Seit Beginn der Corona-Politik haben die harten Maßnahmen viele Menschen auf die Straßen getrieben. In den letzten knapp zwei Jahren fanden bundesweit Tausende Demonstrationen statt, auf denen die Teilnehmer ihren Unmut kundtaten. Unter die Menge mischten sich auch Musiker. Sie sorgten für gute Stimmung und begleiteten den Zug mit passenden Klängen. Mit der Zeit sind verschiedene Netzwerke entstanden, von den eine den schlichten Namen Streetband trägt. Um sie geht es in der neuen Dokumentation «Revolutionslobbyismus». Der Titel spielt darauf an, dass der Verbund aus regierungkritischen Musikern genauso wie andere unzufriedene Demonstranten auf Veränderung abzielt und deren Interessen in wohlklingendem Ton in die Öffentlichkeit trägt.
Das erste Mal spielte die Streetband auf einem Protest in Berlin. Damals bestand sie noch aus einem kleinen Kern, der jedoch nach und nach größer wurde. Die Musiker sind in ganz Deutschland verteilt und kommen jeweils bei diversen Demonstrationen zusammen, je nachdem, in welcher Stadt sie stattfinden. Unter den Teilnehmern befinden sich unterschiedliche Typen, die Instrumente wie Gitarre, Saxophon oder Euphonium spielen. Es sind Sänger und Komponisten dabei, freiberufliche Musiker und Musikpädagogen. Was diese Menschen zu diesem Engagement antreibt, erzählt der Dokumentarfilm in konventioneller Art, indem er Interviews, Ausschnitte von verschiedenen Demonstrationen und Hintergrundinformationen in ruhigem Rhythmus aneinandereiht.
Kapitalismus- und Medienkritik
Aus dem Off meldet sich immer wieder ein Erzähler, der kommentiert und einordnet. Die Streetband soll ein Ableger des Netzwerks «Musik in Freiheit» sein, lässt er wissen – einem Verbund aus 750 bis 800 Mitgliedern. In dem Film reden einige von ihnen über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse der letzten zwei Jahre, erläutern, was sie an der Corona-Politik stört, was sie stutzig und misstrauisch macht. In manchen Aussagen schwingt Kapitalismuskritik mit, in anderen werden Medien oder der Missbrauch des Begriffs „Solidarität“ kritisiert. Man spürt deutlichen ihren Unmut, obwohl sie beherrscht wirken und unaufgeregt sprechen. Sie sind mit der gegenwärtigen Politik unzufrieden und suchen nach Wegen, ihren Protest konstruktiv wie friedlich zu äußern. Die Musik stellt für sie ein geeignetes Mittel dar, weshalb die Streetband ihnen die Möglichkeit bietet, sich mit ihren Talenten gesellschaftlich einzubringen.
Welche Macht die Musik wirklich hat, erkannten einige erst während der Corona-Krise. Der Rapper und Filmemacher Lui Koray berichtet zum Beispiel, dass seine Freunde seine Zweifel am offiziellen Narrativ zunächst nicht ernst genommen und ihn sogar in die Ecke der „Verschwörungstheoretiker“ geschoben hätten. Zu einer Annäherung sei es erst nach seinem neu Rap-Album gekommen. Die Freunde hätten gemerkt, wie viel Lebensfreude und Freiheitsdrang in ihm stecke. Saxoponistin Regina Barthel nimmt sich hingegen des Themas Framing an, indem sie die medial gestreute Erzählung zerlegt, auf den Demonstrationen liefen überwiegend Nazis. Wenn die Streetaband auf den Protestzügen dann auftrete, wirke sie diesem Narrativ aktiv entgegen. Internationale Songs, so ihr Argument, erschwerten es, die Teilnehmer mit einem „Nazi-Framing“ zu diskreditieren.
Doch das ist nicht der einzige positive Effekt, den die Streetband mit ihren Auftritten auf Demonstrationen hervorruft. Die Mitglieder finden in ihrem Engagement die nötige Kraft, dem Stress und den Einschränkungen psychisch standzuhalten. Sie geben sich gegenseitig Energie und infizieren damit auch die übrigen Teilnehmer – was wiederum zu einem sehr positiven Feedback führt. „Ohne die Musik, die ich gemacht habe auf den Demos“, sagt etwa die Sängerin Zulia, „hätte ich dieses Jahr vielleicht nicht so gut überlebt.“ Andere erzählen von schönen Momenten, in denen selbst Polizisten die Musiker anfeuerten. Doch es gab auch sehr negative Erfahrungen, von denen die Interviewten ebenfalls berichten. Auf diese Weise gewährt die Dokumentation einen authentischen Einblick in die bundesweite Demokratiebewegung – aus der Perspektive von Kulturschaffenden, deren Leben in Folge der Corona-Politik sich grundlegend verändert hat.