So allmählich fährt die Kulturbranche wieder hoch. Doch die Künstler haben noch immer Schwierigkeiten, Veranstalter zu finden. Bis sich der Betrieb normalisiert, wird es wohl noch einige Monate dauern. Davon geht unter anderem der Kölner Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier aus, der nebenbei Mitinhaber der Veranstaltungsagentur KPK Musik ist. Wie andere Institutionen in der Branche musste sie wegen der Corona-Maßnahmen den Betrieb von einem Tag auf den anderen einstellen. „Im Januar 2020 war ich noch in Australien und organisierte eine Konzerttournee“, erinnert sich Sattelmaier. „Wenige Monate später war die Kulturbranche lahmgelegt.“ Daran sollte sich das ganze Jahr über nichts ändern.
Frischer Wind wehte erst 2021, allerdings glich er eher einem lauen Lüftchen als einem Sturm, der auch derzeit ausbleibt. Obwohl Kultureinrichtungen wieder uneingeschränkt öffnen dürfen, ist der Weg zur Normalität steinig und schwer. „Es ist ein komplexes Geschäft, bei dem man viel planen muss“, sagt Sattelmaier. „Und das geht nur mit Zeit.“ Der Rechtsanwalt hat sich in das Veranstaltungswesen noch während des Studiums hineingearbeitet, nicht über eine klassische Ausbildung, sondern durch „Learning by doing“, wie er sagt. Irgendwann vor 15 Jahren gründete der gebürtige Kölner zusammen mit zwei Partnern die KPK Musik, die sich ausschließlich auf Klassik konzentriert. Ihr Geschäftskonzept ist recht simpel: Unter der Bezeichnung «Kammerphilharmonie Köln» versammelt sie Musiker, mietet für die Auftritte Räumlichkeiten an, betreibt Werbung und führt die Veranstaltungen durch. Gespielt wird in Konzerthallen, aber auch in Kirchen. „Wir wollen möglichst viele Menschen generationenübergreifend für klassische Musik begeistern“, heißt es auf der Homepage.
Lange Planungszeit
Bis zur Corona-Politik organisierte man weltweit noch ca. 200 Veranstaltungen im Jahr, ob in Neuseeland, in Frankreich, Spanien oder auf den Britischen Inseln. „Dieses Niveau haben wir noch immer nicht erreicht“, so Sattelmaier. Die Gründe seien vielfältig. Als den größten bezeichnet er die fehlende Planungssicherheit. In der Wirtschaft sei diese das A und O – so auch im Veranstaltungsgeschäft. Konzerte und andere Kulturevents müssen mindestens ein halbes Jahr im Voraus geplant werden. „Meistens sogar noch länger“, unterstreicht der Rechtsanwalt. Das gelte für Veranstaltungen mit 100 bis 500 Zuschauern, wie sie seine Agentur organisiert. Für größere Konzerte müsse sogar ein noch längerer Zeitraum anberaumt werden.
Die Planung erweist sich jedoch als schwierig, wenn Politiker wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ständig Panik verbreiten und von möglichen neuen Maßnahmen sprechen. Auf viele Veranstalter wirkt das hemmend. „Einige Kirchen oder Konzerthallen haben nicht einmal Programme ausgearbeitet“, bemerkt Sattelmaier. Es herrsche noch immer eine große Verunsicherung, weshalb er davon ausgeht, dass sich der Betrieb auf globaler Ebene erst 2023 normalisiert. Diesen Zeitpunkt setzt sich auch seine Agentur als Rahmen, um wieder Konzerte in Australien zu organisieren. „Allerdings wissen wir nicht, wie das politische Klima dort sein wird – ob es Einschränkungen gibt, Hygienemaßnahmen oder Zustände wie früher.“
Finanzielle Schwierigkeiten
Die Corona-Maßnahmen hätten den Betrieb „zerschossen“, so der Rechtsanwalt. Veranstalter müssten nicht nur mit der fehlenden Planungssicherheit kämpfen, sondern mit finanziellen Schwierigkeiten. Tatsächlich gehen die Zuschauerzahlen stetig zurück, was unter anderem an der Inflation, der noch immer existierenden Angst vor Corona oder an den durch die Politik verursachten Problemen liegt, die viele Menschen zunächst lösen müssen, bevor sie sich dazu entschließen, ein Kulturevent zu besuchen. Einige Veranstalter haben die Zeit der Schließungen gar nicht überlebt. Nicht besser erging es den freien Musikern, auf die sich Sattelmaiers Agentur konzentriert. „Viele mussten sich während der Corona-Zeit andere Jobs suchen und an der Tankstelle oder Supermarktkasse arbeiten“, sagt er. Als weitaus problematischer habe sich jedoch erwiesen, dass sie regelmäßig üben mussten, es aber nicht konnten, weil ihnen aufgrund der Maßnahmen sowohl Zusammenkünfte als auch der Zugang zu Räumlichkeiten verwehrt wurde.
Nachdem die Einschränkungen größtenteils aufgehoben worden sind, wollen die freien Musiker wieder spielen und kommen zurück. Der Andrang sei groß, erklärt Sattelmaier: „Wir haben derzeit ein Überangebot an freien Musikern.“ Das lässt sich nicht nur im Klassikbereich beobachten. Ob in Pop, Rock oder Hip-Hop, ob im Kabarett oder Comedy, überall suchen freischaffende Künstler händeringend nach Veranstaltungsmöglichkeiten – vor allem die regierungskritischen unter ihnen, denen nicht nur Lokationbetreiber, sondern auch woke Aktivisten das Leben schwer machen. Sattelmaier unterstützt sie, wo er kann, und wirft dabei seine langjährigen Erfahrungen in der Veranstaltungsbranche in die Waagschale. Profitiert davon haben unter anderem Künstler wie der Stand-up-Comedian Nikolai Binner oder die Gaststätten s’Reiwerle, Platzhirsch und den Kölner Hinterhofsalon. Sie und andere Vertreter aus dem Kulturbereich müssen sich derzeit in einem Betrieb zurechtfinden, der zwar noch sehr unübersichtlich ist, aber sich auch neu strukturiert und somit neue Chancen bietet.
Ein wichtiger Grund für den Besucherschwund wird gern vergessen:
Es gibt viele welche Maßnahmen wie Kontakterfassung, 3G/2G-Passierscheinregime, Maskenpflicht etc. nicht unterstützen wollen, sei es aus freiheitsrechtlichen, datenschutzrechtlichen oder gesundheitlichen Gründen, und daher voneinem Besuch abgesehen haben oder erst gar keinen Zutritt erhalten hätten.
Viele davon haben sich währenddessen umorientiert, bevorzugen private Treffen oder sind auf andere Freizeitbeschäftigungen umgestiegen. Und nicht wenige haben sich gemerkt welche Lokalitäten und Betreiber es mit den Maßnahmen besonders übertrieben und damit ehemalige Besucher nachhaltig vergrätzt haben.