Die Zahl kritischer Musiker, die sich in ihren Songs mit der Corona-Krise auseinandersetzen, wächst von Tag zu Tag. Die meisten von ihnen kommen aus dem Kreis der Rapper. Warum gerade sie ihre Stimme erheben und sprachgewaltig die gegenwärtigen Missstände anprangern, lässt sich unter anderem damit erklären, dass Sprechgesangskünstler in einem Hip-Hop-Lied viel mehr Message unterbringen können. Es gibt aber noch einen anderen Grund: Fast alle sind Newcomer und von großen Labels unabhängig.
Zu ihnen gehört auch der Hamburger Independent-Künstler Qdenka, der zusammen mit seinem Dortmunder Kollegen Kompass MC ein Lied veröffentlicht hat, das sich direkt auf das neue Infektionsschutzgesetz bezieht. Da es die Grundlage dafür bildet, in Pandemiezeiten die Grundrechte außer Kraft zu setzen, fällt der Song mit dem Titel «D.G.W.S.» sehr kritisch aus. Die beiden Rapper ziehen darin einen Vergleich zwischen den Jahren 2020 und 1933, als sich totalitäre Strukturen herauszubilden begannen. „Sie ändern die Gesetze / Nur zum Schutze der Bevölkerung / 1933 / Die Geschichte wiederholt sich“, heißt eine markante Punchline.
Nun gibt es Kritiker, die behaupten, dass derartige Vergleiche den Nationalsozialismus verharmlosen. Solche Anschuldigungen kann Qdenka nicht verstehen: „Nur weil man eine Zahl nennt, ist es keine Verharmlosung. Eine Verharmlosung wäre es, wenn man die Taten der Nationalsozialisten kleinreden würde. Das tun wir aber nicht.“ Es sei eher umgekehrt: „Alle, die solche Vergleiche kritisieren, verharmlosen die gegenwärtige Situation.“
Denn die die totalitären Tendenzen seien kaum zu übersehen. Der gesellschaftliche Druck auf Menschen, die eine andere Meinung als die Regierung vertreten, wachse. Wer nicht auf Linie sei, werde gemobbt, ausgegrenzt und beleidigt. Wer keine Maske trage, müsse sogar mit Gewalt rechnen. Das Denunziantentum werde mittlerweile staatlich gefördert. „Die Parallelen zwischen 1933 und 2020 sind klar erkennbar. Die Sprache ist rauer geworden, der Staat mächtiger und übergriffiger“, so der 39-Jährige.
Von Gangster- zu Conscious Rap
Qdenka war jedoch nicht immer politisch. Als er vor knapp 20 Jahren zu rappen begann, folgte er dem Trend von Hip-Hop-Künstlern, die in ihren Texten ein kriminelles Leben zelebrieren. Bis Februar dieses Jahres entsprachen seine Songs dem Klischee des klassischen Gangsterraps. Doch dann kam die Corona-Krise und mit ihr der Wunsch, den Dingen auf den Grund zu gehen. Qdenka versank im Internet und recherchierte, angetrieben von den beinahe täglichen Veränderungen in der Gesellschaft. Schnell stieß er auf Widersprüche medialer wie staatlicher Narrative und verstand, dass nichts so ist, wie es scheint.
Während sich die Verhältnisse verschlimmerten, die gesellschaftlichen Gräben tiefer wurden und die Wirtschaft einbrach, fragte sich der 39-Jährige, was er tun, wie er helfen könnte. Also konzentrierte er sich auf das, was seine Stärke ist: das Rappen. Momentan produziert er einen Song nach dem anderen, die Ideen kommen schneller, als er sie verarbeiten kann. Dabei entstehen auch Kollaborationsprojekte mit Kollegen wie Kompass MC. Ihren Song «D.G.W.S.» haben die beiden innerhalb kurzer Zeit aufgenommen und zwei Tage vor der Abstimmung zum neuen Infektionsschutzgesetz veröffentlicht.
In ihm warnen sie davor, dass die gesetzlichen Neuerungen Tür und Tor öffnen für staatliche Willkür. „Die Regierung erhält mit dem neuen Infektionsschutzgesetz zu viel Macht. Wenn sie in Zukunft ihre Politik gegen öffentlichen Druck durchsetzen will, braucht sie nur eine Pandemie auszurufen – und schon kann sie so gut wie alle Grundrechte einschränken“, sagt Qdenka. Am meisten stört ihn, dass diese einschneidenden Gesetzesänderungen vorher weder in den Leitmedien noch im Parlament groß diskutiert wurden. Ihr Song sollte deshalb die Menschen aufwecken, sie zum Nachdenken bringen. Dementsprechend polarisierend und provokant sind die Zeilen. Sie sprechen das aus, was vor allem etablierte Künstler sich nicht zu sagen trauen.
Gebracht hat es bekanntlich wenig. Das neue Infektionsschutzgesetzt passierte den Bundestag und den Bundesrat, bevor es auch der Bundespräsident unterzeichnete. Aufgeben will Qdenka aber nicht. Er produziert fleißig weiter und arbeitet daran, mit seiner Musik wieder demokratische Verhältnisse herzustellen.