Die Kabarettistin Barbara Weinzierl gehört der Fraktion von Künstlern an, die die Corona-Politik kritisch sehen. Wie viele Kollegen erlebte sie die letzten zwei Jahre als eine nicht enden wollende Leidenszeit. Tourte sie früher regelmäßig im ganzen deutschsprachigen Raum, tritt sie seit März 2020 kaum noch auf. Die Auftragslage ist recht dünn geworden. Es haben sich aber nicht nur die Arbeitsbedingungen verändert, sondern auch das gesellschaftliche Klima. Weil die Münchnerin die Maßnahmen und die Impfagenda kritisiert, wird sie behandelt wie eine Aussätzige. Um die Erfahrungen der Corona-Zeit zu verarbeiten, hat die Kabarettistin viele Gedichte zu Themen wie Lockdown, Ausgangssperren und gesellschaftliche Spaltung geschrieben. Zudem erschien kürzlich ihr Film «Anna – Die Hoffnung überlebt», eine Low-Budget-Produktion, in der die Frage aufgeworfen wird, wie frei Kunst wirklich ist. Selbst Kabarettisten müssen mittlerweile jedes Wort auf die Goldwaage legen, damit selbsternannte Wahrheitswächter sie nicht zensieren, diffamieren oder gar wirtschaftlich vernichten. Ein solches Schicksal blüht auch Weinzierl. Im Interview mit kultur-zentner.de spricht sie über die Stimmung in ihrer Branche, über die Tücken der Cancel Culture und den Wunsch, ihr Programm politischer zu gestalten.
Frau Weinzierl, maßnahmenkritische Kabarettisten geraten zunehmend unter Druck und werden zunehmend Opfer der Cancel Culture. Ihr Kollege Ludker K. verlor kürzlich einen größeren Auftrag verloren, weil die Regionalzeitung WAZ interveniert hatte. Wie beurteilen Sie den Fall.
Ich habe Ludger K. noch nie live gesehen, sondern bin durch einige Videos auf ihn aufmerksam geworden. Ich fand es immer super mutig, was er tat. Er ist ein sehr kritischer Geist – und war es auch schon lange vor Corona. Mit Entsetzen habe ich gehört, was nun geschehen ist. Dass sich eine Bühne von einem Journalisten erpressen lässt und einen kritischen Künstler nicht mal mehr als Moderator einer Varieté-Show auftreten lässt, nimmt mir den Atem. Kabarett war mal dazu gedacht, mit Humor und kritischem Geist auf Missstände in Politik und Gesellschaft aufmerksam zu machen. Wenn die Meinung eines Künstlers eigenwillig ist oder der Mainstreammeinung kritisch gegenübersteht, dann landet der Künstler ganz schnell auf dem Index.
Wirkt der Fall auf Sie abschreckend? Spüren Sie eine gewisse Angst, öffentlich Kritik zu äußern?
Ja! Auf mich wirkt es abschreckend. Ich bin leider nicht der Typ, der sagt: „jetzt erst recht“. Es macht mir immer wieder Mut, dass es solche Künstler wie Ludker K. gibt. Dann will ich mich hinter sie stellen. Dennoch bleibt die Angst, dann in Sippenhaft genommen zu werden.
Haben Sie während der letzten zwei Jahre in Ihrer Branche einen gewissen Gegenwind gespürt, der sich gegen Regierungs- und Maßnahmenkritiker richtet?
Ja. Da ich lockdownbedingt in der Zeit nur sehr wenig Kontakt mit Veranstaltern hatte, spürte ich den Gegenwind eher von Kollegen. Ich war anfangs sehr aktiv in den sozialen Medien, um meinem Unverständnis gegenüber den Maßnahmen Ausdruck zu verleihen. Da habe ich viel Gegenwind bekommen. Man hat mich alles Mögliche genannt – von „Schwurblerin“ bis hin zu „Aluhutträgerin“ und „Verschwörungstheoretiker“. Oder man hat mir vorgeworfen, ich würde mit meinen Äußerungen der „falschen Seite“ eine Plattform bieten. Auf die Frage, welche denn die „falsche Seite“ ist, habe ich meist nur ein Kopfschütteln geerntet.
Haben sich Ihre kritischen Kollegen von diesem Gegenwind beeindrucken lassen?
Ich denke ja. Ich muss nur an die #allesdichtmachen-Aktion denken. Wie schnell die Kollegen sich distanziert haben, weil dieser enorme Gegenwind kam. Viele von uns sind es einfach nicht gewöhnt, mit Shitstorm umzugehen. Weil wir nicht so berühmt sind, dass uns in den Jahren vor 2020 ein dickes Fell gewachsen ist.
Wo liegen für Sie die Gefahren der Cancel Culture?
Wenn Künstler nur noch Kunst in Sinne der herrschenden Meinung machen können, dann ist das der Tod der Kunst. In meinen düstersten Visionen sehe ich uns in der Plastikwelt von Castingshows und von Faktenchecks geprüften Filmen oder Theateraufführungen.
Ihr Programm war vor Corona weniger politisch. Möchten Sie das in Zukunft ändern und darin stärker Kritik an der gesellschaftlich-politischen Entwicklung üben?
Absolut. Ich hatte jetzt ein paar Auftritte. Die Leute wollen zurzeit angeblich gar nichts allzu Kritisches hören. Sie wollen sich amüsieren. Ich kann das sogar verstehen. Trotzdem möchte ich öffentlich zumindest einen Teil von dem mitteilen, was das Ganze mit mir gemacht hat. Auch auf der Bühne und ohne Angst, gleich mit dem Teufel gleichgesetzt zu werden. Diese Zeit hat doch mit jedem von uns etwas gemacht. Der eine hat es mehr familiär zu spüren bekommen, der andere beruflich. Ich habe eine neue Sicht auf das Thema Meinungsfreiheit bekommen. Der Rahmen, in dem wir wirklich frei sagen können, was wir denken, ist sehr eng geworden. Deshalb sage ich oft nichts. Ich fühle mich damit aber nicht wohl. Es ist nicht ehrlich. Deshalb möchte ich es ändern. Während einer Vorstellung im letzten Sommer habe ich frei heraus gesagt, was ich denke, habe auch ein paar Texte, die in die Richtung gehen, vorgelesen. Es kam erstaunlich gut an. Dieses Jahr, in dem alles angeblich wieder „normal“ ist, fühlt es sich für mich anders an.
Spüren Sie als Kabarettistin eine gewisse Zerrissenheit?
Ja. Manchmal fühlt es sich an wie ein Doppelleben. Ich habe zum Glück einen großen Freundeskreis, mit dem ich mich so austauschen kann, wie ich wirklich denke und bin. Der ist in den letzten beiden Jahren auch gewachsen und hat sich verändert. Es gibt aber auch viele Situationen, in denen ich das nicht kann. Da bin ich oft still. Das tut nicht gut. Ich kann mir vorstellen, dass man krank wird, wenn man das länger so macht.
Welche Themen treiben Sie gerade besonders um?
Was mit den Kindern geschieht, ist für mich besonders schlimm. Entweder gar keine Schule oder nur unter bestimmten Voraussetzungen. Dass sie sich regelmäßig testen lassen müsse, finde ich schrecklich. Oder das Maskentragen. Ich sehe heute noch Kinder in Supermärkten, die ihre Maske freiwillig aufhaben, obwohl wir sie seit mehreren Wochen nicht mehr tragen müssen. Sie haben wohl das Gefühl für sich verloren. Oder dass ihnen eingeredet wurde, sie wären Schuld am Tod von Oma und Opa, wenn sie die besuchen. Wer denkt sich so etwas aus, habe ich oft gedacht. Ich habe selbst auch Kinder. Die sind zum Glück anders gestrickt. Die drohende Impfpflicht ist ein weiteres brisantes Thema. Für mich ist das ein Unding. Die Menschen sollen gezwungen werden, sich mit einem unausgereiften, per Notzulassung zugelassenen Stoff impfen zu lassen, von dem es keine Langzeitstudien geben kann, weil es zu kurz auf den Markt gekommen ist. Es muss freiwillig bleiben. Aber auch die indirekte Impfpflicht ist ein großes Thema für mich. Es darf nicht sein, dass Leute, die diesen Impfstoff nicht wollen, ihre Arbeit verlieren oder nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Ich habe im Freundeskreis einige Fälle mit schwersten Nebenwirkungen. Aber erzähl das mal öffentlich auf einer Kabarettbühne …
Inwiefern war die Corona-Zeit aufschlussreich für Sie?
Ich habe gesehen, dass ich im Grunde nur mir selbst trauen kann. Dass ich noch mehr auf meine Intuition hören muss. Außerdem habe ich gesehen, was Angst aus Menschen macht. Und letztendlich ist es egal, ob ich Angst vor einem Virus, vor Armut oder vor einer Impfpflicht habe. Angst ist Angst und macht krank.
Möchten Sie sich mit gleichgesinnten, das heißt ebenfalls kritischen Künstlern vernetzen? Und wenn ja, was erhoffen Sie sich davon?
Ja, unbedingt. Ich wünsche mir, dass der Druck rausgeht aus mir. Ich wünsche mir Austausch und Unterstützung untereinander. Und ich möchte mit neuen, anderen Projekten aufmerksam machen auf Missstände, die ich sehe. Und damit vielleicht ein paar Leute aufklären oder aufrütteln. Wir sind eine Minderheit, das ist mir bewusst. Umso wichtiger ist es, an einem Strang zu ziehen.
Wie sehen Ihre Perspektiven als Kabarettistin aus?
Schwierig zu sagen. Zunächst sind keine Auftritte geplant. Das ist gar nicht bewusst gewählt. Es gab in den letzten zwei Jahren kaum die Möglichkeit zur Akquise. Viele kleine Bühnen haben in der Zwischenzeit ihren Betrieb eingestellt. Über die wird aber nicht gesprochen, weil das große Scheinwerferlicht woandershin gerichtet wird. Meine Perspektive als Kabarettistin? Ich würde mal mit dem Titel meines Filmes antworten: „Die Hoffnung überlebt“. Ich glaube fest daran, dass das, was ich denke und was ich kann, sich vereinbaren lässt. Es wird bestimmt etwas entstehen, das ich noch nicht sehen kann.
Titelbild von Petra Schönberger
Danke für dieses wunderbare Interview mit Barbara Weinzierl! Die Wirklichkeit derart sachlich und doch empathisch, schlichtweg zur Wahrheit ermutigend zu schildern wie in diesen Fragen und Antworten, das vermisse ich auch bei meiner Kollegschaft in der Musik und im Umfeld der journalistischen Berichterstattung. Auch dort ist die schnelle Bereitschaft, einen sofort als „verschwurbelt“ oder noch bitterer: als unsolidarisch, asozial zu diffamieren, wenn man wie Barbara Weinzierl mahnt, dass z.B. ein lediglich bedingt zugelassener Impfstoff keinesfalls als gesetzliche Verpflichtung verabreicht werden darf, ernüchternd, erschreckend und in der Folge lähmend.