«Zeige deine Wunde» – Poetisch-meditative Doku über den Aktionskünstler Joseph Beuys

Der Aktionskünstler, Bildhauer, Kunsttheoretiker und Pädagoge Joseph Beuys war seinerzeit eine schillernde Figur. Er provozierte und regte zum Nachdenken an. Zweifellos gehört der 1986 verstorbene Rheinländer zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Am 12. Mai wäre er 100 Jahre alt geworden. Zum Jubiläum ist nun im Filmverlag Absolut Medien eine Dokumentation erschienen, die die Kunst des Meisters unter dem Aspekt der Spiritualität betrachtet.

«Zeige deine Wunde» bezieht sich auf die gleichnamige Installation aus dem Jahr 1975, auf Beuys‘ wohl bekanntestes Werk, das heute im Lenbauchhaus in München zu sehen ist. Mit dem Environment verarbeitete der Künstler damals seinen Flugzeugabsturz auf der Krim während des Zweiten Weltkriegs. Das Hauptobjekt besteht aus zwei Leichenbahren aus der Pathologie, unter denen sich zwei mit Fett gefüllte Zinkblechkästen befinden.  Ein Fieberthermometer verweist auf sein Leiden nach dem Absturz und die Rettung durch nomadisierende Krimtataren, die ihn acht Tage lang mit ihren Hausmitteln pflegten.

Joseph Beuys

Der Regisseur Rüdiger Sünner bezeichnet diese Kunst als „rätselhaft, irritierend, aber auch aufregend in ihrer dunklen Schönheit“. Tatsächlich verlangen Beuys‘ Werke enorme geistige Anstrengung ab und versperren sich dem gängigen Blick – auch im Film. Sünner leistet hier Abhilfe, indem er die Zuschauer in diese Art von Kunst erklärend einführt und nicht nur den Kontext für Beuys‘ Arbeiten liefert, sondern auch eigene Interpretationen anbietet. Sein Duktus wirkt poetisch, bisweilen meditativ. Als Erzähler aus dem Off gleitet Sünner durch Beuys‘ Biografie, macht an entscheidenden Stationen Halt und bemüht sich, die vielen Informationen zu ordnen. Zwischendurch kommen alte Weggefährten zu Wort, die den Künstler aus ihrer Sicht beschreiben.

Seelische und körperliche Verletzlichkeit

In ihrer Machart ist die Dokumentation durchaus konventionell, entfaltet aber dennoch eine gewisse Faszination. Allein die spektakulären Archivaufnahmen von Beuys‘ Aktionen machen den Film zu einem Vergnügen. Als Highlight exponiert sich eine Szene aus «Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt». Der Künstler führt bei dieser Aktion den Vierbeiner an mehreren Werken vorbei, während sein Kopf mit Honig und Blattgold bedeckt ist. Es handelt sich dabei um eine schamanistische Einfühlung, so die Erklärung des Meisters selbst, die Regisseur Sünner wie viele andere Originalaussagen vorliest.

Mythologie, Anthroposophie, Alchemie und Mystik hatten auf Beuys‘ Kunst einen enormen Einfluss, weshalb er mit dem bloß auf Effizienz und Profit gerichteten Denken bis zum Schluss auf Kriegsfuß stand. Das hebt auch der Kunstphilosoph und Beuys-Experte Dr. Wolfgang Zumdick hervor, der in einem als Bonusmaterial angefügten Interview sagt, dass sich die Auseinandersetzung des Künstlers mit unterschiedlichen Naturreichen bereits in dessen frühen Zeichnungen niederschlage. Am intensivsten setzte sich Beuys mit der seelischen und körperlichen Verletzlichkeit auseinander, widmete sich aber auch politischen und gesellschaftlichen Themen. Es wäre interessant zu hören, was er zu den gegenwärtigen Vorgängen gesagt hätte.

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