Der Politikwissenschaftler Rudolph Bauer hat die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen der Corona-Zeit kritisch kommentiert, sie jedoch nicht nur publizistisch, sondern auch künstlerisch verarbeitet. Neben formal vielschichtigen Gedichten entstanden kreative Bildmontagen, die in drei Bänden den Maßnahmen-Wahnsinn dokumentieren. «Anti-Maulkorb» etwa versammelt alle Arbeiten aus 2020 und beschäftigt sich mit dem damals neuen Phänomen des sogenannten Mundnasenschutzes, der auf den Bildmontagen variiert. Mal kommt er als Gasmaske zum Einsatz, mal als Stoff aus dem Reservoir häuslicher Textilien, auf dem manchmal Botschaften stehen. „Wat mutt, dat mutt!“, liest man zum Beispiel auf einem Exemplar einer älteren Dame, die den „Untertanengeist“ repräsentiert, während hinter ihr Patienten abtransportiert werden. Man erkennt ihnen die Opfer des Nationalsozialismus, die das Regime damals in eine Heilanstalt für Euthanasie wegverfrachten und schließlich töten ließ.
Indem Bauer diesen historischen Bezug herstellt, deutet er zugleich eine Verbindung zwischen der Corona-Politik und der NS-Medizin an. Die Bildmontagen, sagt Bauer, seien unter anderem ein Mittel gewesen, mit den „drakonischen Zumutungen durch inhumane Vorschriften und polizeiliche Gewalt bei Demonstrationen“ fertig zu werden. Sie hätten gewissermaßen eine „psychische Reinigung“ ermöglicht. Das war jedoch nur ein Motiv. Unabhängig von der persönlichen Auseinandersetzung mit der Corona-Politik sollten die Bildmontagen in künstlerischer Form Kritik üben und ein Zeichen des Widerstands setzen. Worin die Stärke dieser Gattung liegt, erklärt Bauer so: „Bildmontagen intervenieren bzw. korrigieren und verändern das Bestehende.“ Sie provozierten und nähmen Stellung, mal parodistisch und satirisch, mal karikaturenhaft und heiter-spielerisch.
Wirklichkeit wird in Bewegung gebracht
Wer die kleinen Werke in den drei Bändern betrachtet, findet diese Ansätze in verschiedener Form umgesetzt. In dem Band «Charakter-Masken» teilt Bauer den Kopf von Bill Gates und lässt die beiden Hälften spielerisch mit denen Angela Merkels und Christian Drostens verschmelzen. Eine andere Arbeit karikiert Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) als Heinrich Manns «Untertan», der vor einem Kavallerie-Soldaten mit Pickelhaube eine Maske trägt und dabei den Eindruck erweckt, als passte er hervorragend in die Zeit um 1900. „Bildmontagen bringen die Wirklichkeit in Bewegung“, erklärt Bauer ihre Wirkkraft. „Sie zeigen sie als form- und gestaltbar, veränderbar. Sie lassen uns hoffen: Das Gewohnte, Regelhafte und Gewöhnliche wird dialektisch infrage gestellt und erschüttert, anders eingeordnet, in einen nicht erwarteten überraschenden Zusammenhang gebracht.“
Besonders ausgeprägt ist diese Herangehensweise in einer Arbeit, auf der das ikonische Bild der Trias Marx, Engels und Lenin so verfremdet wird, dass die prominenten Kommunisten jeweils drei rote Masken mit Hammer und Sichel tragen und auf diese Weise als konforme Zeitgenossen auftreten. Dominiert in den ersten beiden Bildmontage-Bändern noch der Mundnasenschutz, wird in dem dritten die Impfkampagne thematisiert. Die Spritze ist Teil fast jedes Motivs und dient bisweilen dazu, bekannte Kunstwerke umzugestalten. Auf dem Bild Pieter Brueghel des Älteren etwa fungiert sie zum Schnabel der Vögel, während sie auf einer Arbeit Emil Noldes als Heilsbringung erscheint. «Warten auf die Injektion», hat Bauer diese Bildmontage aus dem Band «Ge(n)impft» genannt.
Zitate bekannter Persönlichkeiten
Der Titel dieses Heftes verweist darauf, dass der Künstler in dem Vakzin weniger eine echte Impfung sieht als ein genmanipulierendes Produkt. In einer Bildmontage bringt Bauer diesen Aspekt mit dem Transhumanismus in Verbindung, indem er die Spritze zu einem Instrument umfunktioniert, das an den Gehirnelektroden eines Roboters arbeitet. Über diesem Bild findet sich ein Zitat des französischen Soziologen Pierre Bourieu: „Um die einzigartige Rolle der Sozialwissenschaften, nämlich die eines trojanischen Pferdes, (…) verstehen zu können“, so der Auszug aus dessen Werk «Homo academicus», „muss man sie in die beiden Räume zurückversetzen, an denen sie mehr oder minder partizipieren: die philosophischen und die naturwissenschaftlichen Fakultäten.“
Solche Zitate ergänzen jede Bildmontage und stammen von bekannten Persönlichkeiten, meist von Intellektuellen und hochkarätigen Vertretern der Geistesgeschichte. Er habe sie als rahmenden Abschluss jeder Seite benutzt, erklärt Bauer. Sonst wäre das Papier oben nackt. „Eine Verschwendung“, so der Künstler. Auf der inhaltlichen Ebene komme ihnen die Funktion zu, „historische, thematische und politische Bezüge zur Corona-Gegenwart“ zu transportieren. Auf diese Weise entstehe eine Art Gesamtkunstwerk mit bildnerischen und literarischen Anteilen, wobei die Zitate zusätzlich zur Lektüre der erwähnten Schriften anregen sollen.
Bauers Bildmontagen stammen alle aus den Jahren 2020 bis 2022 und stehen bei ihm als Kunstform in einer Schaffenstradition, die in den 1980er Jahren mit Plakatabrissen und Plakatmontagen begonnen hat. „Die ersten Bildkombinationen verwendeten Material aus Illustrierten und waren zum Teil übermalt“, erzählt der Bremer. „Collagierte Bildmontagen entstanden ab 2000, zunächst mit dadaistischen oder surrealistischen Motiven, vor allem aus Modejournalen, die sich vermehrt mit konsum- und zunehmend militarismuskritischen Elementen verknüpften. Bauer hat dieses Genre nun auf das Feld der Gesundheitspolitik gezogen, um es dort als Spiegel zu verwenden, in dem die gesellschaftlichen Effekte in ihrer Abscheulichkeit sichtbar werden.
«Anti-Maulkorb», pad-Verlag 2023, 57 Seiten; ISBN 978-3-88515-345-0; 9 Euro;
«Charakter-Masken», pad-Verlag 2023, 79 Seiten; ISBN 978-3-88515-351-8; 9 Euro;
«Ge(n)impft», pad-Verlag 2023, 66 Seiten; ISBN 978-3-88515-357-3; 9 Euro;
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