Der Protest gegen die Corona-Politik wird in der Kulturbranche lauter und lauter. Nicht nur dass Künstler zunehmend Gesicht zeigen und es wagen, Kritik zu äußern – es entstehen auch immer mehr bunte Projekte, an denen sich verschiedene Akteure beteiligen. Eines der profiliertesten ist das Album «Protestnoten». Es enthält überwiegend poetische Stücke, die vertont werden. Als treibende Kraft fungiert der Lyriker und Musiker Jens Fischer Rodrian, ein Künstler mit langjähriger Bühnenerfahrung. Der Berliner war schon mit dem Liedermacher Konstantin Wecker auf Tour und trat mehrfach als Slam-Poetry-Artist auf. Im letzten Jahr veröffentlichte er das Stück «Es gibt ein Leben vor dem Tod», das mit seiner poetischen Kraft für Furore sorgte.
Das Werk ist halb Song, halb Gedicht. Die Verse werden zwar musikalisch vertont, aber nicht gesungen. In diesem Stil kommen fast alle Stücke des «Protestnoten»-Albums daher – mit Ausnahme dreier Electro-Tracks. Unter den teilnehmenden Künstlern finden sich Namen wie Uli Masuth oder Roland Rottenfußer, aber auch exponierte Kritiker der Corona-Politik. Am bekanntesten dürften der Internist und Politiker Wolfgang Wodarg sowie der Philosoph Gunnar Kaiser sein. Das Album soll dazu beitragen, klugen Stimmen aus Kunst und Kultur Gehör zu verschaffen. Es setzt ein Zeichen und bringt zum Ausdruck, dass keineswegs alle Kulturschaffenden die Corona-Maßnahmen für gerechtfertigt halten. Sie wollen nicht schweigen, sondern ihre Kritik pointiert in die Öffentlichkeit tragen.
Crowdfunding-Abenteuer
Erscheinen soll das Album bei der Komplett-Agentur A-MAZE-ING music, deren Geschäftsführer Matthias Niemyt die CD-Veröffentlichung auf Anfang nächsten Jahres gelegt hat. „Zuvor wird es ein Release-Konzert geben“, sagt er. Um das Projekt zu realisieren, sammelt das Team um Niemyt Geld über Crowdfunding ein. Zunächst sollte das auf der Plattform WEMAKEIT geschehen. Doch es kam anders als geplant. Nachdem die Sammelaktion auf der Crowdfunding-Plattform gestartet war, dauerte es keine 24 Stunden, bis WEMAKEIT sie löschte. „Es verstößt gegen unsere Richtlinien“, lautete die Begründung. „Es dürfen keine diffamierenden, anstößigen und rechtswidrigen Informationen verbreitet werden. Insbesondere betrifft dies pornografische, rassistische, volksverhetzende oder vergleichbare Inhalte.“
Keiner dieser Punkte trifft auf das «Protestnoten»-Album zu, weshalb Niemyt die Kritik an der Corona-Politik als eigentlichen Grund vermutet. „Man fürchtet schlechte Presse und hat Angst, mit sogenannten Querdenkern in Verbindung gebracht zu werden“, kommentiert er die Löschung. „Hier wird ganz offensichtlich mit Kontaktschuld gearbeitet.“ Das Protestnoten-Team ließ sich von dieser Erfahrung aber nicht entmutigen. Zwar hätte es gegen die Löschung juristisch vorgehen können, aber das würde nur Zeit, Energie und Kosten in Anspruch nehmen. Die wollte man eher positiv nutzen, erklärt Niemyt: „Wir haben einfach eine Crowdfunding-Aktion auf unserer eigenen Homepage gestartet.“
Buch zum Album
Das sei zwar mit mehr Arbeit verbunden gewesen, dafür entfielen Gebühren, die WEMAKEIT für ihre Dienstleistung verlangt. „Insofern profitieren wir eigentlich von der Löschung“, freut sich Niemyt. Ein großer Vorteil bestehe darin, dass sie die eingenommenen Gelder nicht einzeln an die Funder zurückzahlen müssen, wenn der Zielbetrag nicht erreicht wird. Der liegt bei 5.000 Euro. Dass die Aktion erfolgreich verläuft, ist sich Niemyt sicher. Bislang sei der Großteil eingesammelt worden, obwohl die Aktion erst am 1. Dezember online ging. Doch was passiert, wenn der eingenommene Betrag unter 5.000 Euro bleibt? „Wir werden das Projekt auf jeden Fall realisieren“, verspricht Niemyt. „Notfalls legen wir den Rest aus der eigenen Tasche drauf.“
Zusätzlich zum Album ist ein Buch geplant, bei dem der Philosoph Gunnar Kaiser als Herausgeber dienen soll. Inhaltlich wird sich der Sammelband aus den vertonten Texten der «Protestnoten»-CD zusammensetzen, aber auch aus solchen, die erst auf der Folgeplatte erscheinen. Neben lyrischen Werken finden die Leser im Buch geistreiche Essays sowie beschreibende Porträts der teilnehmenden Künstler, von denen einige bei der Aktion #allesaufdentisch mitwirkten. Während sie in mehreren Kurzgesprächen ihre Erfahrungen erläutern, stellt Jens Fischer Rodrian in einem ganz persönlichen Text seinen Weg in den Widerstand dar. Das Buch soll im Rubikon-Verlag ebenfalls Anfang nächsten Jahres erscheinen. Wer es kauft, bekommt die «Protestnoten»-CD gleich dazu.