Die Corona-Politik hat die Gesellschaft tief gespalten. Maßnahmenbefürworter und -Kritiker stehen sich unversöhnlich gegenüber. Wohin diese feindselige Atmosphäre führen soll, ist derzeit eine Frage, die nicht wenige Menschen aus beiden Lagern umtreibt. Besorgt zeigt sich auch die Berliner Künstlerin Monica Felgendreher. Sie hat die letzten knapp 20 Monate sehr intensiv erlebt. Sie nahm an sämtlichen Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen teil und organisierte einige Veranstaltungen mit. Sie verteilte Flyer und vernetzte sich mit Gleichgesinnten. Dabei ging es vor allem um Grund- und Menschenrechte. Für sie setzte sich Felgendreher leidenschaftlich ein, merkte aber, dass die gesellschaftliche Spaltung in dieser Zeit weiter voranschritt.
Vor wenigen Monaten kam ihr schließlich die Idee, das Problem künstlerisch anzugehen. So entstand ihre «Performance for Peace», die Felgendreher seitdem in regelmäßigen Abständen aufführt. Im Mittelpunkt des Events stehen riesige Porträts von berühmten Persönlichkeiten – von Albert Einstein, Hannah Arendt, Bertolt Brecht oder Käthe Kollwitz. „Es sind Köpfe der Zeitgeschichte, die uns geprägt haben“, sagt die Künstlerin. „Menschen, die für die soziokulturelle Entwicklung wichtig waren.“ Unter den abgebildeten Persönlichkeiten befinden sich Philosophen und Theologen, Schriftsteller und Politiker, Musiker und Wissenschaftler, Schauspieler und Bürgerrechtler. Es sind nicht nur bekannte Gesichter aus dem deutschsprachigen Raum dabei, sondern auch Prominente aus allen Teilen der Welt.
Wahre Querdenker
So unterschiedlich sie als Charaktere waren, eines hatten sie gemeinsam: Sie alle schwammen gegen den Strom und standen für ihre Meinung ein. Einige von ihnen haben dafür sogar ihr Leben verloren. „Sie repräsentieren Querdenker im wahrsten Sinne des Wortes, als es noch kein Schimpfwort war“, so Felgendreher. Die Berlinerin malt die Schwarz-Weiß-Porträts meistens von einer oder mehreren Vorlagen ab, indem sie mit einem Pinsel Acryl auf leicht transparenten Stoff aufträgt. Neben den markanten Gesichtszügen enthält jedes Bild ein prägnantes Zitat und eine bekannte Aussage der jeweiligen Person. „Our lives begin to end the day we become silent about things that matter”, steht beispielsweise neben dem Porträt von Martin Luther King – „Unser Leben beginnt an dem Tag zu enden, wenn wir schweigsam über Dinge werden, die wichtig sind.“
Diese Bilder stellt Felgendreher im öffentlichen Raum aus. Die Berlinerin sucht sich dafür passende Plätze aus, belebte Straßen und Orte, wo möglichst viele Touristen und Menschen aus der Mitte der Gesellschaft vorbeilaufen. Das Ziel ist es, mit ihnen über die Porträts ins Gespräch zu kommen – über Themen, die hinter der gegenwärtigen Corona-Krise liegen, über Mut und Solidarität, über Grundrechte und Meinungsvielfalt, über Protest und Pazifismus. Erinnert euch an Werte, für die diese Menschen einstanden, lautet die Botschaft. Erinnert euch an den Einsatz für Minderheitenmeinungen. „Wir brauchen wieder solche Menschen“, sagt Felgendreher, „Menschen, die einen eigenen Kopf haben“.
Die Ausstellung soll auf diese Weise eine Brücke zwischen den Parteien bilden, ohne dass der Eindruck entsteht, es handle sich um eine Demonstrationsveranstaltung. Als eine solche will die Künstlerin ihre «Performance for Peace» nicht verstanden wissen, sondern als Begegnungsstätte, an der die Passanten zusammen nachdenken, diskutieren und Gemeinsamkeiten finden. Sie soll Impulse liefern, damit die Menschen über das Gespräch wieder zueinanderfinden und unterschiedliche Meinungen tolerieren. Wie bereits aus dem Titel hervorgeht, zielt das Kunst-Event darauf ab, die Gesellschaft zu befrieden. „Ohne Dialog, Diskussion und Respekt wird es keinen Frieden geben“, sagt die Künstlerin. „Das ist aber das, was sich beide Seiten (hoffentlich) wünschen.“
Sogwirkung großer Bilder
Eine Performance sei es deswegen, so Felgendreher, weil die Vorbereitung, die Auswahl der Plätze und die Fahrt dorthin das Werk genauso prägen wie die Gespräche vor Ort. Es besteht aus verschiedenen Komponenten und Teilprozessen, die dafür sorgen, dass Form und Ergebnis jedes Mal anders ausfallen. „Mit der Umgebung ändert sich auch die Wirkung“, erklärt die Künstlerin das Prinzip. Acht solcher «Performances for Peace» hat sie bereits veranstaltet. Weitere sollen folgen. Im Laufe der Zeit sind die Porträts immer größer geworden. Anfangs fertigte Felgendreher sie in einem Rahmen an, der 70×100 cm umfasste. Was im Atelier aber groß wirkte, erwies sich im Stadtraum als sehr klein. Die Künstlerin reagierte darauf und erweiterte die Malfläche.
Als die Bilder dann größer wurden, sei von ihnen eine gewisse Sogwirkung ausgegangen, beschreibt sie den Effekt. „Große Bilder ziehen die Passanten an. Sie bemerken sie aus der Ferne und eilen herbei, um sich die Ausstellung anzusehen.“ Wie die Begegnungen verlaufen, dokumentiert Felgendreher auf ihrer Webseite und dem eigenen Telegram-Kanal. Dort finden sich Fotos und kurze Videos, die von den jeweiligen Veranstaltungen stammen. Die «Performances for Peace», so viel machen diese Ausschnitte deutlich, erfüllt ihren Zweck. Die Menschen kommen ins Gespräch und setzen sich mit den Porträts auseinander.