Vor genau drei Jahren gingen mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straßen, um gegen die harte Maßnahmen-Politik zu demonstrieren. Die ersten großen Proteste fanden in Berlin statt. Es folgten weitere in Leipzig, München und Stuttgart. Wer an ihnen teilnahm, erlebte Geschichte hautnah. Der Fotograf Martin Lopez hat sie in Bildern festgehalten. In ihnen drückt sich das Zeitgeschehen aus, wie es sich damals für die Menschen anfühlte. Sie konservieren die damalige Stimmungslage und tradieren der Nachwelt einen Realitätsausschnitt, den das heutige Establishment mit allen Kräften auszuradieren versucht.
Er habe damals die Atmosphäre auffangen wollen, sagt der 44-Jährige heute, nachdem die Corona-Zeit der Vergangenheit angehört. Lopez interessierte sich für die Menschen auf den Demonstrationen. Waren sie wirklich so „böse“, wie es in den Leitmedien hieß. „Was ich dann vorfand, war der Querschnitt der Gesellschaft“, sagt er rückblickend. Diesen Befund hat er dokumentiert in ausdrucksstarken Momentaufnahmen. Auf seinen Bildern sind friedliche Menschenmassen zu sehen, über denen hier und da Transparente prangen. „Wacht auf“, steht dort geschrieben, „Grundrechte sind keine Privilegien“.
Massive Polizeieinsätze
Besonders originelle Plakate lichtete Lopez im Großformat ab, genauso wie Szenen, in denen einzelne Demonstrationsteilnehmer mit ihren Händen Herzchen formen, euphorisch die Arme in die Luft werfen oder zur Musik tanzen. Allerdings ging es bei den Demonstrationen nicht immer entspannt zu. Massive Polizeieinsätze trübten die Stimmung, wie Lopez in einer Fotoserie dokumentiert hat. Mehrere behelmte Beamte mit Hunden erinnern an die damalige Drohkulisse, die zwischen 2020 und 2021 von Mal zu Mal an Intensität gewann. Wer diese Bilder sieht, spürte das Grauen, wenn etwa Polizeikräfte friedliche Demonstranten rabiat abführen oder sich martialisch vor ihnen gruppieren.
Seine Leidenschaft für Fotografie habe er vor knapp 15 Jahren entdeckt, erzählt Lopez. Fotografieren sei für ihn wie Sprechen. „Während unsere Sprache aus dem Wortschatz der Grammatik und dessen Reihenfolge besteht, besteht Fotografie wohl aus dem Wechselspiel von Licht, Farbenspiel, Gestik, Ästhetik und der Kunst, eine Harmonie daraus zu erschaffen“, so Lopez, der in Lichtenfels in Oberfranken wohnt. „Gute Fotos treffen Herzen, haben Tiefgang, erzählen Geschichten und regen zum Nachdenken an. Oder sind einfach nur schön.“ Auf seine Demonstrationsreihe trifft diese Definition zu. Sie weckt Emotionen und fordert feinfüllig dazu auf, sich mit den festgehaltenen Ereignissen zu beschäftigen.
Im Reportagestil
Er habe sich um einen Reportage-Stil bemüht, sagt Lopez: „Ich habe einfach das fotografiert, was vor der Kamera war.“ Die Bilder sollten nicht gestellt oder idealisiert wirken. „Es ging mir darum, interessante Szenen zu erahnen.“ Deswegen habe er quasi aus der Hüfte fotografiert, mit einer unauffälligen Leica Kamera. Seine Kritiker sahen das anders und monierten, dass er die „Rechtsradikalen“ ausgelassen habe. Lopez weist diesen Vorwurf zurück: „Ich hätte sie ebenfalls fotografiert. Nur fand ich keine vor.“ Seine Bilder versteht er daher als Aufnahmen, die das Zeitgeschehen aus seiner Perspektive dokumentieren. Zu sehen sind sie auf Lopez’ Webseite. Auf YouTube hat der Fotograf zudem ein Video veröffentlicht, in dem einige Bilder aus der Demonstrationsreihe zusammenmontiert sind und hintereinander ablaufen.
Zum gleichen Kniff hat Lopez gegriffen, um die Früchte seiner jüngsten Vietnam-Erlebnisse zu präsentieren. Reisefotografie gehört genauso zu seinen Schwerpunkten wie Porträts, Architektur, Menschen oder Landschaften. Mittlerweile ist ein beachtliches Ouevre entstanden, das Lopez bislang nur im Internet einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen konnte. Für eine analoge Ausstellung wäre er durchaus offen, sagt der Fotograf. „Allerdings ist es recht schwer, eine zu organisieren. Das Interesse an Fotografie ist eher mau.“ Bleibt zu hoffen, dass es durch seine Arbeiten geweckt wird.
Titelbild: Martin Lopez