Die Corona-Krise hat auch das Leben der Kinder und Jugendlichen auf den Kopf gestellt. Während der Lockdownzeit verbrachten sie viel Zeit zu Hause und nahmen größtenteils online am Unterricht teil. Doch für manche gestaltete sich auch das sehr schwierig, weil sie entweder eine schlechte Internetverbindung haben oder keine Endgeräte besitzen. Für sie fiel der Unterricht aus, was in einigen Fällen auch an der chaotischen Organisation in den Lehranstalten lag.
Angesichts dieser Erfahrungen drängt sich die Frage auf, wie junge Menschen die Zeit nutzen, wenn sie nicht an die Schule gebunden sind. Diese Frage versucht ein Film durchzuspielen, der bereits kurz vor der Corona-Krise entstanden ist. «CaRabA», zu sehen bei dem Streamingdienst PantaRay, unternimmt ein Gedankenexperiment, dessen Grundidee revolutionär anmutet. Die fünf Protagonisten Saskia (24), Max (15), Nuri (8), Lovis (14) und Janne (15) beschreiten in einer ungewöhnlichen Bildungslandschaft ihren individuellen Weg, indem sie in einer Welt ohne Schulen aufwachsen. Für sie wird das Leben selbst zu einer Lehranstalt, in der sie ihren eigenen Interessen folgen können.
Als Episodenfilm angelegt, führt «CaRabA» die fünf jungen Menschen zunächst in ihrem gewohnten Umfeld ein, um jeweils einen kleinen dramatischen Bogen zu schlagen und die jeweiligen Geschichten miteinander zu verweben. Die 24-jährige Saskia arbeitet an einem Schlafmittel, während der weitaus jüngere Nuri im Taxi seines Vaters mitfährt und die Fahrgäste interviewt. Weniger ambitioniert ist die in der Pubertät befindende Janne, der es anfangs noch nicht gelingt, einem Ziel zu folgen. Doch dann zieht sie von Zuhause aus und entwickelt den Wunsch, Feldforschung über Familien zu betreiben. Der 15-jährige Max versucht sich hingegen als Maler, indem er die Werke Abrecht Dürers als Inspirationsquelle nutzt. Und Lovis, verträumt wie ungeduldig, lässt sich treiben, bis er sich mit dem Wesen der Zeit zu beschäftigen beginnt.
So unterschiedlich wie der Lebensalltag der fünf Figuren sind auch die Hürden, die sie in dieser Welt ohne Schule nehmen müssen. Die Konflikte sehen zwar anders aus, als gewöhnliche Schüler sie kennen, haben aber die gleiche Wirkung auf die charakterliche Entwicklung. Die jungen Protagonisten müssen Niederschläge verkraften und geraten in Situationen, die von ihnen Entscheidungen abverlangen. Dass sie diese Aufgabe meistern, liegt bereits in der Filmidee begründet. Saskia, Max, Nuri, Lovis und Janne geben sich ihren Interessen mit Leidenschaft hin, weshalb sie streckenweise sogar wie reife Persönlichkeiten wirken.
Angesichts dieses Verhaltens ist man als Zuschauer geneigt, darüber nachzudenken, ob sich charakterliche Reife erst mit dem Alter einstellt oder eher zu dem Zeitpunkt, wenn Menschen – und seien sie noch so jung – eine gewisse Sinnhaftigkeit in einer Tätigkeit erkennen. Solche und andere Fragen wirft der Film am laufenden Band auf. Er ist an vielen Stellen anregend und lädt zu einer gedanklichen Reise in die eigene Schulzeit ein. Wer sie Revue passieren lässt, wird der Aussage des Films sicherlich zustimmen: Kinder und Jugendliche lernen mehr, wenn sie die Inhalte selbst wählen dürfen. Fremdbestimmung ist da eher kontraproduktiv. Natürlich entwickelt «CaRabA» eine Utopie, aber eine, die es wert ist, verwirklicht zu werden.