Corona-Lyrik – Motschi von Richthofen poetisiert das Zeitgeschehen

In der Geschichte war auf die Lyrik immer Verlass, wenn es darum ging, soziale Umwälzungen zu kommentieren und politisch Stellung zu beziehen. Diese kritische Kraft beweist sie während der Corona-Krise ein weiteres Mal. Immer mehr Dichter widmen sich in ihren Werken dem Zeitgeschehen und greifen in ihnen Ereignisse auf, die momentan weltweit für Aufregung sorgen. Eine von ihnen ist die Münchnerin Motschi von Richthofen. Bislang hat sie zwei Lyrik-Bände veröffentlicht, die die gegenwärtige politisch-gesellschaftliche Situation aus einer jeweils anderen Perspektive betrachten. Während «Friedliche Solidarität für die Freiheit» lyrische Werke bündelt, die unterschiedliche Aspekte der gesellschaftlichen Fehlentwicklung akzentuieren, konzentriert sich «Gegenwart gestalten in Menschlichkeit walten» auf die Grundrechte. 

Der erste Band, bereits im April erschienen, beleuchtet verschiedene Aspekte des Corona-Alltags. Es geht um das Reisen und familiäre Zusammenkünfte, um die mediale Berichterstattung und den Umgang mit Kindern. Was früher als normal galt, wirkt heute befremdlich – und umgekehrt. Corona hat das Leben der meisten Menschen auf den Kopf gestellt. „Covid ist Krieg / Covid ist ein Virus“, heißen die ersten Verse des Gedichts «Die absolute Wahrheit über Corona». „Covid ist eine Schimäre / Covid ist Irrsinn / Covid spaltet Menschen / Covid will Macht haben / Covid zerstört Mitgefühl / Covid produziert Angst“.

Krankheit als Subjekt

Das Poem zählt zu den prägnantesten und ausdrucksstärksten des Bandes. Unter Einsatz der Anapher benennt es schonungslos die Auswirkungen der gegenwärtigen Politik, die sich auf eine neuartige Krankheit stützt, um ihr Handeln zu legitimieren. Die Rechtfertigung suggeriert, dass nicht die Exekutive agiert, sondern Covid. Von Richthofen bildet dieses Argument authentisch ab, indem sie die Krankheit zum Subjekt macht und es jeden Vers einleiten lässt. Neben kritischen Gedichten finden sich in «Friedliche Solidarität für die Freiheit» aber auch solche, die Optimismus verbreiten. Ein Beispiel ist «Brücken bauen». Darin wird die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, was jetzt zu tun wäre, um die Krise zu überstehen: „Brücken bauen heißt es jetzt / Wir sind alle sehr vernetzt / Und auch wenn einer verletzt / Dann sollten wir vergeben / Und gemeinsam streben / Für ein positives Leben.“

In ihren Gedichten zeigt sich von Richthofen als sehr vielseitig. Sie greift zu verschiedenen Vers-, Strophen- und Gedichtformen. Sie experimentiert und verbindet dabei Tradition mit Moderne. Dieser Ansatz macht sich auch in dem jüngsten Werk «Gegenwart gestalten in Menschlichkeit walten» bemerkbar, wo die Grundrechte poetisch umschrieben werden. „Ob Mann / der so viel kann / Ob Frau / die ganz schlau“, lauten etwa die ersten Zeilen zum dritten Artikel des Grundgesetzes, der die Gleichberechtigung hochhält. „Wir sind alle Lebewesen und fressen einen Besen, / Wenn wir so null verstehen, / Denn wir sind alle gleich / unter dem Himmelreich.“ Während von Richthofen in jedem der zwanzig Gedichte zunächst den Inhalt des jeweiligen Grundrechts lyrisch zum Ausdruck bringt, zitiert sie am Ende des Poems den Originalwortlaut.

Würdigung neuer Initiativen

Der Band lässt sich als eine Hommage verstehen, weshalb es nicht verwundert, dass er sich im zweiten Teil den vielen neuen Initiativen und alternativen Medienformaten widmet. Es finden sich Gedichte über KenFM und Ärzte für Aufklärung, über den Corona-Ausschuss und die Genossenschaft Menschlich wirtschaften, über die World Freedom Alliance und dieBasis. „Entstanden aus dem Widerstand“, beschreibt das Poem die neue Partei. „Mit der Wahrhaftigkeit in der Hand / 2020 ein turbulentes Jahr / Eine neue Partei das war klar.“

Einige der Gedichte sind in englischer Sprache verfasst. Von Richthofen greift zu diesem Ausdrucksmittel vor allem dann, wenn sie Phänomene aus dem Ausland zu beschreiben versucht. Zu ihnen zählen unter anderem die Unternehmer Elon Musk und Bill Gates, aber auch der globale Slogan «Building Back Better». Zwischen den Gedichten werden immer wieder mal Illustrationen der Künstlerin Cat’21 abgebildet, die den alltäglichen Corona-Wahnsinn in einer scharfsinnigen wie witzigen Cartoon-Sprache pointiert. Dieses Potpourri an Ausdrucksformen macht die beiden Bänder zu einem atmosphärisch dichten Zeitdokument. In ihnen finden sich alle Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen konserviert, die die «neue Normalität» bestimmen. Interessant und lesenswert.

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