Die Corona-Maßnahmen haben gravierende Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Seit knapp zwei Jahren leben sie in einem Ausnahmezustand, indem sie ständig Maske tragen, sich testen und immer wieder mal im Homeschooling dem Unterricht folgen müssen. Ihre sozialen Kontakte werden eingeschränkt, was dazu führt, dass die Alltagsstrukturen zunehmend wegbrechen. Das hinterlässt Spuren. Der Regisseur Jens-Tibor Homm hat das vor mehreren Monaten in seinem Film «Corona Kinder» dokumentiert. Nun ist die Fortsetzung erschienen. Auch sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen, beleuchtet sie aber aus einer anderen Perspektive.
Holte Homm im ersten Film noch vornehmlich Experten vor die Kamera, die markante Probleme ansprachen, kommen in dem zweiten Teil die betroffenen Kinder und deren Eltern zu Wort. Sie sprechen darüber, welche Probleme ihnen die Lockdown-Zeit bereitete, worin sie die größte Herausforderung sahen und wie sie sich heute nach zwei Jahren Ausnahmezustand fühlen. Wieder legt Homm seine Dokumentation als reinen Interview-Film an, in dem er im Hintergrund bleibt, ohne kommentierend oder erzählerisch einzugreifen. Die Redebeiträge seiner Protagonisten schneidet der Regisseur so geschickt zusammen, dass Kinder und Eltern sich jeweils abwechseln. So entsteht ein angenehmer Rhythmus, der den Film gleichmäßig nach vorne treiben lässt.
Bereits die ersten Minuten verdeutlichen, welch hoher Belastung die Interviewten ausgesetzt waren. Doch für Kinder fiel sie anders aus als für deren Eltern. Diese mussten nebenbei ihrem Beruf im Homeoffice nachgehen und den Haushalt erledigen. Es sei ein Spagat gewesen, sagt eine Mutter. Sie habe teilweise bis Mitternacht am Rechner arbeiten müssen. Dementsprechend angespannt sei die Stimmung zu Hause gewesen. Andere Eltern bezeichnen die Situation als Lähmung, in der es ihnen schwerfiel zu verstehen, was um sie herum passiert. Nicht weniger reibungsfrei verlief diese Zeit für Kinder und Jugendliche, wobei sie in den Interviews eher die Qualität des Unterrichts bemängeln.
Frust und Ungewissheit
Technische Störungen und Internetprobleme hätten oftmals für Unterbrechungen gesorgt. Die meisten Bildschirme der Mitschüler seien bei Video-Konferenzen ausgeschaltet gewesen. Es habe Chaos geherrscht. Nicht wenige Interviewte beklagen sich darüber, dass sie aufgrund der unübersichtlichen Situation ihre Verständnisfragen nicht klären konnten.Ein weiteres Problem stellte der Bewegungsmangel dar. Während der Lockdowns waren Kinder und Jugendliche gezwungen, länger als sonst zu Hause zu bleiben. Sporttraining fiel genauso aus wie die Treffen mit Gleichaltrigen. Nicht wenige verschanzten sich vor dem Rechner und verbrachten viel Zeit mit Computerspielen. Andere aßen aus Frust eine Extraportion, was zur Gewichtszunahme führte.
So ein Leben möchten sie nicht führen, sagen einige freiheraus. Es sei schlicht nicht lebenswert. Am schwersten empfinden sie die Ungewissheit darüber, wie es weitergehen soll. Die Bedingungen ändern sich ständig, und die Kinder müssen sich immer wieder aufs Neue darauf einstellen. Sie selber bemerken eine gewisse Bedrücktheit, die an Intensität gewinnt. Es stellt sich das Gefühl ein, dass ihnen schon in den frühen Jahren sehr viel genommen worden ist – allen voran Freiheit. Dass diese Nöte in der Öffentlichkeit allenfalls am Rande thematisiert werden, ist ein großes Versäumnis der Leitmedien. Als umso bewundernswerter erweist sich Jens-Tibor Homms Versuch, die Auswirkungen der Corona-Politik auf Kinder und Jugendliche einem größeren Publikum bekannt zu machen. Er macht es sehr subtil, mit großer Empathie und dem Hang, möglichst viele Facetten abzudecken.