Die Geheimdienste nehmen Einfluss auf alle sozialen Bereiche, auch auf die Kultur. Das unterstreicht eine ältere Arte-Dokumentation, die nachweist, dass die CIA im Kalten Krieg zahlreiche Künstler und Intellektuelle für ihre Zwecke benutzte und steuerte. Die Zuschauer erhalten nicht nur einen tiefen Einblick in die Methoden und Arbeitsweise von Geheimdiensten, sondern können leicht Parallelen zu den gegenwärtigen Ereignissen ziehen. Es bilden sich gewisse Muster, die damit beginnen, dass sich bestimmte Phänomene auf der Oberfläche wiederholen und auf verdeckte Operationen schließen lassen. Der Dokumentarfilm bestätigt das, indem er unter anderem aus geheimen Dokumenten zitiert oder ehemalige CIA-Mitarbeiter zu Wort kommen lässt.
Die Beeinflussung der Kulturelite erfolgt im Kalten Krieg über zahlreiche Tarnorganisationen, von wo aus die Netze ausgeworfen werden. Eine zentrale Rolle spielt damals der Kongress für kulturelle Freiheit mit Sitz in Paris, der in verschiedenen westlichen Ländern nationale Zweigorganisationen unterhält und im großen Stil unterschiedliche Projekte namhafter Literaten, Musiker, Künstler oder Philosophen finanziert. Sie sollen Freiheit und liberale Werte preisen. Wer sie ohnehin vertritt, wird von der CIA benutzt, ohne es selber zu bemerken. Kritik an den USA ist durchaus erlaubt, allerdings nur, wenn sie nicht mit kommunistischen Sympathien einhergeht.
Causa Heinrich Böll
In der Dokumentation fällt ein Schlaglicht auf Heinrich Böll. Der deutsche Schriftsteller fungiert in den 1960er Jahren als eine Art Anwalt seiner Kollegen aus dem sozialistischen Block, wo sie als Dissidenten auftreten. Er setzt sich für verfolgte Schriftsteller ein und ist für die CIA eine leichte Beute. Als Kulturträger der amerikanischen Weltanschauung entspricht Böll ihrem Profil. Er sei ein gutgläubiger Mensch gewesen, beschreibt ihn der mittlerweile verstorbene Schriftsteller Günter Grass. Was er damals getan habe, sei sicherlich aus gutem Willen geschehen.
Ob Böll in die Operationen des Geheimdienstes eingeweiht war, bleibt in der Dokumentation offen. Allerdings fand er in dem Kiepenhauer & Witsch einen großzügigen und sehr unterstützenden Verleger, dessen Inhaber Joseph C. Witsch in den 1960er Jahren eng mit der CIA gearbeitet haben soll. Auf diese Weise nahm der Geheimdienst Einfluss auf sämtliche Redaktionen in Deutschland, nicht nur in den Verlagen, sondern auch in den Sendeanstalten. Das Geld kam meistens aus den Kassen diverser Stiftungen. Künstler, die davon profitierten, schöpften keinen Verdacht, sondern waren froh darüber, dass die finanziellen Mittel aus ihrer Sicht endlich für etwas Sinnvolles ausgegeben wurden.
So großzügig die CIA gleichgesinnte Künstler unterstützte, so unerbittlich ging sie gegen Kulturvertreter vor, deren Ideen und Weltbilder nicht den eigenen Vorstellungen entsprachen. Dann startete der Geheimdienst wirkungsvolle Denunziationskampagnen. Als Opfer dieser schmutzigen Maßnahmen werden in der Dokumentation so prominente Geistesgrößen wie Thomas Mann, Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Pablo Neruda genannt. Um sie zu diffamieren, heißt es in einer Szene, bekamen ausgewählte Journalisten sogar Anweisungen, wie sie ihre Artikel über jene Künstler schreiben sollten.
Parallelen zur Gegenwart
Das erinnert doch sehr stark an die Ereignisse der letzten drei Jahre. Während einige Kulturschaffende sich verdächtig oft an Stay-at-home- oder Impfkampagnen beteiligten und derzeit unter medialem Beifall für Waffenlieferungen trommeln, werden Künstler, die sich kritisch gegenüber der Corona- oder Kriegspolitik der Regierung äußern, öffentlichkeitwirksam ins schlechte Licht gerückt und mit Kampfbegriffen bearbeitet. Häufig gehen diese Angriffe von Journalisten aus. So manche Namen tauchen immer wieder auf, wenn es darum geht, Nena, Xavier Naidoo, Michael Wendler oder die Schauspieler der #allesdichtmachen-Initiative zu diffamieren.
Er habe mit den Jahren verstanden, dass die CIA eine kriminelle Vereinigung sei, sagt Günter Grass im Film. Diese Eigenschaft teile sie mit vielen anderen Geheimdiensten. Wer sich den knapp einstündigen Film anschaut, wird ihm Recht geben müssen. Die Manipulationsmethoden sind moralisch mehr als fragwürdig. Indem die Dokumentation einen Einblick in die Arbeitsweise der Geheimdienste ermöglicht, sensibilisiert sie die Zuschauer für den gegenwärtigen Kulturkampf gegen Andersdenkende. Sie enthält sehr viel Wissen, das notwendig ist, um sowohl die tendenziöse Berichterstattung über bestimmte Personen als auch die vielen Werbe- oder Hetz-Kampagnen zu durchschauen. Die Ziele und Weltbilder mögen sich geändert haben, viele verdeckte Einflussmethoden gehören aber immer noch zum Inventar des geheimdienstlichen Werkzeugkastens.
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