21. November 2024

«Lieder, die bleiben» – Musikabend mit gesellschaftskritischen Kommentaren zur Gegenwart

Die bekannte Liedermacherin Bettina Wegner hat in der Berliner Event-Location Die Wabe ein fulminantes Konzert gegeben – zusammen mit Chansonsänger Karsten Troyke und dem Gitarristen El Aleman. Es war ein Abend der kritischen wie melancholischen Töne, aber auch der fröhlichen Lebensfreude. Dafür sorgte vor allem Karsten Troyke, mit schwungvollen Stücken aus seinem Repertoire jiddischer Interpretationen. Ein Lied trug er sogar in Arabisch vor, so souverän, als hätte er nie eine andere Sprache gesprochen. Ein Kuweiter habe es für ihn aufgeschrieben. „Nach Kuwait ist es heute nicht mehr weit“, scherzte der Chansonsänger.

Troyke, stets lächelnd und immer für eine Pointe gut, kommentierte die Songs und gab Anekdoten zum Besten, unter anderem eine aus der DDR-Zeit, in der alle drei Musiker sozialisiert wurden. Bettina Wegner war schon damals sehr bekannt. Auf einer Tour, die Troykes Vater managte, hatte der Kulturbund der DDR etwas an einer Zeile aus ihrem Hit «Kinder – sind so kleine Hände» auszusetzen. „Ist so ’n kleines Rückgrat“, heißt es in dem Song. „Sieht man fast noch nicht / Darf man niemals beugen / Weil es sonst zerbricht / Grade, klare Menschen / Wär′n ein schönes Ziel / Leute ohne Rückgrat / Hab’n wir schon zu viel.“ Diesen Schlussteil wollte der Kulturbund ein wenig umformuliert haben, so dass der kritische Unterton verschwindet. Die Ersatzzeilen lieferte er schließlich selber. „Die Tour habe ich dann abgesagt“, erklärte Bettina nach Troykes Ausführungen.

Alte Stücke sehr aktuell

Das war einer der vielen Bezüge zur Gegenwart der Post-Corona-Ära. Den ersten lieferte Troyke gleich zu Beginn mit seinem jüngsten Song «Jeder soll so leben wie er leben mag», einem Kommentar auf den heutigen Trend, politisch Andersdenkende, Ungeimpfte oder Unmaskierte zu diffamieren. Es war ein Plädoyer für Toleranz, das auch Bettina Wegner hielt, musikalisch kraftvoll und mit Zeilen, die so manche Parallele zwischen der DDR-Zeit und der gegenwärtigen Gesellschaftsverfassung zogen. Einige ihrer älteren Stücke wirkten sehr aktuell. Doch es ging nicht nur politisch zu an dem Abend. Wegner, für ihre traurigen, aber tiefsinnigen und ausdrucksstarken Songs bekannt, trug auch Liebeslieder vor. Gewidmet waren sie nicht nur der eigenen Familie, sondern allen Menschen.

El Aleman

Wie Troyke kommentierte sie die Stücke zwischen der jeweiligen Darbietung, gab dem Publikum Hintergrundinformationen und war dabei immer für einen Scherz gut, selbst wenn der eine oder andere etwas bissig ausfiel. Wortkarg zeigte sich hingegen El Aleman. Der begnadete Gitarrist ließ lieber sein Instrument sprechen, so virtuos, dass so manche Gäste vor Begeisterung aufschrien. Gleich zum Auftakt präsentierte er den Song «Verbrannte Zeit» aus seinem neuen Album, ein instrumentales Stück, in dem die bedrohliche Stimmung der letzten Jahre zum Ausdruck kommt. In der Folge begleitete El Aleman die beiden Kollegen auf seiner spanischen Gitarre, indem er unter anderem auch ein paar vibrierende Bass-Akkorde hervorzauberte. Den Höhepunkt bildete sein energisches Gitarrensolo, das ein bisschen Flamenco-Atmosphäre aufleben ließ.

Das Publikum tobte. Nachdem es Klassiker aus der DDR-Zeit, umgetextete Volkslieder und sogar einen noch nicht so oft vorgetragenen Song über den inhaftierten Wikileaks-Gründer Julians Assange gehört hatte, stand es von den Sitzen auf, um dem Trio mit Applaus zu danken. An diesem Abend passte alles. Die drei Musiker harmonierten hervorragend und versprühten eine Energie, die sich im ganzen Saal ausbreitete. Für die Gäste war es genauso emotional wie für Wegner, Troyke und El Aleman. Da sie in Der Wabe wieder zu Hause seien, würden sie bald wiederkommen, versprachen diese am Ende des Konzerts. Das Publikum freute es. Denn es weiß: Ein Auftritt dieses dreiköpfigen Teams lohnt sich immer.

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