Comeback nach zwei Jahren – Musikkabarettist Franz Esser startet mit neuem Programm durch

Die Corona-Politik hat das Leben vieler Kleinkünstler durcheinandergebracht, sodass so mancher von ihnen sich in den letzten zweieinhalb Jahren neu erfinden musste. Franz Esser zählt sicherlich dazu. Vor Corona trat der Musiker, Schauspieler und Kabarettist dreißig Jahre lang mit einem vierköpfigen Ensemble auf, um das Publikum zu unterhalten. „Um politische Themen ging es dabei nicht“, sagt der 53-Jährige aus München. „Eher um Spaß an der Freude. Esser beschreibt das Programm als Musikkabarett, als eine Mischung aus Performance, Gedichten und Liedern. Das ging lange Zeit gut, bis die Maßnahmen kamen und das Ensemble aufgrund unterschiedlicher Meinung zur Corona-Politik auseinanderbrach. Esser sieht sie sehr kritisch, stößt sich an den vielen Widersprüchen und den unmenschlichen Zwangsverordnungen von oben. Ihm missfällt aber auch die gesellschaftliche Entwicklung in Folge der Corona-Politik, mit der autoritärer Regierungsstil, Denunziantentum und Konformitätsdruck wieder salonfähig wurden.

Was in den letzten zweieinhalb Jahren geschah, brachte Esser zum Nachdenken, weshalb er sich erst einmal eine künstlerische Pause gönnte. Die scheint nun vorbei zu sein. Er habe sich „aus der Lethargie herausgeholt“ und die Geschehnisse nicht nur in einem Solo-Programm verarbeitet, sondern in vielen kurzen musikkabarettistischen Kurzvideos. Zu finden sind sie in seinem eigenen YouTube-Kanal, den Esser kontinuierlich füttert. Wer sich die Clips anschaut, merkt sofort, dass der Künstler politischer geworden ist. Davon zeugt unter anderem das jüngste Werk mit dem Titel «Der liebe Gott is’ b’schäftigt», eine wienerische Variation des Originals von Tom Waits’ «God’s Away On Business», nur mit einem Schwenker auf die heutige Zeit, wie sie sich ihm darstellt. „Mia hab’n die besten Leit ang’stellt / Kriminelle, Lügner und Mörder“, heißt es an einer Stelle. Esser begründet diese Zeile mit dem Cum-Ex-Fall des Bundeskanzlers Olaf Scholz. „Der ist in den größten Finanzskandal der Nachkriegsgeschichte verwickelt – und es passiert trotzdem nichts“, so der Künstler.

Das Schiff geht unter

Und dass die Entscheidungsträger lügen, zeige sich beinahe täglich, wenn sie sich in Widersprüche verwickeln. Was das für die Gesellschaft und das Land bedeutet, bringt eine andere Zeile auf den Punkt: „Das Schiff geht unter / Das Schiff geht unter / Das Schiff geht unter.“ Esser hat Waits’ Original aus dem Englischen übernommen, es aber an manchen Stellen angepasst. Das macht er gerne. Es seien Übersetzungen von Liedern, die sich in letzter Zeit aus der Erinnerung zurückmeldeten, so wie zum Beispiel «My Body, my Car» des Gesangsduos Godley & Creme. Esser hat daraus «Mei Körper der Benz» gemacht, mit einer Anspielung darauf, dass in Folge der Corona-Krise die Vorstellung entstanden ist, der Körper könnte wie ein Wagen einfach in die Werkstatt gefahren werden. „Man bekommt ein Medikament, und dann fährt man weiter“, erläutert der Künstler ironisch. Die heutige Ärztegläubigkeit habe absurde Züge angenommen, so Esser. Das stelle er besonders dann fest, wenn Menschen in Gesprächen bei Symptomen sofort danach fragen, ob man schon beim Arzt gewesen sei.

Franz Esser

Andere seiner Videos kommen ganz ohne Gegenwartsbezüge aus. In einigen von ihnen stellt Esser zum Beispiel originelle Platten vor, die er in seiner Schaffenspause sortierte und neu entdeckte. Dazu gehört etwa Freddy Quinns «Wir», „ein wahnsinnig skurriles Lied“, sagt der Musikkabarettist, weil es so gar nicht zu dem österreichischen Schlagersänger passe, der normalerweise mit „Seefahrerromantik“ in Verbindung gebracht werde: „Wenn Interpret, Musik und Text völlig heterogen sind, entsteht eine unfassbare Komik mit Fallhöhe, die mir gefällt.“ Mit Klassikern wie «Wir» präsentiert Esser Fundstücke, die heute kaum noch jemand kennt. Wer in ihnen einen Aktualitätsbezug finden möchte, könne es gerne tun. Schließlich müsse das abstrakte Denken wieder geübt werden, kommentiert er etwas sarkastisch den Zeitgeist, weil diese Fähigkeit mehr und mehr verkümmere. Dass merke Esser immer dann, wenn sich Menschen über Vergleiche mit zum Beispiel dem Dritten Reich ärgern. „Dabei denken sie immer vom Ende her. Es geht aber um die Anfänge.“

Harte Zeiten für Kleinkünstler

Mit Stücken dieser Art unterhält er sein Publikum auch bei Live-Auftritten, die so allmählich anlaufen. Am 27. Oktober etwa ist Esser auf der Fuhrman Alm zu sehen, in einer urig-bayrischen Wirtschaft, die kritischen Künstlern eine Bühne bietet. Der Musikkabarettist geht mit seinen Instrumenten auf die Bühne und spielt einige seiner neuen Lieder, die durch einen erzählerischen Faden zusammengehalten werden. Statt mit Band spielt er jetzt mit Einspielungen, die die anderen Mitglieder sozusagen ersetzen. Der Münchner ist froh, dass es noch solche Locations gibt, die Kleinkunst-Events möglich machen. Wie viele seiner Kollegen muss Esser nach Vertriebswegen suchen und Orte finden, wo er seine Kunst präsentieren kann. Das war schon vor Corona schwierig. Heute ist es beinahe ein Akt der Unmöglichkeit, sodass man nach jedem Strohhalm greifen muss.

Die Maßnahmen- und Verbotspolitik habe der Kleinkunstbranche den Todesstoß gegeben, sagt Esser. Er sehe da eher pessimistisch in die Zukunft. „Wenn ich mich mit Leuten aus der Szene unterhalte, bekomme ich zu hören, dass die Zuschauer massiv runtergehen.“ Immer mehr Bühnen verschwänden. Und diejenigen, die blieben, seien entweder konform oder in der Position, die Künstler genau aussuchen zu müssen, damit die Säle möglichst voll werden. Das macht ihm das Leben nicht unbedingt leichter. Aber aufgeben will Esser nicht.

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