21. November 2024

«Human» – Eine Dokumentation über die vielen Facetten des Menschseins

Die Stimmung in Deutschland ist aufgeheizt. Im Zuge der Corona-Krise kam es zu gesellschaftlichen Verwerfungen wie schon lange nicht mehr. Der Riss geht nicht nur durch Freundschaften, sondern auch durch Familien. Wie hart der Meinungskampf ausgetragen wird, zeigt die Kommunikation in den sozialen Medien am allerdeutlichsten. Dort wird verbal derart aufgerüstet, dass die Konversation weniger einem Austausch von Argumenten als einem emotionalen Krieg gleicht. Die Menschlichkeit bleibt mehr und mehr auf der Strecke. Mit jedem Gefecht verblasst sie ein Stück weiter. Um sie wieder zu kultivieren, bedarf es vermutlich einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit den wesentlichen Eigenschaften, die den Menschen ausmachen. Diese Möglichkeit bietet die Dokumentation «Human».

So schlicht der Titel klingt, so unkonventionell ist die Machart. Der Film präsentiert unzählige Kurzporträts von Menschen aus der ganzen Welt. In insgesamt 60 Sprachen erzählen sie ihre teilweise sehr bewegenden Geschichten, in denen alle Gefühlsregungen und Schattenseiten zum Ausdruck kommen, die den Menschen in seinem Kern ausmachen. Da ist ein Häftling, der offen über seine Tat spricht und in gleichem Atemzug offenbart, dass die Mutter seines Opfers ihm gezeigt habe, was wirkliche Liebe sei. Da ist ein Terrorist, der über Rache und Vergeltung spricht. Da ist aber auch ein Mann, der durch einen Anschlag seine Tochter verlor, aber den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen will.

Packende Momentaufnahmen

Zu Wort kommen sehr unterschiedliche Typen: Bauern aus Mali, Freiheitskämpfer aus der Ukraine, Homosexuelle aus den USA, frisch Verliebte oder Kinder mit einem noch unverstellten Blick auf die Welt. Aus ihren Schicksalen, Auffassungen und Temperamenten ergibt sich ein Kaleidoskop aus Lebensfreude, Glück und Sehnsucht, aus Hass, Neid und Verdruss. Hin und wieder machen sich Stereotypen bemerkbar, wie in der Aussage einer italienischen Frau. Auf die Frage, ob sie lieber ein Mann wäre, lautet ihre Antwort. „Nein, darüber habe ich nie nachgedacht. Ich wäre nicht lieber ein Mann. Männer haben es leicht im Leben. Zu leicht. Ein leichtes Leben ist langweilig. Sie haben es leicht im Beruf, vielleicht sogar leichter, gefühlsduselige Beute zu machen. Für Frauen ist alles schwieriger. Aber es gibt einem auch den Anreiz, seine Ziele trotz aller Hürden zu erreichen. Ich ziehe es zweifellos vor, eine Frau zu sein.“

Es sind packende Momentaufnahmen, mal erbaulich, mal emotional. Einige der Interviewten kämpfen mit den Tränen, andere lassen ihrer Freude freien Lauf. Gelegentlich wird es sogar philosophisch, wenn eine Russin zum Beispiel beschreiben soll, was Glück ist.  „Wenn man zur Arbeit kommt und die Kollegen sich freuen, mich zu sehen“, erklärt sie. „Wenn sie mich begrüßen und sich freuen, dass ich gekommen bin, dass man sich unterhalten kann. Auch das ist Glück. Glück ist, wenn man morgens aufwacht und nichts wehtut. Glück ist, wenn es regnet. Das heißt, es gibt eine gute Ernte. Glück hat viele Arten. Und zugleich ist es einzig. Du lebst – das heißt, du bist glücklich.“

Mit den zahlreichen Kurzporträts veranschaulicht «Human», was es heißt, heute auf unserem Planeten zu leben. Das unterstreicht er mit teilweise höchst spektakulären Naturaufnahmen. Während die Kamera aus der Luft beispielsweise Bergketten oder Beduinenwanderungen auf Dünen einfängt, erklingt im Hintergrund mitreißende Musik, die bisweilen dramatisch, gefühlvoll oder meditativ wirkt. Obwohl der Film keine klassische Dramaturgie aufweist, sorgt er für reichlich Spannung. Sie entsteht nicht durch eine bestimmte Abfolge von Ereignissen, sondern zeigt sich in den inneren Konflikten der jeweiligen Geschichte. Sie führen vor Augen, dass wir alle, so individuell wir auch sein mögen, uns im Kern kaum unterscheiden. Uns verbindet mehr, als wir glauben. Darauf sollten wir uns in der gegenwärtigen Situation der Spaltung zurückbesinnen.

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