Die Corona-Maßnahmen haben die Gesellschaft verändert. Nie zuvor wurden wegen eines Virus ganze Städte und Länder abgeriegelt, Gastronomiebetriebe geschlossen und Veranstaltungen verboten. Das politische Instrument des Lockdowns, wie ihn sämtliche Staaten weltweit eingeführt haben, gilt in der Geschichte als Novum. Welchen Schaden er hierzulande angerichtet hat, lässt sich durchaus begreifen, wenn man das letzte Jahr Revue passieren lässt. Schwieriger ist es, eine Vorstellung davon zu bekommen, welche Folgen der Lockdwon für andere Länder hat. Auf die Leitmedien ist nur wenig Verlass. Sie lenken die Aufmerksamkeit lieber auf die vermeintlichen Gefahren durch das Virus.
Weil die mediale Berichterstattung nicht das ganze Bild zeigt, begab sich der Alternativjournalist und Filmemacher Max Kittan von Liberty News Berlin im Januar 2021 nach Kolumbien, um zu dokumentieren, was der Lockdown und die Corona-Maßnahmen in dem südamerikanischen Land angerichtet haben. Entstanden ist ein interessanter 45-minütiger Film, der verschiedene Aspekte beleuchtet. Konnte der Lockdown die Ausbreitung des Virus eindämmen? Welchen Effekt hatte er auf das Gesundheitssystem? Wie bewerten ihn die Bürger Kolumbiens? Kittan geht diesen und anderen Fragen nach, indem er mit Epidemiologen spricht, Künstler interviewt oder Politiker befragt.
Unterschiedliche Meinungen
Die Antworten fallen unterschiedlich aus. Einige Kolumbianer halten die Maßnahmen für gerechtfertigt, anderen gingen sie nicht weit genug. Aber es kommen auch Kritiker zu Wort, die sie für überzogen halten. Zu ihnen gehört insbesondere die Epidemiologin Margarita Ronderos, die es zum Beispiel als Fehler ansieht, dass die Schulen geschlossen wurden. Ihr zufolge habe das Gesundheitswesen recht schnell über Informationen verfügt, dass Kinder weniger ansteckend seien. Als einen besonders gravierenden Fehler betrachtet sie die Strategie, Panik zu verbreiten. Das dürfe man niemals tun, sagt sie in einem der Interviews. Anstatt die Menschen in Angst zu versetzen, sollte die Regierung ihre Eigenverantwortung fördern.
Von einem Lockdown hält die Epidemiologin nicht viel. Er richte mehr Schaden an, als dass er nütze, ist sie überzeugt. So sehen es auch viele Gastronomen und Entertainer wie der DJ Fernando Juan Espitia, der in dem Film sowohl die psychischen als auch die wirtschaftlichen Kollateralschäden benennt. Barbesitzer mussten in Kolumbien rund sechs Monate darben und darauf hoffen, dass ihre Lokale wieder öffnen durften. In dieser Zeit verdienten sie kein Geld, sodass die Angst vor dem existentiellen Ruin von Tag zu Tag wuchs. Clubs mussten selbst noch zur Zeit der Aufnahmen geschlossen bleiben, was aus einst belebten Ausgehvierteln verwaiste Zonen machte. Für einige junge Menschen ist das besonders hart zu ertragen, wie sie vor der Kamera etwas wehmütig sagen.
Kittan recherchiert jedoch nicht nur in den Großstädten, sondern begibt sich auch in Touristengebiete. Dort sahen die Verhältnisse während des Lockdowns nicht besser aus. Viele Hotels mussten sich von einem Großteil des Personals trennen. Mittlerweile läuft das Geschäft wieder an, bleibt aber immer noch unter dem Krisenniveau. Staatliche Unterstützung gab es nur in einem sehr geringen Maße. Das sorgt bei den Betroffenen für Unverständnis, bisweilen sogar für Verdruss. Ähnlich katastrophal haben sich die Corona-Maßnahmen auf Branchen ausgewirkt, die auf ein Massenpublikum angewiesen sind. Ob Vergnügungsparks, Kinos oder Sportvereine, für viele Betreiber sieht die wirtschaftliche Lage alles andere als rosig aus.
Objektive Aufarbeitung
Die Kollateralschäden in Kolumbien, das macht der Dokumentarfilm deutlich, lassen sich mit denen in Deutschland vergleichen. Allerdings ist das südamerikanische Land vor allem wirtschaftlich schlechter aufgestellt. Anders als hierzulande verdingen sich dort sehr viele Menschen als Tagelöhner, was zudem soziale und gesundheitliche Risiken birgt. Der Blick für solche Facetten macht die Dokumentation zu einem informativen wie interessantem Film, der vor Augen führt, dass Regierung eigentlich zunächst die spezifischen Bedingungen des jeweiligen Landes berücksichtigen müssen, bevor sie auf ein Standardinstrument wie den Lockdown setzen.
Während seines zweimonatigen Aufenthalts in Kolumbien ist es Kittan gelungen, ein breites Spektrum abzudecken. In seinem Film bemüht er sich um eine objektive Aufarbeitung, indem er die Stimmung im Land einfängt, Fakten heranzieht und Personen zu Wort kommen lässt, die die Situation aus einer jeweils unterschiedlichen Perspektive betrachten. Die Meinungen gehen auseinander. Doch wütend scheinen nur wenige zu sein. Massendemonstrationen wie in Deutschland oder Großbritannien gab es in Kolumbien nicht. Der Protest machte sich allenfalls dadurch bemerkbar, dass nicht wenige Bürger die Maßnahmen einfach ignorierten.