelt es sich um ein Medienportal, auf dem die meisten Beiträge als Podcasts abrufbar sind. Zwar hatte er zunächst tatsächlich ein Radio im Sinn, erzählt der Gründer Olev Zacharias Szkindek, einen Sender mit längeren Beiträgen also, tagesaktuellen Nachrichten, Interviews und Musik, so wie man es kennt, doch es sei anders gekommen. Der 55-Jährige habe sich schließlich für Podcasts entschieden. Deren Themenspektrum ist sehr weit gefasst, bezieht sich aber immer auf die gesellschaftlichen Veränderungen seit der Corona-Politik. Das gilt auch für die Musikinterviews.

Szkindek, der unter Pseudonym auftritt, spricht in diesem Format überwiegend mit Künstlern, die in der Krise die politische wie soziale Entwicklung in ihren Werken kommentieren und kritisieren. „Reizvolle Nebenflüsse mit bisher unbekannten Namen erfrischen unsere Landschaft“, heißt es in dem Einführungstext zur Rubrik. Einige dieser Musiker hat Szkindek interviewt und sie unter anderem zu ihren Kindheits- und Jugenderinnerungen befragt, zu ihren Träumen und Vorstellungen bis zur Corona-Politik. Er wolle mit diesen Beiträgen ein Porträt des jeweiligen Menschen zeichnen, sagt der Radio-Gründer. „Ich bin froh, wenn das Interview emotional ist. Es sollte sich wie ein persönliches Gespräch anhören.“ Seit der ersten Sendung im Februar dieses Jahres hat Szkindek mit neuen Musikern eine Sendung aufgenommen. Während er im Auftaktinterview mit Ronnie sprach, einer 24 Jahre alten Berlinerin, die den Song «Utopia» herausgebracht hat, folgten daraufhin Beiträge unter anderem mit den Rappern Lui Koray und Rhobbin, aber auch mit den Chansonsängern Velia Krause und Boris Steinberg.

Interview mit Musiker Augustin

Zuletzt konnte er den Bayerischen Musiker Augustin für eine Sendungen gewinnen. Den meisten dürfte dieser durch seinen Song «Wir machen auf» bekannt sein, erschienen im Lockdown 2021, um Gastronomen und Einzelhändler zu ermutigen, zivilen Ungehorsam zu leisten. Im Interview mit Radio Berliner Morgenröte sprach der bayerische Produzent, Komponist und Sänger unter anderem darüber, warum es ihm zeitlebens so schwerfällt, „die Klappe zu halten“. Es ging aber auch um ein schlimmes Erlebnis aus der Kindheit sowie die Versuche, der Musikindustrie, seine Existenz als Berufsmusiker zu vernichten. In solchen Interviews kommt das zum Vorschein, was Radio Berliner Morgenröte ausmacht: Menschen zu Wort kommen lassen, die es wegen der Corona-Politik nicht ganz einfach haben; deren Leben sich in dieser Zeit verändert hat.

Musiker Augustin

Als Sinnbild dafür steht das Schicksal des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig, der während der Nazizeit ins Exil floh und aufgrund der katastrophalen Bedingungen immer depressiver wurde, bis er sich selbst das Leben nahm. Diese letzten Jahre erzählt der Film «Vor der Morgenröte», von dem sich Szkindek bei der Namensgebung seines Radios inspirieren ließ. Es entstand in einer dunklen Zeit vor bald fast einem Jahr, als nicht wenige sich fragten, ob die Situation sich jemals bessern wird. Aus diesem Grund will Radio Berliner Morgenröte auch Mut machen. Eines der Formate trägt dieses Motto sogar im Rubriknamen. Andere heißen «Parallelwelten», «Hörstunden» oder «RBM unterwegs».

Zwei Satire-Formate

Im Schnitt erscheinen zwei Beiträge pro Woche und dauern jeweils knapp eine Stunde. Zwischendurch wird immer gemafreie Songs gespielt, in den Musikinterviews sogar die der jeweiligen Künstler. Neben solchen ernsten Sendungen bekommen die Zuhörer aber auch Satire geboten. Unter dem Titel «Syntopia» präsentiert Szkindek in Episoden eine Weltraumgeschichte, die gewissermaßen eine Allegorie auf die gegenwärtigen Umstände darstellt. Der Radio-Gründer schreibt sie selbst und stellt in den jeweils zwölf- bis sechszehnminütigen Podcasts eine Parallelwelt dar, in der die Menschen keine Maske tragen, sondern Knieschoner, um genau an dieser Stelle Pollenflugattacken abzuwehren. Es sind Geschichten, „in denen ihre Bewohner“, wie Szkindek auf der Homepage schreibt, „ihre traumatisierende Spaltung immer wieder auf’s neue reproduzierten und auf diesem Wege versuchten, sich selbst zu finden.“

Ein weiteres Satire-Format bietet Radio Berliner Morgenröte unter dem Rubrum «Die kleine Gedankenspritze» an. In der Sendung geht es um das Framing, die rhetorischen Tricks und die Diffamierungen der Leitmedien. Sie werden nicht nur entlarvt, sondern auch durch den Kakao gezogen. Diese Texte zu aktuellen Ereignissen liest neben Olev Zacharias Szkindek der Schauspieler Jean-Theo Jost vor – auch bekannt unter dem Künstlernamen Pater Theo. Er ist einer der vielen Mitwirkenden, die Radio Berliner Morgenröte mit eigenen Beiträgen, Schnittarbeit und anderweitigen Dienstleistungen unterstützen. Diese Arbeit zahlt sich aus. Das Kulturmedium findet immer mehr Anklang und wächst. Weitere Formate könnten folgen. An Ideen mangelt es dem Radio-Gründer nicht.

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