Seit einem Jahr steht die Welt auf dem Kopf. Die drastischen Corona-Maßnahmen haben nicht nur das politische und gesellschaftliche Leben verändert, sondern auch die Kultur in ihren Grundfesten erschüttert. Wer sich früher als kritischer Künstler ausgab, ist seit der Corona-Krise völlig verstummt. Ihren Platz nehmen nun weniger bekannte Musiker ein, solche, die noch den Mut haben, gegen den Strom zu schwimmen.
Die größte Bewegung ist noch immer im Hip-Hop zu verzeichnen, wo Rapper wie SchwrzVyce, Phizzo oder Kompass MC in regelmäßigen Abständen mit neuen Songs hervortreten. Lautstarker Widerstand regt sich aber auch im Bereich des Rock. Eines der produktivsten Beispiele ist Alex Olivari. Der 54-jährige Singer-Songwriter blickt auf eine lange Musik-Kariere zurück und arbeitete schon mit Leuten wie Paul Carrack, Jennifer Rush oder Bobby Kimball zusammen.
Seine eigenen Lieder waren bis zur Corona-Krise nie politisch, doch sie wurden es, als er nach den gewaltigen Grundrechtseinschränkungen und der medialen Panikmache plötzlich eine gewisse Beklemmung verspürte. „Wenn die Politik mich im Inneren berührt, dann kann auch ich politische Texte schreiben“, sagt der Kölner mit kroatischen Wurzeln. Emotional aufgewühlt scheint er tatsächlich zu sein, wie seine Diskografie seit August letzten Jahres zu verstehen gibt. Innerhalb von acht Monaten hat Olivari fünf Songs produziert, die sich mit der Corona-Politik und ihren gesellschaftlichen Folgen beschäftigen.
Deutschland, zeig dein Gesicht
Der erste Impuls kam nach seinem Sommerurlaub in Kroatien, wo die Menschen weniger verbissen seien als in Deutschland, erklärt der Musiker. Als er wieder in der Heimat war, spürte er eine gewisse soziale Kälte. Die Angst, sich gegen die Maßnahmen zu positionieren, habe förmlich in der Luft gelegen. Um den Menschen Kraft zu geben, schrieb Olivari das Stück «Deutschland, zeig dein Gesicht», in dem er sie auffordert, sich nicht einschüchtern zu lassen.
„Deutschland, zeig dein Gesicht / Wach endlich auf / Kämpf für dein Recht / Lass deine Kinder wieder frei / Lass sie wieder singen / spielen und schreien / Deutschland, zeig dein Gesicht / Fürchte dich nicht“, heißt es in dem Refrain. Das Lied stellt den Mut in den Vordergrund und animiert dazu, für die eigenen Überzeugungen einzustehen. „Haltung, das ist es, was in Deutschland ein wenig fehlt“, moniert Olivari.
Zusammen sind wir stark
In die gleiche Kerbe schlägt der Singer-Songwriter in seinem zweiten coronakritischen Lied. «Zusammen sind wir stark» kommt energischer daher und regt zum Tanzen an. Diese mobilisierende Wirkung entfaltet der Song nicht nur melodisch, sondern auch textlich: „Da ist ein Feuer in deiner Brust / Es sagt dir, dass du aufstehen musst / Für die Liebe / Für die Wahrheit / Für dieses Land“, lauten einige aufpeitschende Zeilen. Der Song appelliert an das Wir-Gefühl und verhilft dazu, Stärke zu finden.
Als Christ weiß Olivari, wie wichtig das ist. Er selber schöpft Kraft aus seinem Glauben, weshalb er als nächstes einen Song schrieb, der eine religiöse Komponente enthält. In «Durch den Sturm» versucht der Musiker, das Dämonische an dem herauszuarbeiten, was während der Corona-Krise passiert. Dem Lied ist ein Zitat des Theologen Dietrich Bonhoeffer vorgestellt, das als Leitmotiv die Stoßrichtung vorgibt: „Die große Maskerade des Bösen hat alle ethischen Begriffe durcheinandergewirbelt. Dass das Böse in der Gestalt des Lichts, der Wohltat, des geschichtlich Notwendigen, des sozial Gerechten erscheint, ist für den aus unserer tradierten ethischen Begriffswelt Kommenden schlechthin verwirrend; für den Christen, der aus der Bibel lebt, ist es gerade die Bestätigung der abgründigen Bosheit des Bösen.“
Durch den Sturm
«Durch den Sturm» ist der Blick eines Christen auf die gegenwärtige Situaton, die sich für ihn dadurch kennzeichnet, dass das Böse im Schafspelz erscheint. Davon sollte man sich nicht täuschen lassen, suggeriert der Song. Stattdessen legt er nahe, auf die Kraft des Glaubens zu vertrauen: „Wir gehen gemeinsam durch den Sturm“, singt Olivari. „Es ist so gut, dass wir uns haben / Und wir sind von guten Mächten getragen.“
Der Aufruf, seine kämpferische Seite zu zeigen, schimmert in jedem seiner Lieder durch. Er mischt sich mit der Kritik an allen, die sich angesichts der Ungerechtigkeit wegducken. Am lautesten äußert sie sich in dem Song «Helden unserer Jugend». Er richtet sich an die Musiker, Aktivisten und Intellektuellen der 68er-Generation, die sich früher gerne als Systemkritiker inszenierten und große Reden schwangen. „Jetzt, wo die Grundrechte mit Füßen getreten werden, zeigt sich, wo die 68er und ihre Ideologie stehen – nämlich nirgends“, sagt Olivari erbost. Er spricht von einem völligen Versagen dieser sogenannten Alt-Linken, deren Hymnen auf die Freiheit sich als inhaltslose Sonntagsreden erwiesen hätten.
„Ihr habt gesagt, dass es weitergeht – hinterm Horizont“, beginnt der Song. „Und dass über den Wolken die Freiheit wohnt / Und eines Tages da kämen die Kinder an die Macht / Doch ich habe das Radio ausgemacht / Ihr Helden unserer Jugend / Wo habt ihr euch versteckt? / Habt ihr den mächtigen da oben die Stiefel geleckt? / Habt ihr die Seiten gewechselt? / Oder wart ihr schon immer da? / Ihr Helden unserer Jugend / Ihr könnt uns alle Mal.“
Finger weg
Der Musiker zeigt in diesem Lied seine Zähne. Das wünscht er sich auch von allen Bürgern. „Mit Meditationen werden wir keinen Blumentopf gewinnen“, sagt Olivari. Er sei entschieden gegen Gewalt, spreche sich aber dafür aus, mit Bestimmtheit in die Offensive zu gehen. „Schließlich wird uns viel weggenommen.“ Man müsse den Mächtigen entgegentreten und ihnen die Grenzen aufzeigen. Das ist auch die Message seines jüngsten Lieds «Finger weg!», in dem der Kölner daran erinnert, wie das Leben früher aussah und wie es sich verändert hat.
„Weißt du noch, wir hingen auf den Demos rum“, stimmt Olivari an „Keiner nahm‘s uns jemals krumm / Heute werden wir Leugner / Und weißt du noch, wir nahmen einfach in den Arm / Die Lieben, die uns wichtig warn / Heute sind wir Gefährder.“ Dieser Kontrast soll die Menschen zum Nachdenken anregen und sie anspornen, die Dinge wieder selber in die eigene Hand zu nehmen: „Finger weg von unserem Leben / Eure Maßnahmen sind einfach nur daneben / Es wird höchste Zeit, dass wir euch kontra geben / Und wir schicken euch in Quarantäne.“