Der Fotograf Moritz Ott dokumentiert auf Corona-Demonstrationen Zeitgeschichte

Wir befinden uns an einer historischen Zeitenwende. Davon zeugen die zahlreichen Proteste gegen die Corona-Politik. Es vergeht nicht ein Tag, ohne dass Menschen in irgendeiner deutschen Stadt auf die Straße gehen, um für Grund- und Freiheitsrechte zu demonstrieren. Das ist die Stunde der Fotografen, die in effektvollen Bildern Zeitgeschichte dokumentieren können. Einer von ihnen ist der Berliner Moritz Ott.

Wie viele seiner Kollegen tummelt er sich seit April letzten Jahres auf sämtlichen Demonstrationen und fängt Momente ein, die die Stimmung auf solchen Veranstaltungen wiedergeben. „Ich möchte die Ereignisse aus der eigenen Perspektive darstellen“, sagt der 29-Jährige. Er wolle das Geschehen so objektiv wie nur möglich abbilden, auch wenn das nicht immer einfach sei. Um in seiner Fotografie authentisch zu bleiben, begibt sich der Berliner in die Menge. Anders als die Pressevertreter verschanzt er sich nicht hinter Polizisten und Absperrungen, sondern sucht die Nähe der Demonstranten.

Ott ist mitten drin, statt nur dabei – und zeigt dabei keinerlei Hemmungen. Das beweist sein Bildband «Infektionsschutzgesetz». Als am 18. November 2020 Tausende Menschen in Berlin gegen dessen Änderung friedlich protestierten, setzte die Polizei Wasserwerfer und Pfefferspray ein. Es war eine Machtdemonstration, die deutlich machte, zu welch gewaltvollen Mitteln die Exekutive greift, um unliebsame Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen. Auf dem Platz um das Brandenburger Tor brach das Chaos aus. Nur wenige Demonstranten blieben trocken. Bei kühlem Novemberwetter liefen sie mit durchnässter Kleidung umher, rieben ihre Augen und husteten sich die Seele aus dem Leib.

Moritz Ott hat diese Momente festgehalten. Auf seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen frieren sie mit aufgezogenen Kapuzen und halten Regenschirme, behelfen sich mit Augentropfen oder schützen sich mit Planen vor den Wasserstrahlen. Sein persönliches Lieblingsbild zeigt einen älteren Herrn, der tropfnass mit seinen Händen ein Herz formt. Hinter ihm ist auf einer Fahne eine Taube zu sehen. Flankiert wird sie von einem bedrohlichen Wasserwerfer, dessen Leuchter direkt in die Kamera schauen. „Dieses Bild fasst den ganzen Tag zusammen“, sagt der Fotograf. Die Demonstranten seien im Durchschnitt eher älter gewesen, sie zeigten friedliche Symbole, und dennoch habe der Staat Gewalt angewendet. „Diese Elemente finden sich alle in dem Bild vereint.“

Vom Hobby-Fotografen zum freischaffenden Künstler

Künstlerisch aussagekräftige Fotos zu schießen, davon träumte Ott schon während seines Architekturstudiums, als er die Welt um sich herum noch hobbymäßig ablichtete. Doch zunächst lernte er das Handwerk und versuchte, Fortschritte zu machen. Die Beschäftigung mit der Fotografie wurde intensiver, bis der Berliner vor knapp drei Jahren beschloss, seine Leidenschaft professionell zu betreiben. Anfangs nahm er Aufträge an, meistens von Immobilienfirmen oder Privatpersonen, die Ott für Hochzeiten engagierten. Als sie wegen der Corona-Maßnahmen einbrachen, sah der 29-Jährige in den wachsenden Demonstrationen die Möglichkeit, sich künstlerisch auszutoben.

Moritz Ott

Was ihn an solchen Veranstaltungen reizt, sind die emotionsgeladenen Situationen. „Es ist spannend zu sehen, wie sich Menschen für ihre Überzeugungen einsetzen“, sagt er. „Sie singen und tanzen, skandieren Parolen und lassen ihrer Wut freien Lauf“. Auf engstem Raum entstünden Konflikte, die viel Spannung in sich trügen. „Solche Momente findet man im Alltag nur selten“, so der Fotograf. Bei seiner Arbeit orientiert er sich an Fotografien, auf denen die damaligen DDR-Proteste festgehalten sind. Heute lassen sich diese Aufnahmen in größeren Ausstellungen bestaunen. Ott hofft, in die Fußstapfen ihrer Urheber zu treten. „Vielleicht werden meine Bilder in mehreren Jahren ebenfalls ausgestellt, um zu zeigen, wie es wirklich abgelaufen ist“, sagt er.

Konzentration auf Licht und Linien

Mit seinem Band «Infektionsschutzgesetz» hat der Fotograf dafür die Weichen gelegt. Dass die Bilder in Schwarz-Weiß gehalten sind, liegt in der künstlerischen Entscheidung begründet, mehr auf Licht und Linien achten zu wollen. Ott konzentriert sich bei der Motivwahl auf Formen und Konturen. „Die Schwarz-Weiß-Fotografie macht es möglich, die Bilder schlichter zu halten und eine abstrakte Ebene hineinzubringen“, erklärt er.

Das Ergebnis komme gut an. Ott verteilt den Band auf Demonstrationen und muss ihn wegen der positiven Resonanz nachdrucken lassen. Weitere Projekte könnten folgen. Er habe tolle Fotos auf den großen Demonstrationen in Kassel, Stuttgart und Berlin geschossen, sagt er. Vielleicht wird man schon bald einen Band in den Händen halten, der eine dieser Veranstaltungen genauso eindrucksvoll dokumentiert wie sein «Infektionsschutzgesetz».

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