«Locked Down» – Beziehungsfilm erinnert an die Ausnahmesituation im Frühjahr 2020

Der erste Lockdown liegt nun etwas über zwei Jahre zurück. Nun beginnen größere Produktionsfirmen, dieses Thema irgendwie filmisch zu verarbeiten. Auf Netflix ist nun der britische Streifen «Locked Down» erschienen, der die damalige Ausnahmesituation als Rahmen nutzt, um eine Beziehungsgeschichte zu erzählen. Drehbuchautor Steven Knight und Regisseur Doug Liman setzen zunächst auf bekannte Bilder aus den Massenmedien, die den Frühling 2020 wieder ins Gedächtnis rufen: leere Straßen und Waldtiere, die sich weit in die Stadt hineinwagen.

Dann machen die Zuschauer Bekanntschaft mit den beiden Protagonisten – der Werbeexpertin Linda (Anne Hathaway) und ihrem Partner Paxton (Chiwetel Ejiofor), der aufgrund einer Vorstrafe gezwungen ist, seinen Lebensunterhalt als Paketfahrer zu verdienen. Die Beziehung der beiden befindet sich auf dem Tiefpunkt und muss nun, da sie aufgrund des Lockdowns die eigenen vier Wände nicht verlassen dürfen, eine weitere Herausforderung meistern. So statisch wie das Liebesleben von Linda und Paxton sind auch die vielen Filmsequenzen, die in bewegungslosen Aufnahmen überwiegend Zoom-Gespräche zeigen, die die Protagonisten mit Berufskollegen, Freunden und Familienmitgliedern führen. Zwischendurch begegnen sie sich immer wieder, um sich herzlich zu streiten und den jeweils anderen mit Vorwürfen zu bombardieren.

Subtile Kritik

In solchen Szenen thematisieren die Macher die Schwierigkeiten mancher Paare, die der Lockdown verschärft hat. Zwar bleibt eine politische Kritik an den fragwürdigen Maßnahmen weitgehend aus, doch sie werden auch nicht verherrlicht oder gar überhöht. Knight und Liman bauen durchaus Elemente ein, die verraten, dass sie in der Corona-Politik einige unmenschliche Züge sehen. Paxton etwa regt sich oftmals über die Ausgangssperre auf und vergleicht sie mit einem „Gefängnis“. Auch die Nachbarn können dem Lockdown nur wenig abgewinnen. Wenn sie sich jeweils am Fenster auf Distanz unterhalten, lassen sie bisweilen ihrem Unmut freien Lauf. Im Gegensatz zu anderen Produktionen zeichnet der britische Film zumindest in solchen Szenen ein authentisches Bild von der damaligen Situation, ohne die Maßnahmen als „notwendig“ oder „alternativlos“ zu glorifizieren.

Paxton und Linda Foto: Screenshot

Die Filmemacher beweisen sogar Humor, wenn sie beispielsweise den Essenslieferanten bei strömendem Regen mit Maske auftreten lassen. In einer anderen Szene fragt Paxton in der Schlange vor einem Supermarkt, wie viele „Ärsche“ ein herauskommender Kunde habe, der mehrere Toilettenpapierpackungen unter den Armen trägt. Es sind Situationen, die aus der Lockdownzeit jedermann bekannt vorkommen dürften. Das gilt sogar für Nachbarschaftspartys an den Fenstern und Balkonen. Sie fanden zwar eher in Italien und Spanien statt als hierzulande, wurden aber über die sozialen Medien dennoch wahrgenommen. «Locked Down» referiert darauf, als Paxton auf die Straße geht und den gelangweilten Menschen in den Häusern seine Gedichte vorliest, die er aufgrund von Schlafproblemen nachts schreibt.

Aus Kammerspiel wird Heist-Movie

Abgesehen von solchen seltenen Ausflügen ins Freie entwickelt sich die Handlung zu zwei Dritteln im Haus von Linda und Paxton, wo die Konflikte in einem Kammerspiel mit langen, intensiven Dialogen ausgetragen werden. Doch dann nimmt der Film eine überraschende Wendung und wird zu einem Heist-Movie, weil das Paar einen spektakulären Juwelendiebstahl zu planen beginnt. Als Ort sucht es sich das Londoner Luxuskaufhaus Harrods aus, dessen Gänge während der Lockdownzeit genauso leer blieben wie die gewöhnlicher Geschäfte. Linda und Paxton ergreifen in einer Situation eigentlich nicht vorhandener Perspektiven eine Möglichkeit, die sie nicht nur reicht macht, sondern auch dazu führt, dass sie wieder zueinanderfinden.

Obowhl «Locked Down» teilweise gravierende Schwächen aufweist, schaffen es die beiden Filmemacher Knight und Liman, aus einer recht simplen Idee einen unterhaltsamen Streifen zu machen, der zudem kritische Zwischentöne enthält. Ihr Film konserviert so manch eine skurrile Begleiterscheinung der Corona-Politik und wird in mehreren Jahren einem größeren Teil der Gesellschaft hoffentlich die Augen öffnen, wie absurd der Lockdown wirklich war. Obwohl eine romantische Komödie nicht das beste Genre für eine Aufarbeitung ist, liefert sie dennoch eine formidable Vorlage für möglicherweise kritischere Produktionen, die auch die politisch-gesellschaftliche Dimension beleuchten.

Titelbild: Screenshot

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