Verbale Entgleisungen, Streitigkeiten mit den Kollegen und Mobbing können den Arbeitstag zur Hölle machen. Wie es sich anfühlt, demonstriert der Protagonist in Visar Morinas Drama «Exil». Xhafer (Mišel Maticevic), im Kosovo geboren, führt mit seiner Frau und drei Kindern ein normales bürgerliches Leben in einer mittelgroßen deutschen Stadt. Als Pharmaingenieur darf er sich über eine interessante und prestigeträchtige berufliche Tätigkeit freuen, wären da nicht seine gehässigen Kollegen und Vorgesetzten.
Von ihnen wird Xhafer ständig schikaniert – subtil, aber deutlich. Ihm werden Informationen vorenthalten, die für seine Arbeit wichtig sind. Man macht sich lustig über seinen Nachnamen, schmunzelt über seinen Akzent. Der Terror verfolgt ihn sogar bis in den Privatbereich, wo mal eine tote Ratte an seinem Gartentor hängt oder der Kinderwagen brennt. Xhafer führt diese Angriffe auf seinen Migrationshintergrund zurück und unterstellt rassistische Motive, findet mit seinen Vermutungen aber kein Gehör, selbst nicht bei seiner Frau Nora (Sandra Hüller). Als der tägliche Stress zunimmt, gerät die Situation außer Kontrolle.
Regisseur Visar Morina verzichtet dabei auf actionreiche Szenen, sondern inszeniert den Bürokrieg in ruhigen, unaufgeregten Bildern. Mit jedem neuen Vorfall steigt die Spannung ins Unermessliche. Die Handlung gewinnt zunehmend an Intensivität und bleibt anders als bei ähnlichen Produktionen bis zum Schluss unvorhersehbar. Obwohl sich Xhafers Ansichten bestätigen, kommen nach und nach Zweifel an seiner Version auf. Morina spielt geschickt mit den Zuschauern, indem er für das Schicksal seines Protagonisten verschiedene Erklärungsansätze liefert, ohne das Rätsel aufzulösen.
Ein atmosphärisch dichtes Meisterwerk
«Exil» handelt von der Identitätskrise eines gestanden Mannes, der in einem fremden Land selbst nach mehreren Jahren nicht heimisch wird. Diese Zerrissenheit spiegelt sich in Xhafers gequältem und nach innen gerichtetem Blick, mit dem Mišel Maticevic seiner Figur Authentizität verleiht. Der Schauspieler mit kroatischer Abstammung mimt gewöhnlich Typen mit krimineller Energie. In «Exil» zeigt er jedoch, dass er ein hervorragender Charakterdarsteller ist, der aus einem breiten Repertoire schöpfen kann.
Maticevics ausdrucksstarke Performance und Morinas vielschichtige Regiearbeit machen den Film zu einem atmosphärisch dichten Meisterwerk. Er gehört zweifellos zu den besten der letzten Jahre und überzeugt dadurch, dass er die Zuschauer auf kluge Art mit den eigenen Vorurteilen konfrontiert, ohne den Zeigefinger zu erheben.
– Von Visar Morina, mit Mišel Maticevic, Sandra Hüller, Rainer Bock, Produktionsland: Deutschland, Anbieter: Alamode Film