21. November 2024

Neu arrangierte A-cappella-Songs – Frauke Olivari geht ihren eigenen Weg

Für Kulturschaffende und Kreative sind die letzten 20 Monate eine emotional wie finanziell schwierige Zeit, eine, die mit Berufsverboten, Event-Absagen und öffentlichem Druck einhergeht. Sie bietet aber auch Chancen. Wenn die Verhältnisse unerträglich werden, verkürzt sich der Schritt in die Unabhängigkeit. Deswegen nutzen nicht wenige Kulturschaffende die instabile Situation, um aus Abhängigkeitsverhältnissen auszubrechen und sich künstlerisch selbst zu verwirklichen. Diesen Weg hat unter anderem Frauke Olivari gewählt, die Frau des Liedermachers Alex Olivari.

Die Sängerin und Gesangslehrerin blickt auf eine bewegende Karriere zurück. Sie war in eine sehr musikalische Familie hineingeboren worden, entwickelte in sämtlichen Chören ihre Stimme und wirkte in diversen Bands mit. Seit 2014 unterrichtet sie zudem an einer Musikschule im Raum Köln. In den letzten Jahren arrangierte sie für zahlreiche Bands und Chöre die Gesangssätze. Nun aber geht sie ihren eigenen Weg: Sie greift sich mehr oder weniger bekannte Stücke, arrangiert sie neu und trägt sie a-cappella vor. Dabei kommt das zum Einsatz, was Olivari als ihre Leidenschaft bezeichnet: mehrstimmiger Gesang. „Meist setze ich erstmal an den Harmonien des Originals an, löse mich dann aber nach und nach davon, reharmonisiere, baue Tonartrückungen ein“, erklärt sie das Konzept. „Ich muss mit meiner Stimme ein ganzes Orchester oder eine Band ersetzen. Also nehme ich eine Stimme nach der anderen auf und schichte sie sozusagen übereinander.“

Band-Ausstieg

In dieser Tätigkeit geht Olivari auf. Hier fühlt sie sich künstlerisch frei und heimisch, weshalb es schon immer ihr Wunsch war, eigene Werke zu veröffentlichen. Die Möglichkeit dazu sollte ausgerechnet die Corona-Krise bieten. Als im letzten Jahr der Großteil der geplanten Konzerte ausfiel, hatte die Sängerin viel Zeit, kreativ zu arbeiten – alleine und selbstbestimmt. So sind einige Arrangements entstanden, die gewissermaßen ein Fundament für ihren Entschluss bildeten, künftig noch konsequenter in diese Richtung zu gehen. Den letzten Anstoß gaben die Spannungen innerhalb ihrer alten Band, die zu den traditionsreichsten in Köln gehört. Für Zündstoff sorgte die allseits diskutierte Corona-Impfung.

Frauke Olivari

Als sich die Mitglieder im Februar zum Gespräch trafen, merkte Olivari schnell, dass sie den «Pieks» als Einzige ablehnte. Doch die anderen wollten das nicht akzeptieren. „Mir wurde praktisch die Pistole auf die Brust gesetzt“, beschreibt die Sängerin die Situation. Wenn sie sich nicht impfen lasse, gebe es für sie in der Band keine Zukunft mehr, hieß es. Aber Olivari blieb standhaft bei ihrer Überzeugung, bis sie die Gruppe nach elf erfüllten Jahren verlassen musste. Verstehen kann sie die Entscheidung nicht: „Ich finde es unfassbar, dass so ein Druck ausgeübt wurde.“ Der steigt auch an ihrer Musikschule, wo Olivari zwar noch nicht zur Impfung gedrängt wird, aber beobachten kann, dass sich die Arbeitsbedingungen zunehmend im Sinne der neuen Infektionsschutzrichtlinien verändern.

Erste Veröffentlichungen

In so einer Situation bleibt nur die Flucht nach vorne. Olivari konzentriert sich auf ihre eigenen Werke. Veröffentlicht werden sie auf ihren eigenen Telegram– und YouTube-Kanälen, wo im November «Blackbird» (Originalsong von John Lennon und Paul McCartney) den Auftakt machte. Ehemann Alex übernahm dabei die Männerstimmen. Im gleichen Stil erschien kurz darauf Cyndi Laupers «True Colors». Der Titel lässt sich für die Sängerin gewissermaßen auf die Corona-Zeit anwenden, in der man ebenfalls Farbe bekennen muss. „Im Moment kommt es darauf an, zu den eigenen Überzeugungen zu stehen“, kommentiert sie die gegenwärtige Lage.

Olivari greift sich Songs heraus, die sich in bestimmter Weise auf die gesellschaftliche oder ihre persönliche Situation beziehen. In ihnen kommt das zum Ausdruck, was die Sängerin bewusst oder unbewusst beschäftigt. „Ich denke nicht aktiv darüber nach, aber dann kommt ein Stück, das passt – also greife ich es“, erklärt sie ihre Arbeitsweise. Während Frauke Olivari «True Colors» alleine singt, trägt sie das jüngste Werk wieder zusammen mit Ehemann Alex vor. Es handelt sich um «No One Is Alone» des kürzlich verstorbenen Komponisten Stephen Sondheim. Das Lied stammt aus dem Musical «Into the Woods», das wie eine Allegorie auf die heutige Zeit anmutet. In dem Stück geht es darum, wie man in die Irre läuft, wie man Freunde verliert und erlebt, wie das Leben ins Chaos abdriftet, aber dennoch weitermacht und schließlich auf neue Leute trifft, die ähnlich denken. Auf diesem Weg, so der Subtext, stellt man fest, dass man nicht alleine ist. Vor allem aber findet man zu sich selbst. Frauke Olivari kann davon ein Lied singen – nein, sie tut es schon.

Kulturjournalismus braucht deine Hilfe!

Wer meine Arbeit unterstützen möchte, kann es via Überweisung oder Paypal tun. Herzlichen Dank!

Überweisung:

IBAN: DE85 1203 0000 1033 9733 04
Verwendungszweck: Spende

Spende via Paypal

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert